Hallo und guten Tag
Die Armen aus den Favelas blieben vor den Stadien stehen

Die Ferienzeit mit meiner Regierung ist wie im Flug vergangen und jetzt darf ich wieder für Sie bellen, liebe WOCHENBLATT–Leserinnen und –Leser. Bei den Zweibeinern war in dieser Zeit ganz schön was los. Als Vierbeiner ohne Verstand habe ich mir mehr als einmal verwundert die Augen gerieben über all die schlimmen Dinge, die da passiert sind. Das Attentat in Nizza, bei dem mehr als 80 Menschen starben, hat auch mich nicht kalt gelassen, dann die brutale Ermordung des 84-jährigen Priesters in der Nähe von Rouen, die Axt-Attacke in Würzburg, der Amoklauf von München, das Bombenattentat in Ansbach, das Grauen und die hässliche Fratze des Krieges in Aleppo, die wie eine Seuche um sich greifende Fremdenfeindlichkeit, die Verhaftungswellen in der Türkei, all das ist grauenhaft. »Wann endlich besinnen sich die Zweibeiner auf ihre Intelligenz und auf Mitmenschlichkeit?« Diese Frage habe ich mir in den letzten Wochen oft gestellt. Auf vielen griechischen Inseln versorgen die Bewohner Flüchtlinge, warten gleichzeitig vergeblich auf Touristen und damit auf Einnahmen. Doch viele Reiselustige haben umgebucht, »weil sie keine Flüchtlinge sehen wollen« =Originalton! Dieser Satz hat sich in meiner kleinen Hundeseele festgesetzt. Ist es das, was die Zweibeiner unter Nächstenliebe verstehen? Hauptsache uns geht es gut, wir haben Spaß und die Probleme sollen die lösen, bei denen sie auftreten. Fast zeitgleich laufen in Brasilien die olympischen Spiele. Mit meiner Regierung habe ich das Geschehen im Fernsehen verfolgt. Doch auch hier ist nicht alles Gold was glänzt. Von der erwarteten Million Besucher aus dem Rest der Welt sind nur zwischen 300.000 und 500.000 angereist. Dopingskandale und die Angst vor Terroranschlägen haben viel dazu beigetragen, dass die Besucherzahlen deutlich hinter den Erwartungen zurückblieben. Viele Menschen haben durch die wirtschaftliche und politische Krise Brasiliens ganz andere Sorgen als Sportveranstaltungen zu besuchen. Nicht umsonst sieht man bei den Übertragungen immer wieder halbleere Tribünen. Doch wundern darf man sich darüber wohl kaum. Nach Angaben des Auswärtigen Amtes liegt das Durchschnittseinkommen in Brasilien bei 820 Euro. Da überlegt sich ein brasilianischer Zweibeiner sicher genau, ob er sich die Eintrittskarte zum Preis von 28 bis 99 Euro leisten soll, darf oder kann. Müssen sich die Menschen in den Favelas, den Armenvierteln von Rio, bei diesen Preisen nicht verhöhnt vorkommen? Trotz all meiner Fragen und Zweifel habe ich natürlich mitgezittert, wenn unsere Sportler im Wettbewerb standen!

In diesem Sinn bis zum nächsten Mal, Ihr bunter Hund.

Autor:

Redaktion aus Singen

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