Internet-und Telefonseelsorge bieten Gesprächs-und Kontaktmöglichkeiten
Wenn die Einsamkeit zu groß wird
Landkreis Konstanz / Freiburg. Sie sind rundum die Uhr für Menschen in Krisen und Notlagen da – anonym, vertraulich und kostenfrei: die verschiedenen Seelsorgeangebote der Kirchen. Die ökumenische Telefonseelsorge, aber auch jetzt im digitalen Zeitalter die Internetseelsorge mit der Möglichkeit, über Chats und per Mail ins Gespräch mit Seelsorgenden zu kommen.
Schon vor der Pandemie hatten die MitarbeiterInnen der Telefonseelsorge immer ein offenes Ohr für AnruferInnen in Not. Doch in den letzten Monaten mit Kontaktbeschränkungen und Isolierung hat sich der Gesprächsbedarf enorm erhöht. Deshalb hat das Erzbistum Freiburg über Weihnachten sein Angebot ausgebaut, mit einem speziellen Weihnachtstelefon, denn: »Die Menschen sehnen sich danach gehört zu werden«, sagt Björn Siller, Referent für Kur- und Klinikseelsorge und Pastoral im Internet im Erzbischöflichen Seelsorgeamt in Freiburg, der lange in Radolfzell lebte. Er ist verantwortlich für unterschiedliche Formate der Seelsorge, die teilweise auch digital angeboten werden. Im Gespräch mit dem Wochenblatt schildert der 44-jährige Theologe, wie sich die Situation auch für die Seelsorge durch die Corona-Pandemie verändert hat.
Wochenblatt: Welche Bevölkerungsgruppen nutzten das Angebot des Weihnachtstelefons?
Björn Siller: Zwei Drittel der Anrufer waren Frauen, meist ab 50 Jahren aufwärts, die unter Einsamkeit leiden. Männer haben offensichtlich eine höhere Hemmschwelle zum Hörer zu greifen um zu reden. In den letzten Monaten gab es aber in anderen Bereichen vermehrt junge Menschen, die verschiedene Angebote genutzt haben, weil sie einfach jemanden zum Reden brauchten.
Wochenblatt: WelcheGesprächsangebote haben Sie?
Björn Siller: Im Erzbistum Freiburg gibt es neben der ökumenischen Telefonseelsorge auch die Internetseelsorge, Angebote für Familien und Jugendliche wie das Angebot U 25 von der Caritas, in den Sommerferien das Ferientelefon oder eben wie aktuell über die Feiertage – ein Weihnachtstelefon, das recht spontan eingerichtet, aber sehr beansprucht wurde. Gerade in der Weihnachtszeit ist das Alleinsein für viele Menschen noch schwieriger als sonst. Dieses Weihnachtstelefon bestätigte erneut den großen Gesprächsbedarf der Menschen.
Wochenblatt: Hat sich die Art der Anfragen in den letzten Monaten verändert?
Björn Siller: Beim Weihnachtstelefon hat sich nochmal gezeigt, dass es oft nicht um ein Thema geht, sondern grundsätzlich um einen Gesprächsbedarf. So dauerten die meisten Gespräche über 25 Minuten. In anderen Bereichen lernen wir dann auch, dass die Gespräche an Intensität zunehmen. Das berichten mir ganz besonders die Seelsorgenden aus der Klinikseelsorge, die auch immer öfter von ehemaligen Patientinnen und Patienten angefragt werden.«
Wochenblatt: Wurde dadurch die Belastung für Ihre MitarbeiterInnen erhöht?
Björn Siller: Das kommt auf die Themen an. Allgemein können wir aber sagen, dass sowohl unsere ehrenamtlichen MitarbeiterInnen wie auch unsere hauptamtlichen gut ausgebildet sind und in unseren internen Ausbildungshäusern regelmäßig weitergebildet werden. Und bei verschiedenen Themen empfehlen wir dann auch die Kontaktaufnahme zu entsprechenden Einrichtungen. Wir sind ja in erster Linie Seelsorgende und nicht eine psychologische Beratung oder Ähnliches.«
Wochenblatt: Welche Lehren ziehen Sie nun aus der Pandemiezeit ?
Björn Siller: Es ist nichts Neues, wenn ich sage, dass ein zentrales Thema die Einsamkeit ist. Gerade zu diesem Thema werden wir unsere Erfahrungen aus dem Weihnachtstelefon reflektieren müssen und schauen, wo wir hier noch Angebote ergänzen oder ausweiten können. Eventuell sind diese Erfahrungen auch nochmal ein Signal an verschiedene kirchliche Ebenen, auch an die Seelsorgeeinheiten, mit der Frage, ob auch hier die schon bestehenden Angebote ausgebaut werden können. Wir lernen, dass der Gesprächsbedarf groß ist und dass wir als Kirche hier etwas anbieten können. Wenn man die Menschen mit der Internetseelsorge erreicht, dann müssen wir das Angebot ausbauen, unsere Kapazitäten umschichten. Dabei ist eben nicht nur fachliche Beratung gefragt, sondern es zeigt sich verstärkt die grundsätzliche Sehnsucht nach Gesprächen.«
Wochenblatt: Wie wirkt sich die Digitalisierung auf die Seelsorge vor Ort aus?
Björn Siller: Dazu gilt ein alter Wahlspruch der katholischen Kirche, der lautet: Das eine tun und das Andere nicht lassen. Viele nutzen die Möglichkeit, sich per Mail oder Chat ihre Sorgen, Ängste und Probleme von der Seele zu schreiben, ihre Gedanken und Befürchtungen in Worte zu fassen. Das hat etwas Reflektierendes, Vertiefendes. Doch es soll nicht das persönliche Gespräch ersetzen, wenn man dem Gegenüber in die Augen schauen kann. Bei einemgemeinsamen Spaziergang oder am Tisch spielt die körperliche Nähe eine wichtige Rolle. Dies hat gerade die Pandemie gezeigt, die wie ein Brennglas die zwischenmenschlichen Probleme verstärkt. Wir müssen wieder üben, substanziell miteinander zu reden, das haben wir wohl verlernt. Und nach den Einschränkungen der Pandemie sollte man von beiden Ebenen – der digitalen wie der persönlichen – das Gute beibehalten.
Zur Person
Björn Siller ist seit 2020 Referent für Kur- und Klinikseelsorge und Pastoral im Internet im Erzbischöflichen Seelsorgeamt in Freiburg. Der 44-Jährige kennt den Landkreis Konstanz gut, er lebte von 1982 bis 2003 in Radolfzell und war in der Froschenzunft Radolfzell engagiert. Ab 2004 absolvierte Björn Siller ein Studium der Theologie und Erziehungswissenschaften in Freiburg und Rom. Sein Augenmerk gilt auch den Angeboten der Internetseelsorge, die unter dem Link: www.wochenblatt.link/sorge Menschen in Krisen- und Notsituationen Kontakt-und Gesprächsmöglichkeiten bieten.
Autor:Ute Mucha aus Moos |
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