Hallo und guten Tag
Ein Industriedenkmal ging verloren
Mit meiner Regierung war ich auf einem Auslandstrip. Nein, nein, nicht bei Lumpi im sonnigen Italien. Wir haben einen Tagesausflug in die benachbarte Schweiz gemacht. Der Rheinfall war unser Ziel und dort habe ich Max kennen gelernt. Max ist ein Bild von einem Hund. Mit 68cm Widerristhöhe und 50 Kilogramm Gewicht ist er ein ganz schöner Brocken. Lange, weiche und ein wenig gewellte Haare trägt er. Von seiner Zeichnung her ist er auch bunt; Rumpf, Hals, Kopf und Schwanz sind überwiegend schwarz. Interessanterweise hat er von der Nase zur Stirn eine weiße Blässe, das Brustkreuz ist ebenfalls weiß genau wie die Pfoten und die Schwanzspitze. Sein perfektes Aussehen wird abgerundet durch braunrote Flecken über den Augen, braunrote Backen und Abzeichen an der Brust und den Beinen. So viel Schönheit in einem einzigen Vierbeiner vereint, da kam ich aus dem Staunen gar nicht raus. Wäre Max ein Zweibeiner, könnte er glatt als Model gehen. Mit großer Selbstsicherheit tritt mein Kollege auf; das wundert mich bei seiner Größe und seinem Gewicht allerdings nicht, liebe WOCHENBLATT -Leserinnen und -Leser. Seines Zeichens Berner Sennenhund ist er ausgesprochen gutmütig und dennoch sehr wachsam. Trotz seiner Schönheit machte Max einen bekümmerten Eindruck. Ich fragte ihn nach seinem Seelenschmerz. Daran - so erfuhr ich - sind ein paar Zweibeiner schuld. Dann erzählte mir mein Kollege von dem traurigen Ende der Schweizerischen Industriegesellschaft, auch bei uns unter dem Kürzel SIG bekannt. Begonnen hat die stolze Geschichte der SIG vor 154 Jahren mit dem Bau von Drehgestellen für die gerade aufkommende Bahntechnologie; sind meine Informationen richtig, verließ der letzte Eisenbahnwagen am 12. August 1986 die SIG. Zug um Zug wurde der Konzern umgebaut. Die renommierte und weit über die Schweiz hinaus bekannte Firma hatte im vorigen Jahrzehnt einige Unternehmen erworben, doch mit Willy Kissling als Präsident des Verwaltungsrates begann der Anfang vom Ende. 2001 übernahm dieser Herr die Spitze des Verwaltungsrates und sorgte für die Verstärkung des Verpackungsbereichs im Konzern. Auf meine Frage erklärte Max, dass die SIG Combibloc aseptische Kartonverpackungen für Getränke und Milchprodukte herstellt und die SIG allCap die passenden Verschlüsse produziere. Doch zurück zur Geschäftspolitik beider SIG. Stück um Stück wurde alles verhökert, was nicht zur Strategie von Herrn Kissling passte. Sogar der traditionsreiche Verpackungsmaschinenbereich musste dran glauben. Die Marschrichtung war klar: Alles, was nicht zur Abteilung Flüssigverpackung passte, kam weg. Bereits bei der Generalversammlung im März 2006 wurde dem neuen Verwaltungsratspräsidenten Leisewitz durch einen Aktionärskreis um einen Tessiner Finanzier vorgeworfen, dass er Kaufangebote nicht prüfe und damit die Interessen der Aktionäre nicht wahre. Dieser Angriff wurde noch abgeschmettert. Doch der damit verbundene Medienrummel lockte neue Kaufinteressenten an. Die norwegische Verpackungsfirma Elopak meldete sich im letzten Sommer und bot 300 Franken pro Aktie; der Börsenkurs lag damals bei 270 Franken. Doch Elopak hatte die Rechnung ohne die Rank Group des neuseeländischen Milliardärs Graeme Hart gemacht. Diese Firma trieb das Angebot ab Dezember bis auf 435 Franken; bei 400 Franken war für Elopak die Schallgrenze und der Ausstieg aus dem Pokerspiel erreicht. »Ja bunter Hund, das war ein gutes Geschäft für die Aktionäre. In wenigen Monaten ein Wertzuwachs von 165 Franken pro Aktie, das war ein tolles Ergebnis. Was der Verkauf für Neuhausen und die Menschen hier bringen wird, muss die Zukunft weisen. Mich stimmt es eben traurig, wenn eine 154-jährige Industriegeschichte einfach zerstört wird. Es ging nur um einen noch größeren Profit, nicht mehr und nicht weniger. Die Geschäftsleitung wurde mit 10,4 Millionen Franken Bonus für den erfolgreichen Verkauf fürstlich belohnt«. Mit meiner Bemerkung, dass »bei uns das gleiche Spiel gespielt wird«, konnte ich Max auch nicht trösten.
Warum sind die Zweibeiner nur so geldgierig, das fragt sich Ihr bunter Hund.
Autor:Redaktion aus Singen |
Kommentare