Wahlrechtsreform im Deutschen Bundestag
Was das neue Wahlrecht für die Abgeordeten im Landkreis bedeuten würde
Landkreis Konstanz. Die vom Bundestag beschlossene Wahlrechtsreform, welche für die Verkleinerung des Parlaments sorgen soll, sorgt weiterhin für große Diskussionen. Im Landkreis Konstanz wäre von den drei aktuellen Bundestagsabgeordneten eine nicht mehr vertreten.
630 – das ist die magische Zahl, auf die der Deutsche Bundestag laut der Wahlrechtsreform sinken soll. Dieses Gesetz sieht vor, auf die Zuteilung sogenannter Überhangs- und Ausgleichsmandate zu verzichten. Dies könnte in Zukunft dazu führen, dass nicht alle Direktkandidaten, die in ihrem Wahlkreis die meisten Erststimmen erhalten, in das Parlament einziehen würden. Überhangmandate sind bisher immer dann angefallen, wenn eine Partei über die Erststimmen mehr Direktmandate in den Wahlkreisen gewonnen hat, als es ihrem Listenergebnis entsprach.
Um das mit der Zweitstimme bestimmte Kräfteverhältnis der Parteien im Parlament wiederherzustellen, wurden diese Überhänge mit zusätzlichen Ausgleichsmandaten kompensiert. Die Zahl der Bundestagsabgeordneten stieg dadurch über die Soll-Grenze von 598 hinaus auf aktuell 736 an.
Stellt eine Partei in einem Bundesland mehr Wahlkreissieger als ihrem Zweitstimmenergebnis entspricht, sollen – in der Reihenfolge ihrer Ergebnisse bei den Wahlkreisstimmen – durch die Wahlrechtsreform entsprechend weniger von ihnen bei der Mandatszuteilung berücksichtigt werden.
Ein weiterer Aspekt dieser umstrittenen Reform ist der Wegfall der Grundmandatsklausel, welche besagt, dass eine Partei auch dann entsprechend ihrem Zweitstimmenergebnis im Bundestag vertreten wäre, wenn sie weniger als fünf Prozent der Zweitstimmen errungen hat, aber mindestens drei Direktmandate gewinnen konnte. In diesem Fall würde es auf Bundesebene »Die Linke« um Gregor Gysi direkt betreffen.
Wie mehrere Medien übereinstimmend berichten, möchte die Union aus CDU/CSU Klage beim Bundesverfassungsgericht einreichen, um diese Reform, die erst noch durch den Bundesrat gehen muss, noch vor der nächsten Wahl zu kippen. Laut der Frankfurter Allgemeinen Zeitung wird eine sogenannte abstrakte Normenkontrolle vor dem Bundesverfassungsgericht (BVG) angestrebt. Dies würde bedeuten, dass das BVG eine Rechtsnorm unter allen Gesichtspunkten überprüfen würde.
Die Wahlrechtsreform hätte, basierend auf dem Ergebnis der letzten Bundestagswahl 2021, auch direkte Auswirkungen auf die FDP-Abgeordnete Ann-Veruschka Jurisch. So wäre sie laut ihrem Abgeordnetenbüro in Berlin auf Nachfrage des WOCHENBLATTs aufgrund des niedrigen Listenplatzes in Baden-Württemberg nicht mehr im Bundestag vertreten.
Anders sieht es jedoch bei den Bundestagsabgeordneten Lina Seitzl und Andreas Jung aus. Die SPD-Politikerin wäre laut ihres Wahlkreisbüros aufgrund des hohen Listenplatzes weiterhin im Bundestag. Jung (CDU) hingegen, laut Wahlkreis-Büroleiter Christoph Stetter, wäre aufgrund seines Erststimmenergebnisses weiterhin direkt vertreten.
Jung selbst betrachtet die Wahlrechtsreform gegenüber dem WOCHENBLATT wie seine ParteikollegInnen sehr kritisch: »Es wird hier nicht der Abgeordnete selbst benachteiligt, sondern der Wähler. Es verstößt gegen eines der urdemokratischsten Rechte, wenn man einen Kandidaten wählt, dieser den Wahlkreis gewinnt und trotzdem durch die Wahlrechtsreform nicht in den Bundestag kommt. 100 Prozent der Erststimmen wären dann wertlos.« Eine Wahl zu veranstalten und danach den Gewinner auszubooten, ist laut Jung »schlicht undemokratisch«. Ihm zufolge entscheide durch die fehlende Zuteilung der Überhangs- und Ausgleichsmandate nur noch der Zufall, dabei solle aber der Wähler Entscheidungsträger sein.
Autor:Philipp Findling aus Singen |
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