Wie stehen die Bundestagsabgeordneten zum Thema Impfpflicht
Protest und Forderungen stehen sich gegenüber

Symbolbild | Foto: Symbolbild Impfen Moderna
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Kreis Konstanz. Beim Neujahrsempfang der FDP am Dreikönigstag hatte Oliver Kuppel von der Geschäftsführung des Caritasverband Singen-Hegau, und FDP-Mitglied, eine dringende Bitte an die Politik in Berlin: er will so schnell wie möglich eine allgemeine Impfplicht haben. Denn die aktuell für die besonders gefährdeten Berufsgruppen wie Pflegekräfte erlassene Plicht, die zum März in Kraft treten soll, gefährde letztlich schon jetzt den Betrieb des sozialen Dienstleisters, der in der Region eine Sozialstation, viele Kindergärten, Wohnheime und Wohngruppen für Menschen mit Behinderte betreibt und auch die Werkstatt »Team Pirmen« im Singener Gewerbegebiet.
Wegen der Impfplicht gäbe es schon Kündigungen und Aussagen, dass man lieber an die Supermarktkasse sitze um verschont zu bleiben, und da verdiene man auch mehr Geld, klagte Kuppel gegenüber dem zugeschalteten neuen Verkehrsminister Dr. Volker Wissing wie der auch digital teilnehmenden Bundestagsabgeordneten Dr. Ann-Veruschka Jurisch.
Klar ist, das Thema ist ja gerade in einem intensiven Diskussionsprozess und die Entscheidung wird mit Sicherheit auch persönlich getroffen werden müssen von den Volksvertretern die sich natürlich ihr Volk auch vorher anhören sollten.
Und es ist eine Diskussion, bei der auch täglich neue Fakten kommuniziert werden, die eine Entscheidung nicht wirklich einfacher machen, wenn man nur mal nach Israel schaut, wie die Booster-Booster-Impfung nicht wirklich eine Steigerung der Immunisierung gebracht hat, also immer weiter impfen auch nicht hilft.
Freilich, wenn es Sommer mit einer Umsetzung werden sollte, wie es nun der Stand ist, dann sind nicht nur der Caritas viele Mitarbeiter aus Verweigerung weggelaufen, schon weil die sozialen Berufe ja noch ein ganz anderes Problem haben. Was tun ist die Frage? Signale sind jetzt wohl besonders wichtig. Wie wollte das Wochenblatt von den drei Bundestagsabeorndeten aus dem Wahlkreis haben.

»Impfpflicht nicht überstürzen«

Das Thema Impfpflicht geht über den Jahreswechsel virulent durch die politische Landschaft. Die Entscheidung wird nicht leicht und es gibt ja viele Meinungsbilder dazu zwischen Ablehnung, Bedenken und auch der Forderung danach.
Wie ist die Position der Bundestagsabgeordneten zu diesem Thema ? Dr. Lina Seitzl (SPD), Ann-Veruschka Jurisch (FDP) und Andreas Jung (CDU) zeigen ihre Standpunkte auf und beantworteten diese zwei Fragen aus der Region direkt aus Berlin.
1. Wie gut würde ihrer Meinung nach die Wirkung einer 4. Impfung angesichts der aufziehenden Omikron-Welle sein?

2. Wären Sie selbst für eine allgemeine Impfpflicht in Deutschland?

Lina Seitzl (SPD):

1. »Ich bin keine Virologin. Meine Einschätzungen und politischen Entscheidungen richte ich daher immer nach den aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen. Ob eine vierte Impfung oder ein auf die Omikron-Variante angepasster Impfstoff die Wirksamkeit der Impfung erhöhen, das können und werden die forschenden VirologInnen und die ExpertInnen der STIKO nach den entsprechenden wissenschaftlichen Untersuchungen besser beurteilen können. Derzeit gibt es aber keine Empfehlung für eine weitere Auffrischungsimpfung, weshalb ich mich an Spekulationen dazu nicht beteiligen möchte.«

2. »Ich bin für eine allgemeine Impfpflicht in Deutschland. Sehr viele Menschen haben sich bereits impfen lassen – knapp 62 Millionen haben mindestens eine Impfdosis erhalten. Diese Menschen haben das gemacht, weil sie wissen, dass die in Deutschland zur Verfügung stehenden Impfstoffe sicher sind, die Übertragbarkeit des Virus eindämmen und sehr sicher vor einer schweren Erkrankung schützen.

Leider reicht die aktuelle Impfquote allerdings für die Beendigung der Pandemie noch nicht. Das liegt unter anderem an dem Aufkommen neuer Virusvarianten. Um Endlosschleifen aus Lockdown-Maßnahmen zu durchbrechen ist eine hohe Impfquote aber unerlässlich. Sie ist auch unerlässlich, um ein Überlaufen der Krankenhäuser zu verhindern, was alle Patientinnen und Patienten betrifft.

Wir werden um eine allgemeine Impfpflicht nicht herum kommen, wenn wir eine 5., 6. oder 7. Welle verhindern wollen. Deren Einführung ist allerdings organisatorisch alles andere als trivial und wir sollten hier sorgsam vorgehen, um die Einhaltung der Impfpflicht auch überprüfen zu können. Deshalb halte ich nichts davon, die Einführung der Impfpflicht jetzt zu überstürzen. Es braucht ein Gesetz, das rechtlich wasserdicht ist und dessen Umsetzung überprüfbar ist. Sonst verliert die Politik nur weiter an Vertrauen. Diese Aufgabe wird der Bundestag in der nächsten Woche angehen.«

Andreas Jung (CDU):

1. »Impfen ist der Schlüssel auf dem Weg aus der Pandemie. Wir müssen daher alles für eine möglichst hohe Impfquote tun, um die Menschen vor Corona zu schützen und eine Überlastung des Gesundheitssystems abzuwenden. In den vergangenen Monaten hat sich gezeigt, dass sich das Virus beständig verändert und mutiert. Darauf müssen wir auch weiterhin mit unserer Impfkampagne auf Basis aktueller wissenschaftlicher Erkenntnisse, ähnlich wie mit der Booster-Impfung, reagieren. Für den Fall, dass wie bei anderen Impfungen auch weitere Auffrischungen medizinisch notwendig und von der Stiko empfohlen werden, müssen entsprechende logistische und rechtliche Rahmenbedingungen gewährleistet und die mittlerweile eingespielte Impfinfrastruktur weiter vorgehalten werden.«

2. »Nach mittlerweile über 20 Monaten Pandemie wollen wir alle Schritt für Schritt zurück zur Normalität. Das Impfen ist ein wichtiger Schlüssel dabei. Sehr viele Menschen sehen das auch so und lassen sich impfen. Trotzdem bleibt die Impfquote leider hinter den Erwartungen zurück. Zudem sind neue aggressive Varianten des Virus aufgetreten, die die Annahmen zum Verlauf der Pandemie konterkarieren. Daher kann es sein, dass das von Beginn an angestrebte Ziel eines „Gemeinschaftsschutzes“ nur mit einer Neubewertung der Impfpflicht für Erwachsene erreicht werden könnte. In einer sensiblen Debatte müssen deshalb jetzt alle gesellschaftlichen, ethischen und medizinischen Aspekte umfassend diskutiert werden. Rechtlich und praktisch muss geklärt werden, wie eine Impfpflicht ausgestaltet sein kann, welche Erwartung man an sie haben und wie sie umgesetzt werden könnte. Auch die Erfahrungen mit der einrichtungsbezogenen Impfpflicht müssen in die Beratungen einfließen. Im Lichte dieser Debatte werde ich dann meine persönliche Entscheidung treffen. Am besten wäre es, wenn sich kurzfristig so viele Menschen impfen lassen, dass der „Gemeinschaftsschutz“ erreicht wird ohne dass über eine Impfpflicht entschieden werden muss.«

Dr. Ann-Veruschka Jurisch (FDP)

1. Ich bin keine Virologin und kann mich hier nur auf die Meinungen und Argumente der Fachleute verlassen. In Israel werden seit ca. zwei Wochen viert Impfungen bei einigen Personengruppen durchgeführt. Dabei geht man wohl aber gleichzeitig in Israel davon aus, dass drei Impfungen für die breite Bevölkerung reichen. Ich denke, wir sollten nun genau beobachten wie sich das Infektionsgeschehen in Israel verändert, wie schnell es einen angepassten Impfstoff für Omikron gibt und wie sich die Infektionslage dann bei uns darstellt.

2. Eine möglichst hohe Impfquote ist nach heutigem Erkenntnisstand der wichtigste Weg aus der Pandemie. Leider ist bisher die Impfquote hinter allen Erwartungen zurückgeblieben und hochansteckende Virusvarianten, wie derzeit Omikron, erhöhen das Risiko weiterer Wellen, welche unser Gesundheitssystem an den Anschlag bringen. Ja, es gibt Impfdurchbrüche. Fakt ist aber, dass Ungeimpfte ein deutlich überproportional höheres Risiko haben, schwer zu erkranken und damit unser Gesundheitssystem zu stark zu belasten.

Pauschal ist eine allgemeine Impfpflicht aus meiner Sicht aber nicht zu beantworten, es kommt hier sehr auf die Ausgestaltung an. Wir wissen täglich immer mehr und gleichzeitig verändert sich die Lage dynamisch weiter. Vor diesem Hintergrund machen aus meiner Sicht vor allem gestufte Verfahren Sinn, die bedarfsgerecht und nicht pauschal reagieren.

Ich werde mein Abstimmungsverhalten auf jeden Fall von den dann konkret vorliegenden, so genannten Gruppenanträgen abhängig machen. Zentrale Aspekte sind hierbei für mich zusammenfassend: der Ultima-Ratio-Gedanke, die Einbettung in eine gesamtheitliche Strategie, sowie ein stufenweises Vorgehen.

Autor:

Oliver Fiedler aus Gottmadingen

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