Wetterextreme am Bodensee
Wie die Klimaveränderung der Tier- und Pflanzenwelt zusetzt
Landkreis Konstanz. Das Wetter verändert sich. Heiße und trockene Sommer, unterbrochen von kurzen, heftigen Regenfällen und Stürmen, sind hierzulande keine wirkliche Überraschung mehr. Das Wetter hat aber nicht nur Auswirkungen auf den Menschen. Auch die Tier- und Pflanzenwelt steht vor der Herausforderung, sich an die veränderten Bedingungen anzupassen. Der Lebensraum Bodensee bildet da keine Ausnahme.
Die aktuellen Wetterextreme, wie Hitze, Starkregen, und die damit verbundenen Schwankungen im Wasserstand wirken sich unterschiedlich auf den Bodensee und seine Bewohner aus, wie Dietmar Straile vom Limnologischen Institut der Universität Konstanz erklärt: "Die Bewohner des Sees sind an jahreszeitlich schwankende Pegel angepasst, wodurch die meisten keine Probleme auch mit raschen Anstiegen haben." Sehr schnelle und starke Zunahmen des Wasserstandes während der Blütezeit von Uferpflanzen oder der Brutzeit von Wasservögeln hinterlassen jedoch ihre Spuren: Im Frühjahr könne dies beispielsweise zu Brutausfällen der Vögel führen.
Von Hitzewellen, die mittlerweile im Sommer vermehrt den Bodensee und auch viele andere Gewässer betreffen, können dagegen vor allem kälteliebende Fischarten betroffen sein. Kurzfristige Ereignisse müssen von langfristigen Veränderungen, die dem Bodensee durch die Klimaerwärmung bevorstehen, unterschieden werden. Die vorhergesagten Veränderungen, wie zum Beispiel eine verringerte Winterdurchmischung des Sees, höhere Temperaturen und niedrigere Pegelstände, werden den See vermutlich nachhaltig verändern.
Ein weiteres großes Problem für den Bodensee stellen eingewanderte oder eingeführte Arten wie zum Beispiel die Quaggamuschel oder der Stichling dar, sagt der Dozent des Limnologischen Instituts: "Obwohl der Stichling schon seit circa 70 Jahren im Bodensee ist, konnte er sich erst in den letzten zehn Jahren massiv ausbreiten. Er macht den Bodensee-Felchen die Nahrung streitig, was zu einem geringeren Wachstum der Felchen führt."
Probleme für Vögel und Pflanzenwelt
Ähnlich argumentiert Eberhard Klein, Leiter des NABU-Bodenseezentrums. Es müsse unterschieden werden zwischen dauerhaften Veränderungen und einzelnen Wetterereignissen, die ein Tierbestand aushalten kann. "Wenn sie wieder und wieder kommen, dann wird es kritisch", sagt er. Konkret für den Bodensee hat er folgendes Beispiel: Bislang galt, dass der Wasserstand im Winter niedriger und im Sommer höher war, mit einem Unterschied von eineinhalb bis zwei Metern. "Das verschiebt sich und gleicht sich an", so Klein.
Das hat Auswirkungen auf die Tierwelt. Beispielsweise für den Schwarzhalstaucher, der darauf angewiesen sei, dass zu Brutbeginn große Schilfgebiete überschwemmt sind. Der Bodensee galt in der Vergangenheit als optimal. Nun sei "Jahr für Jahr minimaler Bruterfolg" zu verzeichnen. Hochwasser im Herbst mache wiederum Zugvögeln zu schaffen, die den Bodensee als "Tankstelle" nutzen und im Schlick nach Nahrung suchen, aber durch den hohen Wasserpegel weniger Bereiche zur Verfügung haben.
Auch den Rückgang der Felchen führt Eberhard Klein auf die Klimaveränderungen zurück. Um Sauerstoff in die tieferen Gebiete zu bringen, muss eine Umwälzung stattfinden, bei der sich das Wasser durchmischt. "Dafür muss sich der Bodensee abkühlen", erklärt Klein die Winterdurchmischung. Wenn das nicht geschieht, sinkt der Sauerstoffgehalt im Tiefwasser, wo Felchen ihre Eier ablegen.
Neben der Fauna haben Wetterveränderungen auch Auswirkungen auf die Flora. Etwa bei Riedwiesen, die auf Feuchtigkeit angewiesen seien, erläutert der Leiter des NABU-Bodenseezentrums. Doch statt dass ihre Fläche zurückgehe, wenn es trockener wird, wachsen sie dann kurzfristig weiter. Langfristig könnten allerdings andere Arten, die sich bisher dort nicht wohlfühlten, die Riedwiesen dauerhaft verdrängen.
Störung der inneren Uhr
"Die klimawandelbedingte Erwärmung des Bodensees kann zudem dazu führen, dass die Felchenlarven schlüpfen, bevor sie ihre erste Beute finden können", erläutert Alexander Brinker, Fachbereichsleiter der Wild- und Fischereiforschungsstelle des Landwirtschaftlichen Zentrums Baden-Württemberg (LAZBW). Dies würde bedeuten, dass sich die Sterblichkeit der am Seegrund geschlüpften Felchen durch fehlende Nahrung erhöht. "Es gab in der Vergangenheit Jahresfänge durch die Berufsfischerei von 1.000 Tonnen. Im vergangenen Jahr waren es dann nur noch 21 Tonnen, was schon einen dramatischen Fangeinbruch kennzeichnet", so Brinker.
Um dieser Entwicklung entgegenzuwirken, hat die Internationale Bevollmächtigtenkonferenz für die Bodenseefischerei (IBKF) für 2024 eine Felchenschonung beschlossen. Begleitet wird dies durch spezielle Bemühungen, Felchenlarven aufzuziehen. Diese sollen dann mit einer Größe in den See gesetzt werden, bei der sie nicht mehr direkt von den Stichlingen gefressen werden können und auch kurzzeitigen Nahrungsmangel besser überdauern.
Doch nicht nur die Felchen sind vom Klimawandel betroffen, sondern auch andere Fischarten, wie Brinker weiter ausführt: "Extreme Hitzeereignisse führten in der jüngeren Vergangenheit zu starken Äschensterben. Auch sind von Hitzewellen die eigentlich äußerst robusten Aale betroffen, die so 'dickköpfig' sind, nicht aus ihren Unterständen in tieferes, kälteres Wasser auszuweichen und dann an Schwächekrankheiten sterben." Des Weiteren können sich Trüschen bei Temperaturen über fünf Grad nicht vermehren.
Kormorane in der Diskussion
Ein weiteres Thema ist die stetig steigende Zahl der fischfressenden Vogelart der Kormorane am Bodensee. Zu dieser Thematik wird aktuell im Auftrag des Ministeriums für Ernährung, Ländlichen Raum und Verbraucherschutz Baden-Württemberg sowie des Ministeriums für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft Baden-Württemberg ein Dialogforum "Kormoran und Fisch" durchgeführt. Das hat erstmalig alle beteiligten und betroffenen Akteure an einen Tisch geholt hat und versucht, basierend auf dem erarbeiteten Konsens, wirkungsvolle und länderübergreifende Maßnahmen zu finden.
Es ist also für Alexander Brinker offensichtlich, dass der Bodensee und gerade seine Fische und die mit ihnen verbundene Fischerei vor gewaltigen Herausforderungen stehen. In einigen Fällen sind Maßnahmen denkbar und auch zumindest in Teilen erfolgversprechend, wie zum Beispiel bei der gezielten Aufzucht größerer Felchenlarven. In Fällen wie der Trüsche, für deren Ei-Entwicklung das Bodenseewasser mittlerweile schlicht zu warm ist, wird es dann fast unmöglich, gegenzusteuern.
Aktuell verändere sich der Bodensee gerade in Bezug auf Klimawandel und das Eindringen und Aufkommen invasiver Arten so schnell, dass unbedingt Wissen erarbeitet werden müsse, um diese Entwicklungen zu verstehen und möglichst gut zu antizipieren. In einem zweiten Schritt können effektive Anpassungsstrategien entwickelt werden, um den negativen Auswirkungen bestmöglich begegnen zu können.
von Philipp Findling und Tobias Lange
Autor:Redaktion aus Singen |
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