Bundestagsabgeordnete zum Thema Preissteigerung
»Menschen dürfen nicht im Dunkeln sitzen und frieren«
Landkreis Konstanz/Berlin. Steigende Preise für Miete und Energie, eine hohe Teuerungsrate bei Lebensmitteln und für Dienstleistungen sowie Kosten für die Pflege von Angehörigen belasten nicht nur sozial Schwache, sondern zunehmend auch Menschen aus der so genannten Mittelschicht, die meist Vollzeit arbeiten, um ihre Familie zu ernähren und ihren Lebensunterhalt gestalten zu können. Sie geraten angesichts dieser wachsenden finanziellen Belastungen zunehmend in eine finanzielle Schieflage bis an den Rand der Armutsgrenze. Angekündigt sind zudem steigende Preise für den öffentlichen Nahverkehr, was nicht nur ökologisch ein Widerspruch zur politisch gewünschten Verkehrswende ist, sondern den Geldbeutel der BürgerInnen zusätzlich strapaziert. Vor dem Hintergrund dieser Verschlechterung der Lebensqualität weiter Teile der Bevölkerung fragte das Wochenblatt die politischen Vertreter des Landkreises Konstanz in Berlin, die Bundestagsabgeordneten der CDU, Andreas Jung, der SPD, Dr. Lina Seitzl, und der FDP, Dr. Ann-Veruschka Jurisch: »Was möchten Sie diesen Menschen sagen?“
Dr. Ann-Veruschka Jurisch, MdB FDP: »Mir bereiten insbesondere zwei Dinge Sorgen: Zum einen, dass die Gefahr einer dauerhaften Inflation und was das für Mittelschicht und Geringverdiener bedeutet, gesellschaftlich und politisch unterschätzt wird. Schon für Menschen, die nur ihr Erspartes haben, aber zum Beispiel kein Wohneigentum, ist das eine sehr kritische Situation. Hier brauchen wir neben kompetenten geldpolitischen Maßnahmen eine kluge Finanz- und Haushaltspolitik. Zum anderen macht es mir Sorge, dass unsere Staatsquote immer weiter steigt – zur Finanzierung von staatlichen Maßnahmen aller Art nimmt ›der Staat‹ den Bürgern immer mehr Geld weg. Natürlich müssen Gemeinschaftsaufgaben wie Sozialstaat und der Klimaschutzmaßnahmen finanziert werden, aber wenn der und dem Einzelnen immer weniger verbleibt, über das frei verfügt werden kann, dann stimmt es irgendwann nicht mehr. Anstatt immer mehr umzuverteilen, sollten wir lieber die Menschen von vornherein von steigenden Steuern und Abgaben (z. B. der EEG-Umlage) entlasten und bei niedrigen Einkommen die Hinzuverdienstmöglichkeiten deutlich ausweiten. Arbeiten und eigene Anstrengungen müssen sich lohnen. Gleichzeitig brauchen wir mehr Wettbewerb und private Investitionen, um zum einen den Nahverkehr attraktiv zu halten und zum anderen durch schnelleres Bauen die Wohnungsnot bekämpfen zu können.«
Lina Seitzl, MdB SPD: »Tatsächlich erleben wir zurzeit in einigen Lebensbereichen starke Preissteigerungen, die allerdings laut Experten nur einen vorübergehenden Trend darstellen. Es handelt sich überwiegend um Nachholeffekte, die unter anderem mit der Absenkung der Mehrwertsteuer im letzten Jahr einhergehen. Auch sind die Energiepreise zu Beginn der Pandemie gesunken. Diese gleichen sich jetzt durch die Erholung der Wirtschaft wieder an. Nichtsdestotrotz darf es nicht sein, dass in unserem reichen Land Menschen frieren oder im Dunkeln sitzen müssen, weil sie die Strom- und Heizpreise nicht mehr zahlen können.
Eine spürbare Entlastung wird die Absenkung der EEG-Umlage zum 1. Januar 2022 für die Verbraucherinnen und Verbraucher bringen.
Damit sich die Lebensverhältnisse für die Menschen zukünftig nicht verschlechtern, setzen wir uns als SPD in vielfacher Weise für einen sozialverträglichen Klimaschutz ein. Wichtig ist, dass die Belastungen vor allem bei denjenigen gering gehalten werden, die durch ihren Lebensstil ohnehin weniger Emissionen verursachen.
Weiterhin profitieren knapp elf Millionen Beschäftigte in Deutschland von der geplanten Erhöhung des Mindestlohns auf zwölf Euro. Nicht zuletzt zeigen die hohen Energiepreise, dass wir die regionale und regenerative Energieerzeugung dringend stärken müssen. Die Abhängigkeit von Energieimporten stellt in Baden-Württemberg insgesamt, aber auch in unserem Landkreis ein Problem dar. Der Ausbau der erneuerbaren Energien muss auch bei uns ambitionierter werden, um die gesteckten Ausbauziele zu erreichen.«
Andreas Jung, MdB CDU: »Ich nehme diese Sorgen sehr ernst. Es müssen unterschiedliche Antworten darauf gegeben werden. Auf jeden Fall müssen die folgenden – nicht abschließenden – Maßnahmen umgesetzt werden: Bei der Steuer muss die Inflation wie in den vergangenen Jahren auch künftig durch die jährliche Neutralisierung der ›kalten Progression‹ ausgeglichen werden. Gerade die finanzielle Förderung von Familien muss aufbauend auf die beschlossenen Kindergelderhöhungen weiter konsequent verbessert werden. Eine Entlastung bei den Energiekosten muss etwa durch die schrittweise Abschaffung der EEG-Umlage erreicht werden. Davon profitieren im Vergleich Menschen mit geringem Einkommen am stärksten. Mietpreise müssen durch die Fortführung der Mietpreisbremse, eine weitere Begrenzung der Modernisierungsumlage und durch die Fortführung der Wohnraum-Initiative begrenzt werden. Bei der Pflege kann aufgebaut werden auf den eingeführten Zuschlag: Demnach übernimmt die Pflegekasse einen immer höheren Satz des Eigenanteils, fünf Prozent im ersten Jahr, 25 Prozent im zweiten, im dritten 45 Prozent und ab dem vierten 70 Prozent.
Die Kostenübernahme für Angehörige von Pflegebedürftigen haben wir begrenzt: Nur wer mehr als 100.000 Euro pro Jahr verdient, wird für pflegebedürftige Eltern in Regress genommen. Bund, Länder und Kommunen sind gemeinsam gefordert, attraktive Preise für Bahn und ÖPNV zu sichern. Dabei kann aufgebaut werden auf die seit 2020 von 19 auf sieben Prozent gesenkte Mehrwertsteuer für Bahntickets und auf die kontinuierliche Erhöhung der vom Bund für den ÖPNV zur Verfügung gestellten Mittel.«
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Autor:Ute Mucha aus Moos |
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