Noch mehr Härte für Ungeimpfte durch neue Verordnung
Nebelkerzen im dunklen Corona-Winter

Symbolbild 2G | Foto: Symbolbild 2G

Kreis Konstanz. Noch mehr Härte gegen die Ungeimpften zeigte die Bundespolitik wie die Landesregierung mit ihrer neuen Verordnung. Und noch mehr Eile. Die jüngsten verschärften Einschränkungen aus Stuttgart wurden erst am späten Freitag übermittelt und sollten bereits am Samstagmorgen gültig sein.
Achselzucken gab es da beim Handel, der nun auf einmal neue Schilder ins Schaufenster kleben musste, um die Kunden auf die neuen Regeln mit »2G« hinzuweisen. Das wirkte leider ziemlich. Verunsicherte Kunden, dürrer Zulauf in die Innenstädte an einem Adventssamstag und allerorten bedrückte Mienen. Wo sonst mit der Adventszeit eine der umsatzstärksten Zeiten in den Innenstädten anbricht, herrschte kaum Betrieb. Zumal schon im Vorfeld zum Beispiel in Singen ein geplantes Rahmenprogramm vom Standortmarketing »Singen aktiv« abgesagt werden musste in Erwartung der verschärften Regeln, die zum Teil ja schon Tage vorher angesichts immer höherer Zahlen an neu mit dem Corona-Virus Infizierten durch die verschiedenen Medien kursierten. Auch im Postfach der Wochenblatt-Redaktion stapelten sich die Newsletter zu den neuen Regeln schnell, gepaart mit viel Kritik an der Eile und auch an der Härte der Regeln.
Schon am Samstag ruderte das Sozialministerium zurück und erklärte die »Geboosterten« als testpflichtfrei, am Sonntag gar noch jene, die weniger als ein halbes Jahr ihren Impftermin hinter sich haben, so dass sich auf einmal die Zahl derer, die sich nun bei Veranstaltungen im Bereich von »2G Plus« zusätzlich testen lassen mussten und deshalb doch abgeschreckt waren, auf einmal wieder sehr verkleinerte, währenddessen in Erwartung der Ankündigungen die Teststrukturen gerade noch aufgebaut wurden, um auf den Ansturm zu reagieren, den schon in der Woche zuvor die 3G-Regeln für die Mitarbeitenden der Unternehmen ausgelöst haben.
Die Verunsicherung wirkte verheerend. »Die Absagequote bei Weihnachtsfeiern von Unternehmen, Familien oder Vereinen beträgt 100 Prozent bei uns«, sagt Andreas Zimmermann vom Restaurant Zappa. »Unsere Steuerberaterin sagt, dass wir lieber wieder zu machen sollten.«

Gerade in der Gastromonie ist die Schneise der jüngsten Regeln sehr erheblich und kaum wieder gutzumachen, die da in den letzten Tagen erlassen wurden. Gerade das harte »2G Plus«-Regime wird in der Branche als K.-o.-Schlag empfunden.

Sebastian Kopitzki, Pächter des Kreuz in Singens Altem Dorf, hat am Samstag einen Brief an die Abgeordneten im Bundestag, im Landtag wie auch an Stadträte geschrieben, auch um seiner Enttäuschung Luft zu machen. Denn seit dem März 2020 war die Gastromie elf Monate geschlossen und sieht sich nun durch die neuen Regeln endgültig gefährdet. »Das Ergebnis der neuen Verordnung ist klar: Die Gäste bleiben weg. Nicht nur, weil sie sich erst um einen Test bemühen müssen, für den man teilweise lange anstehen muss, sondern auch wegen der allegemeinen Verunsicherungen und teils widersprüchlichen Informationen zur Corona-Lage.« Reservierungen seien reihenweise abgesagt worden, das gleiche gelte für Weihnachtsfeiern, Familienfeste oder Jubiläen. Ganz wenige Tapfere seien bei der Buchung geblieben, aber das sei dann keine Grundlage mehr. Zudem seien die finanziellen Reserven inzwischen gering und seien schon 2020 aufgebraucht worden, die Corona-Hilfen seien nur mit großer Verspätung gekommen – und jetzt gebe es wohl keine andere Alternative als eine erneute Kurzarbeit zum Jahreswechsel. »Für uns Gastronomen ist eine rote Linie überschritten«, schreibt er an die Politik. Vor allem, weil der ambitionierte Koch in Richtung der Mitarbeiter im öffentlichen Dienst schaut, und auf deren Corona-Prämien und Gehaltserhöhungen in diesem Jahr. Immerhin zwei Abgeordnete hätten scon geantwortet.

Auch Andreas Zimmermann vom »Zapa« in Bohlingen ist für die nächsten Zeiten pessimistisch. »Uns gehört wenigstens noch das Haus«, wo jetzt Pacht bezahlt werden müsse, könnten durch diesen »Lockdown für Ungeimpfte« die Lichter schon bald ausgehen.

Fußballer warfen das Handtuch

Sozusagen über Nacht wurde auch die Fußball-Oberliga in Baden-Württemberg vor dem letzten Wochenende vorzeitig in die Winterpause geschickt, weil die neuen Regeln 2G-Plus plötzlich nicht nur von den Zuschauern, sondern auch von den Spielern bis zu den Betreuern verlangt wurden. »Nicht zu bewältigen«, so die Funktionäre. Die Absage kam so überraschend, dass der FC Rielasingen-Arlen auf seiner Homepage noch zum letzten Heimspiel vor der Winterpause eingeladen hatte – bis zum Samstagvormittag. »Wir halten einen Spielbetrieb unter diesen Bedingungen für nicht mehr zumutbar. Unsere Vereine haben all die Regelungen in den vergangenen Wochen mit viel Engagement und Disziplin umgesetzt. Über Nacht Tests für das ganze Team zu organisieren, das können wir von niemandem verlangen«, begründet der Präsident des Würrtembergischen Fußballverbands, Matthias Schöck, diese sehr kurzfristige Absage.

Dass die neuen, drastischen Einschränkungen im Bereich des Breitensports erst am Freitagabend veröffentlicht werden sollen und bereits am Folgetag gelten werden, halten die Präsidenten für äußerst unglücklich. Ronny Zimmermann, Präsident des Badischen Fußballverbandes: »Wir müssen uns bei unseren Vereinen für die Kurzfristigkeit dieser Entscheidung entschuldigen. Wir haben alles daran gesetzt, unseren Vereinen das Fußballspielen zu ermöglichen, wurden aber von den neuen Maßnahmen vollkommen überrascht. Es war nicht abzusehen, dass die 2G-Plus-Regelung von heute auf morgen auch für unsere Spielerinnen und Spieler mindestens in den Umkleideräumen gilt.« Das war der Stand bis Samstagmorgen. Die Lockerungen kamen für den Verband freilich zu spät.

Handballer nehmen neuen Anlauf

Am letzten Freitagabend hatten BHV, SHV und HVW sowie Handball Baden-Württemberg auch sehr kurzfristig beschlossen, den Spielbetrieb am vergangenen Wochenende auszusetzen. Nun soll angesichts der neuen und etwas entschärften Verordnungslage zumindest die BW-Oberliga am Wochenende wieder antreten können, wurde nun am Dienstag bekannt gegeben. Dafür habe auch das Stimmungsbild in einer Umfrage den Ausschlag gegeben, das deutlich gemacht habe, dass man spielen wolle. Da gilt nun zwar immer noch das »2G Plus«, aber eben mit den Ausnahmen für die Geboosterten und weniger als vor einem halben Jahr Geimpften.

Grund für die spontane Aussetzung durch die drei Verbände war die sehr späte Information der Landesregierung über ihre Entscheidungen hinsichtlich der Verschärfung der Corona-Regeln. Da die Verbände als Veranstalter des Ligaspielbetriebs hier die Verantwortung tragen, ihnen jedoch die Rechtsunsicherheit zu groß war, beschlossen die drei baden-württembergischen Landesverbände noch am Freitagabend kurzfristig die Aussetzung aller Begegnungen des Wochenendes.

Für die anderen Ligen unter der Oberliga gilt die Zwangs-Weihnachtspause erst mal bis zum 8. Januar, wenn die Schulferien vorbei sind – und die Lage überschaubarer wäre.

Selbst Tischtennis zieht die Reißleine

Die späte Bekanntgabe der neuen Verordnung hat alle erwischt. Sogar der Baden-Württembergische Tischtennisverband zog in der Nacht auf den letzten Samstag die Reißleine und sagte die Runde vorläufig ab, freilich mit der Option, sie noch zu beenden, wenn sich die Lage enspannt hätte. Den Verband hatten die neuen Regeln kalt erwischt. Noch am Mittwoch wurde den Vereinen freigestellt, auf freiwilliger Basis weiterzuspielen, wie die Homepage des Verbands informiert. Junge Menschen bis 17 Jahre sind zwar von der 2G-Plus-Regelung befreit, nicht jedoch die erwachsenen Betreuer und Helfer, begründete der Verband die Entscheidung, auch die Jugendrunden abzusagen. »Damit wäre die Organisation der Spiele nicht realistisch«, hieß es am Freitag.

Radballer bleiben mutig

Aber nicht alles ist abgesagt. Zumindest nach Stand Dienstag lädt das »Inpotron«-Radballteam des Veloclubs Singen auf den kommenden Samstag, 11. Dezember in die Radsporthalle im Singener Süden an der Radrennbahn zum Doppelspieltag der Radballjugend und Bezirksliga ein.

Die Radballjugend mit Jason Richmond und Timon Beuscher beginnt ab 14 Uhr und wird versuchen, die Tabellenspitze gegen Karlsruhe, Konstanz, Külsheim, Prechtal und Waldrems zu verteidigen.

Ab 18 Uhr beginnen die Spiele der Bezirksliga mit dem Singener »Inpotron«-Gespann Thilo und Lukas Beuscher als Singen 1 und Marc Bumiller mit Manuel Oexle als Singen 2, Teams aus Lauffen, Stuttgart und Weil im Schönbuch. Klar: rein kommt man nur mit 2G Plus.

Riesige Einbrüche

Wie am Dienstag vermeldet wurde, sind die Auswirkungen auf das Weihnachtsgeschäft wohl erheblich. Karstadt Galerie rechnet laut einer Meldung des Handelsblattes mit einem Umsatzrückgang von 40 Prozent durch die neuen 2G-Regeln. Das Unternehmen habe deshalb erneut Staatshilfen beantragt wie schon beim ersten Lockdown.

Ein Gedicht mit positivem Klang

Die aktuellen Einschränkungen sind auch für Coaches ein hartes Brot. Jetzt sind wieder die ganzen Seminare und Vorträge storniert oder verschoben, oder werden über die digitalen Kanäle versucht, sagt Karl-Ludwig Oehler aus Rielasingen, der um diese Zeit jetzt eigentlich Hochsaison hätte. »Die so wichtige Selbstverantwortung der Menschen wird durch die zum Teil unsinnigen Verordnungen weiter untergraben«, ist seine Diagnose als Beobachter. Und er selbst hat ein Gedicht parat, das wieder Licht in die Dunkelheit bringen kann, auch für die Leser des Wochenblatts:

Karussell

Wo Leben da Wandel

wo Wandel da Unsicherheit

wo Unsicherheit da Angst

wo Angst da Lebendigkeit

wo Lebendigkeit da Leben

wo Leben da Wandel.

von Alexander Jehle (Dichter aus dem Vorarlberg)

Autor:

Oliver Fiedler aus Gottmadingen

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