Tierschützer mahnen vor spontanem Tierkauf / Nachfrage bei Haustieren ist groß
Wer Tiere hält trägt Verantwortung
Landkreis Konstanz. In den letzten Monaten wurde der Lebensradius der Menschen durch die Corona-Pandemie und ihre Auswirkungen stark eingeschränkt. Um Abwechslung in den tristen Corona-Alltag zu bringen, hat sich manch einer einen tierischen Begleiter zugelegt. Doch das sollte gut überlegt sein.
»Heute Mittag wurden wir auf den Autobahnparkplatz auf der A 98 Kreuz Hegau Richtung Stockach alarmiert. Dort fanden wir einen Bernhardiner vor, der mit einer kurzen Leine an einem Pfosten angebunden war. Die Stelle war sehr versteckt im hohen Gras, er musste dort vermutlich schon länger ausharren. Wir sicherten den völlig durchnässten und ängstlichen Rüden und versorgten ihn. Die hinzugerufene Autobahnpolizei dokumentierte ebenfalls alles, es läuft eine Anzeige. Wir sind entsetzt über diese grausame Tat und wünschen dem Kerl einen schönen Start in sein 2. Leben.«
Diese Zeilen veröffentlichte die Tierrettung Südbaden vor wenigen Tagen online auf ihrem Facebook-Account. Ein Schicksal, das, wie manche befürchten, im Nachgang der Corona-Krise noch andere Tiere ereilen könnte, denn gerade im Lockdown legten sich viele Menschen erstmals ein Haustier zu.
»Wir können dem Wunsch nach Haustieren gar nicht nachkommen«, erklärt etwa Marion Czajor die 1. Vorsitzende des Tierschutzvereins Singen, der Träger des Tierheims in Singen ist. Derzeit sind nur wenige Tiere in der weitläufigen Anlage untergebracht, die während der Corona-Pandemie für Besucher und Gassigänger geschlossen ist. Tiervermittlungen sind nur nach vorheriger Vereinbarung möglich, betont Marion Czajor. Von Seiten des Tierheims wird genau hingeschaut, wer einem seiner Schützlinge ein neues Zuhause geben möchte, damit diese nicht in falsche Hände kommen.
Im Tierheim in Singen sollten sich Herrchen und Hund oder Frauchen und Katze gut kennenlernen. Dann wird beobachtet, wie die Interessenten mit dem Tier umgehen, ob sie sich Gedanken machen, wohin es im Urlaub oder Krankheitsfall kommt und ob die Kosten für Tierarzt oder Hundesteuer übernommen werden können. »Ein Haustier zu halten ist eine große Aufgabe mit viel Verantwortung, das sollte gut überlegt sein«, betont Marion Czajor. Dabei sei eine gewisse Sachkunde wichtig, die auch in der Hundeschule erlangt werden kann.
Auch im Radolfzeller Tierheim wird genau geprüft, ob ein Tier gut zum zukünftigen Besitzer passt und vermittelt werden kann oder nicht, betont Julia Bierbach, die 1. Vorsitzende des Radolfzeller Tierschutzvereins. »Dabei ist es manchmal wirklich schwierig eine Absage zu machen, denn manche Menschen reagieren dann mit großem Unverständnis«, berichtet Bierbach. Besonders gefragt seien mittelgroße Anfängerhunde. »Solche haben wir aber eher selten. Meistens kommen die Tiere ab einem Alter von etwa einem Jahr zu uns, wenn die Besitzer merken, dass es doch anstrengender als gedacht ist, ein Tier zu versorgen«, so Bierbach.
Gerade zu Corona-Zeiten, wenn die Interessenten oft lange zuhause sind und viel Zeit zum Spazierengehen und gemeinsamen Spielen haben, ist zum Beispiel ein kuscheliger Hund gerne willkommen. Doch wenn der übliche Alltag wieder einzieht, die Zeit fürs Gassigehen knapp wird oder längere Urlaubsreisen anstehen, dann kann selbst ein heiß ersehntes Wunschtier schnell lästig werden, so die Befürchtung der Tierschützerinnen.
Doch auch auf die finanzielle Ausstattung der Tierheime hat Corona einen Einfluss. »Unsere Feste sind als wichtige Einnahmequelle weggefallen und auch die Kooperationen mit Altenheimen und Schulen, die ein bisschen Geld in die Kasse gebracht haben, liegen derzeit auf Eis«, berichtet Bierbach. Glücklicherweise hat der Verein in den vergangenen Jahren gut gewirtschaftet und ist dadurch nicht in einer akuten finanziellen Notlage.
Was die Tierschützerinnen nun hoffen ist, dass bei der Rückkehr zum Alltag nach der Pandemie die Tiere nicht vernachlässigt oder ausgesetzt werden. »Davor sollten die Halter die Tiere besser zu uns bringen«, mahnt Marion Czajor. Sie warnt auch nachdrücklich vor spontanen Käufen von Welpen im Internet. »Das ist problematisch. Diese Tiere werden meistens zu früh von ihrer Mutter getrennt, was sich in einem gestörten Sozialverhalten äußert und sie sind oft gesundheitlich sehr angeschlagen.«
Auch der Deutsche Tierschutzbund warnt vor illegalem Welpenhandel: »Die ersten Zahlen für 2021 zeigen deutlich, dass der illegale Tierhandel in diesem Jahr einen traurigen Rekord brechen wird. Der Blick auf die vielen erkrankten und verstorbenen Tiere lässt schon jetzt erahnen, wie viel Tierleid infolge des kriminellen Handels noch entstehen wird. Noch etliche Tiere werden dieses Jahr ihr Leben verlieren«, sagt Dr. Romy Zeller, Fachreferentin für Heimtiere beim Deutschen Tierschutzbund. Da Tierheime und seriöse Züchter die nicht abreißende Nachfrage kaum decken können, schauen sich viele Menschen nichtsahnend im Internet nach dem sehnlichst gewünschten Tier um. Kriminelle Händler haben somit leichtes Spiel. »Der vermeintlich unkomplizierte Online-Kauf ist gepflastert mit Profitgier, Tierleid und nicht selten dem Tod.« Der Deutsche Tierschutzbund fordert daher im Rahmen seiner Bundestagswahl-Kampagne von den Parteien, sich unter anderem für ein sofortiges Verbot des Handels mit lebenden Tieren im Internet einzusetzen.
Autor:Ute Mucha aus Moos |
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