Aktion der TK soll für Berufswahl werben / Zeit der Einzelkämpfer ist vorbei
Studenten auf Hausarzt-Tour in Radolfzell
Radolfzell. »Raus aufs Land, rein ins Leben« - unter diesem Motto waren am Donnerstag sechs Medizinstudentinnen und -studenten unterwegs in Radolfzell im Zuge einer ganzen Tour durch Baden-Württemberg. Dabei stehen Gespräche mit erfahrenen Hausärzten über die Gründung und Finanzierung einer Hausarztpraxis auf dem Programm. Auch mit Bürgermeistern sind Gespräche angesetzt.
Organisator der Tour ist die Techniker Krankenkasse (TK) in Baden-Württemberg. "Wir möchten mit diesem Format Studierenden der Medizin das Hausarzt-Leben näherbringen", sagte Andreas Vogt, Leiter der TK-Landesvertretung Baden-Württemberg, im Rahmen eines Pressegesprächs in Radolfzell. Die Stadt am Bodensee stand nach dem Start der Tour in Freiburg am zweiten Tag auf dem Programm der dreitägigen Reise.
Eine Tätigkeit als Hausärztin oder Hausarzt steht bei den Nachwuchsmedizinern nach Ansicht der Kasse wieder deutlich höher im Kurs als das noch vor wenigen Jahren der Fall war. Rund jeder zweite der Studierende der Medizin in Baden-Württemberg ziehe in Betracht, als Hausärztin oder Hausarzt zu arbeiten. Rund 20 Prozent seien noch gänzlich unentschlossen und jeder dritte strebe eine Spezialisierung als Facharzt an. Das ist das Ergebnis einer gemeinsamen Umfrage des Hartmannbundes (HB) und der TK. An der Umfrage haben sich rund 300 Studierende beteiligt.
"Die vielfältigen Bemühungen der vergangenen Jahre, den Hausarzt-Beruf attraktiver zu machen, tragen nun Früchte", betonte Vogt. Er nannte als Beispiele das 2012 aufgelegte Landärzteprogramm der Landesregierung, mit dem Hausärzte in unterversorgten Gebieten bis zu 30.000 Euro Unterstützung erhalten können. Zudem nutzten immer mehr Ärztinnen und Ärzte die Möglichkeit, sich anstellen zu lassen. So sind derzeit bereits 15 Prozent der Hausärzte im Landkreis Konstanz angestellt, fünf Jahre zuvor waren es noch zehn Prozent.
Die Allgemeinmedizin an den medizinischen Hochschulen des Landes wurde gestärkt, zum Beispiel durch die Bildung des Kompetenzzentrums Allgemeinmedizin am Universitätsklinikum Heidelberg. Auch die Kooperation zwischen Kliniken und niedergelassenen Ärzten bei der Weiterbildung und die Initiativen der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) und der Krankenkassen - etwa das Förderprogramm "Ziel und Zukunft" - verbessern die hausärztliche Versorgung.
Die Umfrage zeigt aber auch, dass der Hausarzt alter Prägung als Einzelkämpfer langsam aber sicher an Bedeutung verliert. "Die Betreuung der Kinder und damit auch die Vereinbarkeit von Familie und Beruf steht an erster Stelle bei der Entscheidung, ob auch eine Tätigkeit als Landarzt in Frage kommt", so Vogt. Für sieben von zehn Studierenden ist dieser Punkt sehr wichtig. Zudem muss genügend Freizeit für kulturelle Angebote bleiben. Immerhin für rund 60 Prozent der Studierenden ist das von großer Bedeutung. Hier sind nach Einschätzung der TK auch die Kommunen gefordert.
Trotz aller positiven Entwicklungen und Bemühungen, die Allgemeinmedizin zu stärken ist der Hausarzt-Beruf bei vielen Studierenden immer noch mit Klischees und Vorurteilen verbunden. So hält jeder zweite die Vergütung für zu schlecht, jeder dritte sieht den Hausarzt von der medizinischen Entwicklung abgekoppelt und jeder vierte ist der Ansicht, der Hausarzt genieße zu wenig Ansehen in der medizinischen Fachwelt.
Insbesondere die Vorstellung, dass neue Entwicklungen in der Medizin beim Hausarzt erst ganz am Schluss ankommen, ist aus Sicht der TK völlig falsch. "Vor allem vom Hausarzt wird es in Zukunft abhängen, ob die großen Trends wie die Digitalisierung oder die Herausforderung einer alternden Gesellschaft von der ambulanten Medizin gut gemeistert werden", erläuterte Vogt. Insbesondere in ländlichen Regionen können nach Einschätzung der TK telemedizinische Leistungen wie die Videosprechstunde die ärztliche Versorgung sinnvoll ergänzen und verbessern.
Im Landkreis Konstanz versorgen derzeit 201 Hausärzte die rund 280.000 Einwohner. Damit kommt ein Hausarzt auf 1.339 Einwohner (Durchschnitt in Baden-Württemberg: 1.475 Einwohner pro Hausarzt). 36 Prozent der Hausärzte sind 60 Jahre oder älter (Baden-Württemberg: 35 Prozent).
Autor:Oliver Fiedler aus Gottmadingen |
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