Hallo und guten Tag
Altersarmut nimmt den Stolz auf selbstbestimmtes Leben

Ab und zu gibt es auch bei den Freunden der Dämmerschoppenrunde familiäre Veränderungen. So hat Rolfs Sohn vor ein paar Wochen die elterliche Einliegerwohnung wegen eines Auslandsaufenthalts geräumt. Die kleine Wohnung ist jetzt das Zuhause einer Rentnerin. Beim letzten Treffen der Dämmerschoppenrunde kam das Gespräch auf die neue Mitbewohnerin. »Die Frau hat viele Jahrzehnte Vollzeit gearbeitet, musste dann aus gesundheitlichen Gründen die Arbeitszeit reduzieren und letztlich vorzeitig in Rente gehen«, erzählte Rolf. Er half der neuen Mieterin die Vorhangstangen zu montieren. Dabei fiel im die sparsame Möblierung der Wohnung auf. In der Küche war es ganz extrem. Auf seine Frage nach einer praktischen kleinen Einbauküche kam die kurze und knappe Antwort »Das kann ich mir nicht leisten«. Sie müsse sich mit ihrer kleinen Rente jede Ausgabe genau überlegen und eine solche Anschaffung sei einfach nicht drin, zumal sie in Kürze noch eine neue Brille brauche. Hier versteckt jemand seine Altersarmut, so der Verdacht von Rolf. Renate (das ist Rolfs Angetraute) lud die neue Mieterin zu Kaffee und Kuchen ein. Im Gespräch erfuhr Renate, dass Frau J. eine monatliche Rente von 850 Euro hat. Davon bezahlt sie die Miete, Nebenkosten, Fernsehen, Telefon und die Monatskarte für den Bus. Ein Auto kann sie sich einfach nicht mehr leisten. Die verbleibenden 350 Euro€ braucht sie für Getränke, Essen, Friseur, Kleidung, Medikamente, Zuzahlung bei der Brille und, und, und. Damit sie nicht ganz vereinsamt, hat sie sich einem Wanderverein angeschlossen. Der bietet schöne Touren in der Region, Nordic Walking und Zusammenkünfte im Vereinsheim an und den günstigen Beitrag kann sie sich leisten. Sie nutzt das Angebot der Städtischen Büchereien. Zu den kleinen Freuden, die sie sich leisten kann, gehört auch die Jahreskarte für Frei- und Hallenbad. Das Wort Urlaub hat sie aus ihrem Vokabular verbannt; denn eine Urlaubsreise ist in ihrem Budget nicht drin. Die von Renate in Erfahrung gebrachten Informationen gab Rolf in der Dämmerschoppenrunde weiter. »Sie will keine Almosen vom Staat, lieber spart sie an allen Ecken und Enden. Deshalb gibt es auch keine vernünftige Küche«, so das nüchterne Fazit von Rolf. Manfred hat zwischenzeitlich einen Bekannten angerufen. Der bietet eine kleine Ausstellungsküche zu einem Vorzugspreis an und die Dämmerschoppenrunde kauft. Was für ein Glück für Frau J. mit ihren 850 Euro Rente und dabei – traurig, aber wahr – gibt es Zweibeiner mit noch kleineren Renten und größerer Armut. In diesem Sinn bis zum nächsten Mal, Ihr bunter Hund. 

Autor:

Redaktion aus Singen

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