Hallo und guten Tag
Das traurige Leben eines Masthuhns
Liebe WOCHENBLATT–Leserinnen und –Leser, ich bin – ehrlich gebellt – heilfroh ein Hund zu sein und nicht zum bedauernswerten Federvieh zu gehören. In dem kleinen Ort Wietze in Niedersachsen wurde mit amtlicher Genehmigung der größte Geflügelschlachthof Europas gebaut. Das Firmengelände ist besser gesichert als manch ein Gefängnis (Stacheldraht, Eisenzaun, Graben und Palisaden). Wieso muss ein Schlachthof so gesichert werden? Was gibt es da zu verbergen? Oder darf man keine Fragen stellen? Aus meiner unmaßgeblichen Sicht auf vier Pfoten sind allein schon die bekannten Zahlen ekelerregend. Die maximale Schlachtkapazität beträgt 27.000 Tiere, pro Stunde wohl bemerkt. Das sind täglich 432.000 arme Kreaturen, die maschinell niedergemetzelt werden. Pro Jahr – so der Plan – sollen fast 135 Millionen Hühnchen getötet werden. Habe ich mich nicht verrechnet, dann hat ein Tag 86.400 Sekunden. Bei 432.000 gefiederten Deliquenten pro Tag bleibt für eine Hinrichtung – Pardon Schlachtung – nur der Bruchteil einer Sekunde. Für den Bau gab es vom Land Niedersachsen 6,5 Millionen € Fördergeld. Aus einem Bericht der Süddeutschen Zeitung ist zu entnehmen, dass der Eigentümer das Geld gerne nahm; Besucher oder Journalisten sind dagegen in der Fabrik von Franz-Joseph Rothkötter nicht erwünscht. Ein Gespräch mit der Süddeutschen Zeitung wurde auf Anfrage abgelehnt! Was ist da zu verstecken? Nach meinen Informationen muss sich das Geschäft lohnen. Immerhin landete die Rothköpper Gruppe 2012 auf Platz 2 der Anbieter von Geflügel; den Umsatz hat sie nach den Auswertungen der afz (= allgemeine Fleischerzeitung vom September 2012) von 2010 zu 2011 von 670 Millionen auf 800 Millionen € gesteigert; so nachzulesen im Internet. Täglich wird das Federvieh mit Lkws – sogar aus Dänemark – angekarrt. Trotzdem ist der Betrieb noch nicht ausgelastet; von zwei Schlachtlinien ist eine in Betrieb. Angeblich müssten noch 400 neue Mästereien gebaut werden um die Kapazität auf 100 Prozent zu fahren. In Europa wird vorzugsweise das Brustfleisch der Hühnchen gegessen. Was geschieht dann mit dem Rest der 135 Millionen Hühnchen? Werden die Beine, Flügel und Innereien auch nach Afrika exportiert? Allein im ghanaischen Accra landet täglich eine Tonne tief gefrorenes Hühnerfleisch aus Europa. Die einheimischen Kleinzüchter (gefördert mit Entwicklungshilfe) können nicht mithalten und verlieren ihre Lebensgrundlage – siehe Fernsehsendung Hühnerwahnsinn – WDR. Aus Steuergeldern wird die Entwicklungshilfe finanziert; der Erfolg dieser Arbeit wird durch unvernünftiges Verbraucherverhalten – nur Brustfleisch – und skrupellose Geschäftemacher zerstört oder irre ich mich da? Müssen die Zweibeiner nicht schnellstens umdenken?
In diesem Sinn bis zum nächsten Mal, Ihr bunter Hund.
Autor:Redaktion aus Singen |
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