Hallo und guten Tag
Das Bauchweh beim privaten Knast

Ein Treffen der Dämmerschoppenrunde stand an und ich wie immer dabei. Mal sehen was ich Ihnen dieses Mal interessantes berichten kann, liebe WOCHENBLATT - Leserinnen und - Leser. Was haltet Ihr von der geplanten Privatisierung der Gefängnisse, so kam gleich zu Beginn die Frage von Rolf. Er selbst hielt das für ausgesprochen bedenklich und meinte, dass Minister Goll nicht gut beraten wurde. Dieter - wie immer - verteidigte den Justizminister; es ginge ja schließlich nur um eine Teilprivatisierung. Die PPP(= Private- Public-Partnership-Maßnahme), also im Klartext handelt es sich um die Maßnahme einer öffentlich-privaten Partnerschaft. Nach dem Willen von Herrn Goll soll der Bau eines neuen Gefängnisses durch private Investoren erfolgen. Daran ist doch nichts auszusetzen, wenn Private das billiger machen oder etwa nicht, fragte Dieter in die Runde. Dann muss aber auch über die Idee des Ministers wegen der Privatisierung von Verpflegung, Wäscherei, Arbeit, Ausbildung, medizinischer Betreuung und Gebäudeunterhaltung gesprochen werden, forderte Rolf. Weitere Punkte stünden außerdem auf dem Privatisierungsplan des smarten Justizministers. Die Bedienung und Kontrolle von technischen Sicherheitseinrichtungen und der Objektschutz sind ein weiteres Ziel seiner Begierde. Ich lag wie immer unter der Eckbank und  traute meinen Ohren nicht. Die Verpflegung durch Private erledigen lassen? Wer garantiert dann, dass mit dem Essen nicht auch ganz andere Dinge geliefert werden? Abholung und Anlieferung der Wäsche. Na, in so einem riesigen Berg von Wäsche kann doch leicht mal ein Gefangener mitreisen oder nicht? Arbeit und Ausbildung in Händen von Privaten und gar die medizinische Betreuung? Dieter wies auf Beispiele aus vielen anderen Ländern, darunter den USA und Großbritannien hin. Jetzt meldete sich der Politiker der Runde zu Wort. Manfred wollte von Dieter wissen, was er unter PPP verstehe. Private Partner entlasten den Staat von anfallenden Kosten und damit wird der bestehende Investitionsstau aufgelöst, kam die Antwort. Manfred erzählte von einer Sitzung des ständigen EGÖD-Ausschusses für nationale und europäische Verwaltung am 19. Mai 2005 in Luxemburg. Dabei ging es um den europäischen Markt für privatisierte Dienstleistungen, ihre Entwicklung und die Folgebewertung. Da musste ich mich doch mal schnell mit meiner Pfote kratzen, was der wieder alles wusste. Bereits in den 80-er Jahren gab es die ersten Privatisierungen von Gefängnissen in den USA. Er umschrieb dann kurz die weitere Entwicklung weltweit und in Europa. Wenige multinationale Unternehmen sehen die Strafrechtssysteme auf der ganzen Welt als ihre Zielmärkte; dabei geht es um einen Markt von 424 Milliarden US-Dollar. Allein auf die Vollzugsanstalten entfielen 62,5 Milliarden Dollar (Zahlen von 2004). Die typische Unternehmensform für ein privat finanziertes, geplantes, gebautes, und betriebenes Gefängnis ist ein Konsortium aus einer / mehreren Bank(en), einer Bau / Wartungsfirma und einer Firma aus der Sicherheitsbranche als Betreiber. Er zählte die ganzen Firmen auf, die sich auf dem europäischen Markt tummeln. Seine Ausführungen zu Arbeitsbedingungen und Bezahlung waren sehr aufschlussreich. Das wurde ja auch mir unter der Bank klar, dass bei einer solchen Konsortiumsbesetzung Arbeitnehmer keine guten Papiere haben und Gewerkschaften unerwünscht sind. Manfred wies darauf hin, dass es keinen Fall gab, der einen Vorteil der Privatgefängnisse gegenüber den staatlichen Vollzugsanstalten belegt. Es gab aber sehr wohl erschreckende Fälle, in denen das Versagen der privaten Einrichtungen nachgewiesen wurde. Er nannte Ashfield in England. Dort musste der Direktor 2002 erklären, dass die Anstalt weder für die Häftlinge noch das Personal sicher ist. Das  Parc - Gefängnis  hat die siebthöchste Quote schwerer Übergriffe im Vergleich zu allen anderen Einrichtungen in Wales und England. In Dovegate (England) erfolgte die Auswahl von Häftlingen zur Aufnahme in die therapeutische Gemeinschaft nicht nach Dringlichkeit, sondern nach kommerziellen Vorgaben. Glauben Sie, liebe WOCHENBLATT-Leserinnen und - Leser, dass der Minister Goll diesen Bericht kennt? Warum, so frage ich mich, lernt er dann nicht aus den Fehlern von anderen und macht sie lieber gleich persönlich? Oder ist man im Ministeramt einfach nicht mehr lernfähig?

In diesem Sinn bis zum nächsten Mal, Ihr bunter Hund.

Autor:

Redaktion aus Singen

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