Hallo und guten Tag
Armut fängt bei der Mittelschicht an
Marlenes Besuch war angekündigt und meine Leibköchin wirbelte in der Küche.
Marlene war in der Stadt auf der Suche nach einer Jacke. »Ich habe nichts gefunden was zu meinem Geldbeutel passt und mir von der Qualität und der Machart her gefällt«, erzählte Marlene. »Ich werde den Eindruck nicht los, dass ich mir bestimmte Dinge im Gegensatz zu früher einfach nicht mehr leisten kann. Dabei gehöre ich ja noch nicht zu den wirklich Armen«. Meine Chefin bestätigte die Freundin in ihrem Empfinden. Ihr ist es genau gleich gegangen. »Der Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung beschäftigte sich mit den Armen und den Reichen, doch die so genannte Mittelschicht blieb erneut unbeachtet«, gab sie verwundert zu bedenken. Für meine Leibköchin war das völlig unverständlich; sie hatte im Internet bei der Gesellschaft für Wissen und Bildung e. V. einen Bericht von Michael Parmentier, über einen Vortrag des Soziologen Michael Hartmann am Gymnasium in Achern, gelesen. Da kann man nachlesen, dass 3,5 Millionen Menschen aus den mittleren Einkommensschichten innerhalb von 10 Jahren in die unterste Einkommensgruppe abgerutscht sind. 4/5 der Steigerung dieser Quote sind zwischen 2000 und 2006 erfolgt. Das war die Zeit der Hartz-IV-Reformen, der Einführung der Mini-Jobs, usw. Nach den statistischen Erhebungen der EU und der OECD gibt es in ganz Europa nur zwei Länder, in denen die Kluft zwischen hohen und niedrigen Einkommen noch schneller auseinanderdriftete und zwar in Bulgarien und Rumänien. Im Gegenzug wurde am anderen Ende der Einkommensleiter der Spitzensteuersatz gesenkt und die Steuerbefreiung von Veräußerungsgewinnen eingeführt. Dazu kam dann noch die starke Senkung und teilweise Abschaffung der Erbschaftssteuer. Die angemessene Beteiligung der Reichen an der Erhaltung und Weiterentwicklung des Gemeinwesens kommt nur dann zustande, wenn sie demokratisch erzwungen wird. Nach einer Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung DIW besitzt das obere 1 Prozent der Bevölkerung (alles Milliardäre und Multimillionäre) in Deutschland 35,8 Prozent des Gesamtvermögens. »Dann habe ich mich also nicht getäuscht bei meiner vergeblichen Einkaufstour«, resümierte Marlene. »Nein, Du hast Dich nicht getäuscht. Ich habe mir den Vortrag übrigens in der Mediathek der ARD heruntergeladen. Professor Dr. Michael Hartmann warnte dort eindringlich vor den Folgen, sollte diese Entwicklung nicht gestoppt werden«, erzählte meine Chefin. Müssen die Zweibeiner jetzt nicht ganz schnell die Bremse ziehen und die Mittelschicht unterstützen? Oder täusche ich mich da? Da müssen Gesetzesänderungen her oder etwa nicht?
In diesem Sinn bis zum nächsten Mal, Ihr bunter Hund.
Autor:Redaktion aus Singen |
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