Interview mit Schiedsrichter Oskar Lorenz
Liegt die Wahrheit wirklich auf dem Platz?

„Man muss auf dem Platz als Schiedsrichter so im Fokus sein, dass man gar nicht so viel Zeit dazu hat, diese Einflüsse an sich ran zu lassen." (Landesliga-Schiedsrichter Oskar Lorenz über die Einflüsse von Zuschauern und Trainern während eines Fußballspiels) | Foto: Privat/fupa.net
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  • „Man muss auf dem Platz als Schiedsrichter so im Fokus sein, dass man gar nicht so viel Zeit dazu hat, diese Einflüsse an sich ran zu lassen." (Landesliga-Schiedsrichter Oskar Lorenz über die Einflüsse von Zuschauern und Trainern während eines Fußballspiels)
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Kreis Konstanz. Auf dem Fußballplatz kann es schnell emotional und hitzig zugehen. Wie geht ein Schiedsrichter mit diesem Druck um und was muss man dafür mitbringen? Unter anderem hierüber hat das WOCHENBLATT mit Oskar Lorenz, Schiedsrichter in der Landesliga Südbaden, gesprochen.

Dieser hat selbst sehr früh mit der Schiedsrichterei angefangen, hat bereits im Jahr 2015 den Schiedsrichterschein gemacht, wofür das Mindestalter 14 Jahre war, erzählt der 25-Jährige. „Damals bei meinem alten Jugendverein, FC 09 Überlingen, wurde ich gefragt, ob ich nicht auch mal ein Spiel leiten möchte, was für mich so richtig das Interesse daran geweckt hat.“ Neben seiner Tätigkeit als Schiedsrichter in der Landesliga ist Lorenz aktuell auch als Linienrichter in der Verbandsliga tätig.

Doch was machen die Einflüsse oder Einwirkungen von außen mit einem Schiedsrichter? „Das entwickelt sich dahingehend, mit den Jahren und der Erfahrung, dass man das völlig ausblendet“, erklärt Lorenz. Man nehme ihm zufolge die Einflüsse, auch Beleidigungen oder Beschimpfungen wahr, da werde man nicht drum herumkommen, da sich dies seiner Ansicht nach in der Gesellschaft nicht mehr ändern wird. „Wenn das nicht an einem vorbeigehen würde, würde man das auf lange Sicht als Schiedsrichter nicht aushalten“, so Oskar Lorenz. Dabei trennt er ganz klar die äußeren Einflüsse von Zuschauern und Trainern oder Funktionären. „Die Zuschauer haben durch die Umrandung vom Sportplatz schon eine gewisse Grenze, man bemerkt diese somit nur verbal.“ Je höher der Verein spiele, so Lorenz, desto größer seien auch die Ansprüche der Zuschauer an die Spieler und Schiedsrichter.

Die richtigen Worte finden

„Man merkt aber, dass je höher die Liga ist, die Zuschauer einfach auch einen anderen Sachverstand haben.“ Bei Trainern merke man es Lorenz zufolge daran, wenn sie mit einer Entscheidung unzufrieden sind und es körperlich wird, sprich sie wild von außen rumfuchteln mit den Armen und sich dadurch bemerkbar machen. „Wenn man als Schiedsrichter da die richtigen Worte findet, bekommt man diese relativ schnell wieder beruhigt.“ Er selbst gehe als Schiedsrichter dann immer so vor, dass er in einer Spielunterbrechung kurz zum Trainer gehe und ihm die Situation, warum er die Entscheidung so getroffen habe, erkläre und ihm sage, dass zwar Emotionen dabei sein können, es hierfür jedoch eine Grenze gibt.

Wie aber schafft es ein Schiedsrichter, in solch einer Situation die Ruhe zu bewahren? „Man muss es immer so betrachten, dass es nicht gegen den Schiedsrichter als Privatperson geht. „Zudem haben die Zuschauer nicht die Regelkenntnis, die wir haben müssen“, so Lorenz. Viele jedoch haben ihm zufolge auch einfach einen anderen Blickwinkel darauf, was manchmal auch dazu führe, dass ein Zuschauer tatsächlich recht hat mit seiner Äußerung. „Man muss auf dem Platz als Schiedsrichter so im Fokus sein, dass man gar nicht so viel Zeit dazu hat, diese Einflüsse an sich ran zu lassen. Das ist dann, je höher die Liga und je schneller das Spiel ist, oft so der Fall“, zeigt Lorenz auf.

Schmaler Grat bei der Handspielregel

Das beste Beispiel dafür, dass Zuschauer auch recht haben können, sei für ihn beim Abseits, wenn man keinen Linienrichter hat, da die Zuschauer dafür meist auf der Höhe stehen und dies bedeutend besser sehen. Doch was, wenn der Vorwurf eines parteiischen Pfeifens aufkommt? „Es mag manchmal den Eindruck hinterlassen, dass wenn eine Mannschaft fußballerisch nicht ganz auf Höhe der anderen ist, man dann einen Tick zu spät kommt als Spieler und dann eher ein Foulspiel zieht“, so Lorenz. Wenn es dann für ihn alles gegen einen summiert, kommt schnell dieser Vorwurf. Wenn man während des Spiels merkt, dass es zu viel für die eine Mannschaft läuft, pfeife man ihm zufolge im Laufe des Spiels auch etwas für die andere Mannschaft, um die Gemüter zu beruhigen.

Eine der am häufigsten Diskussionen auf und neben dem Platz, auch in der Landes- und Verbandsliga, ist zweifelsohne die Handspielregel. Hier sieht Oskar Lorenz die Richtlinien gut ausgelegt, vor allem, da die unterschiedlichen Kriterien das schon gut festlegen würden. „Ich für meinen Teil kann es mir aktuell nicht vorstellen, was man Schwerwiegendes ändern könnte, da es aus neutraler Sicht auch immer ein schmaler Grat ist zwischen Absicht und keiner Absicht zu unterscheiden, wenn keine klare Bewegung da ist.“ Im Amateurfußball werde ihm zufolge die Handspielregel, so wie sie ist und von den Schiedsrichtern dort gepfiffen werde, auch akzeptiert, da diese Tricksereien und pure Spielintelligenz manchmal noch fehlen. „In den oberen Ligen sind das alles Profis, die wissen genau, wie sie hierbei ihren ganzen Körper bewegen müssen und wie nicht“, erklärt Lorenz. „Das fehlt bei uns an der Basis noch, was für uns vielleicht jedoch auch ganz gut ist.“

Mannschaften stehen im Mittelpunkt

Maßnahmen wie Karten für Trainer, die es in den unteren Ligen ihm zufolge schon seit etwas mehr als drei Jahren gibt, hält der Schiedsrichter ebenfalls für sinnvoll. „Diese Maßnahme war gut und richtig, da zuvor unser einziges Mittel die Verweisung des Trainers aus dem Innenraum war, was nun mit der roten Karte für ihn gleichsteht.“ Die gelbe Karte erhalten Trainer, wenn sie bereits vom Schiedsrichter eine Ermahnung erhalten haben, jedoch nicht ihre Ruhe geben und weiter reklamieren. Lorenz selbst sei nach der Devise Schiedsrichter, dass er das Spiel begleite und nicht er, sondern die beiden Mannschaften und das Spiel im Mittelpunkt stehen sollen. „In einer gewissen Weise gehören dann Emotionen auch dazu, das heißt man muss sie auch zu lassen, sich aber nicht alles gefallen lassen.“

Kein Videobeweis im Amateurbereich nötig

Generell sei es für ihn immer wichtig, die Ruhe zu bewahren, da man als Schiedsrichter über allem stehe und in der Hektik entscheiden können müsse. „Wenn das nicht gegeben ist, kommt meist nur Falsches dabei herum“, so Lorenz. Doch was muss man als Schiedsrichter noch alles mitbringen. „Die Regelkenntnis ist das oberste Gut. Wenn man diese nicht beherrscht, braucht man gar nicht anfangen, zu pfeifen.“ Auch eine gewisse körperliche Fitness sei ihm zufolge wichtig, gerade in der Verbands- oder Landesliga komme man um das regelmäßige Training nicht herum, da man pro Spiel zwischen acht und zehn Kilometern läuft.
„Allgemein treffen wir als Schiedsrichter die Entscheidungen immer nach bestem Wissen und Gewissen sowie unparteilich“, so Lorenz in Bezug auf die Sinnhaftigkeit des Videobeweises in unteren Ligen. „Ich finde nicht, dass der Amateurbereich dahingehend den Videobeweis braucht, da wir sehr gut ausgebildet sind und geschult werden sowie guten Entscheidungen treffen können.“

Blindes Verständnis mit Linienrichtern

Bei Schieds- und Linienrichtern seien für ihn generell Gespannsabsprache sowie die gegenseitige Verlässlichkeit aufeinander sehr wichtig. Oft passe man auch die Spielweise aneinander an, wo man mal mehr oder weniger Zweikämpfe laufen lässt. „Wenn man diesbezüglich den Pfeifstil eines Schiedsrichters kennt, ist das Gold wert“, so Lorenz. Alles in einem sei man ihm zufolge Südbadischen Fußballverband sehr gut aufgestellt im Schiedsrichterwesen. „Habt Spaß, lasst euch nicht ärgern von negativen Einflüssen und bleibt dabei“, rät Oskar Lorenz kommenden Nachwuchsschiedsrichtern. „Vor allem für die Persönlichkeitsentwicklung ist es traumhaft, dieses Hobby zu machen, da man sehr stark daran reift, sich sportlich betätigt und ein kleines Taschengeld verdient.“

„Man muss auf dem Platz als Schiedsrichter so im Fokus sein, dass man gar nicht so viel Zeit dazu hat, diese Einflüsse an sich ran zu lassen." (Landesliga-Schiedsrichter Oskar Lorenz über die Einflüsse von Zuschauern und Trainern während eines Fußballspiels) | Foto: Privat/fupa.net
Auf ein gutes Verhältnis zwischen Spielern und Schiedsrichtern legt Oskar Lorenz während eines Fußballspiels ebenfalls großen Wert.  | Foto: Privat/fupa.net
Autor:

Philipp Findling aus Singen

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