Hallo und guten Tag
Ab jetzt leben wir ganz gläsern
So kurz vor dem ersten Advent bin ich schwer beschäftigt. Genauer gesagt geht es um meinen Wunschzettel ans Christkind. Lachen Sie bitte nicht, liebe WOCHENBLATT - Leserinnen und - Leser, schließlich haben auch wir Vierbeiner unsere Wünsche und Träume. Das Wunschziel für die Weihnachtsreisemit meiner Regierung ist - wie könnte es anders sein - ein Besuch in Bella Italia bei Lumpi, Berta und Giovanni. Die Beiden werden uns bestimmt wieder mit allerlei Köstlichkeiten aus dem sonnigen Süden verwöhnen. Doch vor der Reise werde ich mich noch rechtzeitig bei Ihnen verabschieden. Struppi wird mich dieses Jahr wohl nicht begleiten, seine Chefs haben einen Skiurlaub geplant. Na ja, mal sehen was daraus wird. Mein Wunschzettel fällt dieses Jahr etwas größer aus. Ich muss nämlich von meinem Weihnachtswunsch einen maßstabgerechten - so heißt das doch oder? - Plan zeichnen, damit ja nichts schiefgeht. Sie können sich sicher vorstellen, dass die Zeichnerei mit meinen Pfoten nicht ganz einfach ist und deshalb begann ich so früh. Zu allem Überfluss kam auch noch mein Kumpel Struppi vorbei. Das war mir echt unangenehm. Ich schätze ihn ja sehr, aber so ein Weihnachtswunsch soll doch ein Geheimnis bleiben oder nicht? Neugierig betrachtete mein Freund den Entwurf und fragte ohne Umschweife, ob ich mir zu Weihnachten eine zweite Hundehütte wünsche oder ob das mein Feriendomizil im fernen Italien werden solle. Ich verneinte seine Fragen und erklärte, dass ich mir zu Weihnachten eine gläserne Hundehütte wünsche. Die neue Bleibe soll von einer Mauer aus Glas umzäunt werden. Struppi kratzte sich hinter dem Ohr und brummte »da kann Dir ja jeder in die Bude sehen«. Genau das wäre von mir gewünscht, gab ich zurück. Ich möchte für meine vierbeinigen Kollegen transparent sein. Sie sollen alle sehen und kontrollieren können was ich so treibe. Deshalb wird mein Glashaus auch komplett verkabelt. Alle meine Telefongespräche werden ein halbes Jahr lang gespeichert, das gleiche gilt für meine Internetverbindungen. In meinem Wagen wird ein Chip installiert, der nicht nur meinen jeweiligen Standort weitergibt, sondern auch die im Wagen geführten Gespräche an den großen Bruder übermittelt. Die Polizei wird irgendwann mit Hilfe von Kameras zusätzlich kontrollieren welche Strecken von mir regelmäßig benutzt werden. Da ich ja nichts zu verbergen habe, ist mir das einerlei. Selbstverständlich hat mein Reisepass - dem Herrn Schily sei’s gedankt - so ein Verbrecherfoto von mir und seit dem ersten November befinden sich in meinem Pass - Herrn Schäuble sei’ s gedankt - auch noch meine Pfotenabdrücke, ganz genau wie bei Verbrechern eben. Selbstverständlich lasse ich auch die für jeden Fluggast geplante Risikoanalyse stillschweigend über mich ergehen. Auf die Nachfrage meines Freundes erkläre ich ihm, dass man in Europa dem schlechten Beispiel der USA folgen und die persönlichen Daten von Fluggästen gegen den Terrorkampf nutzen will. Wer sich dagegen wehrt, ist bereits verdächtig. Da der Herr Bundesinnenminister Schäuble zwischenzeitlich in jedem Lebewesen einen potentiellen Terroristen sieht, wünsche ich mir von meiner Regierung noch eine Chipimplantation ins Gehirn. So kann der wild gewordene Innenminister auch gleich noch meine Gedanken kontrollieren. Falls ihm dann in irgendeiner Gehirnwindung etwas Verdächtiges auffällt, kann er mich sofort aus dem Verkehr ziehen und in Haft nehmen. In einem der dunkelsten Kapitel deutscher Geschichte gab es einen anderen Ausdruck dafür. Wurde damals einer »prophylaktisch« hinter schwedische Gardinen gebracht, so kam er »vorbeugend« in Schutzhaft. Mein Freund meinte, dass ich jetzt ganz schön sarkastisch wäre. »Ich bin nicht sarkastisch, Struppi. Ich frage mich mit großer Sorge was sich die Zweibeiner von diesem Minister und den Abgeordneten noch alles gefallen lassen ohne die Schnauze - pardon – den Mund aufzumachen. Ein gesundes Misstrauen gegenüber Politikern jeglicher Couleur ist angebracht. Deshalb bitte ich die Zweibeiner, die hiesigen Abgeordneten streng nach ihrem Abstimmungsverhalten und der Begründung hierfür zu befragen. Vor allem dürfen sie sich nicht mit irgendwelchen Allgemeinplätzen abspeisen lassen. Mach’ s Maul auf, tu’ s laut auf und zwar rechtzeitig!«
In diesem Sinn bis zum nächsten Mal, Ihr bunter Hund
Autor:Redaktion aus Singen |
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