Stefan Leichenauer (Landwirt) und Tina Laakmann (Gastronomin) mit ihren Argumenten
Kontrovers: Fleisch oder Vegan
Diversität statt Spaltung
Die einen wollen am liebsten täglich Berge von Fleisch vertilgen, die anderen stehen solchen Lüsten mit Entsetzen gegenüber. Aber keine Frage; unsere Gesellschaft wird auch in der Frage Fleisch oder Fleischlos immer diverser. Deshalb sind die beiden Pole auf dieser Seite eigentlich gar nicht so weit auseinander.
Stefan Leichenauer: Fleisch bedeutet unsere Landschaft
Stefan Leichenauer ist Landwirt mit viel Leidenschaft. Erst Anfang des Jahres wurde er im Rahmen des bundesweiten »Ceres-Contest« zum Ackerbauer des Jahres gewählt. Und Stefan Leichenauer ist Bullenmäster aus Überzeugung - weil es ihm dabei um regionale Qualität geht, denn die macht für ihn beim Fleisch den Unterschied - und zwar einen großen.
Der Hegau als Landschaft - als Kulturlandschaft, das ist für ihn das Produkt der Landwirtschaft, die die Felder bestellt, die Wiesen mäht und damit freihält, führt er ins Feld. Die Landwirte produzieren dort zum einem großen Teil das Futter für ihr Vieh, daraus wird Fleisch, aber auch Milch. »Was wäre, wenn wir die Felder nicht mehr bräuchten, weil kein Fleisch mehr benötigt würde«. macht er deutlich.
Er selbst liefert seine Bullen nur an zwei Metzger, denn die Qualität mache eben den Unterschied. »Und in beiden Metzgereien hängt ein Bild von mir, damit die Kunden sehen, woher ihr Fleisch kommt«, unterstreicht Leichenauer, der insgesamt mit seinem landwirtschaftlichen Betrieb im Tengener Stadtteil Uttenhofen ganz regional vernetzt ist. Getreide von ihm geht in eine Mühle in der Nähe und von dort zum Bäcker aus der Region, um ein Beispiel zu nennen. Selbst sieht sich Leichenauer als bewussten Fleischesser mit seiner Familie. »Es sollte schon etwas besonderes sein und der Sonntagsbraten gehört schon dazu. Aber unter der Woche muss es keineswegs täglich Fleisch sein.« Das ist auch ein Weckruf, denn den hemmungslosen Fleischkonsum sieht auch er durchaus kritisch, weil es da oft um viel Fleisch für möglichst wenig Geld geht und eine industrielle Fleischerzeugung, in der aus seiner Sicht der nachhaltige Einsatz fehlt, denn er mit seiner Landwirtschaft pflegt. Viel wichtiger wäre ihm, dass Themen wie Regionalität oder auch Tierwohl noch viel stärker in den Fokus der Verbraucher gerückt werden, weil Fleisch auch ein wertvolles Lebensmittel ist, das seinen Wert haben sollte. »Die bäuerliche Fleischerzeugung hat unsere Kultur sehr lange geprägt, erst in den letzten Jahren wurde daraus ein Billigprodukt in dem auch die Verbraucher keinen Wert mehr sehen«, kritisiert er. Dafür ist er auch jedes Jahr zu den Erntezeiten bereit, Arbeitstage mit 16 Stunden und manchmal noch mehr zu absolvieren. Eine Welt ohne Fleischerzeugung kann er sich nicht vorstellen. Es sei ja eines der hochwertigsten Lebensmittel und das Maß sei entscheidend.
Oliver Fiedler
Tina Laakmann: Das ist eine Frage der Achtsamkeit
Eigentlich wollte Tina Laakmann einmal Psychologin werden, doch dann merkte sie, dass Handarbeit in der Küche die größere Befriedigung bringt. Vegane Küche war ein Ideal, aber kein Gesetz. Nach einem Probelauf mit Bioladen und Bistro eröffnete sie vor 10 Jahren mit dem »Safran« das erste unter anderem vegane Restaurant in Radolfzell. »Viele haben dem Projekt damals nur ein kurzes Leben prophezeit, aber mich gibt es immer noch und ich kann inzwischen feststellen, dass auch immer mehr Männer kommen, die ansonsten ja weniger achtsam mit sich umgehen als Frauen, stellt sie fest. »Das andere hatte mich gereizt«, erklärt sie ihr Engagement, denn Fleisch stehe oft auch für Phantasielosigkeit in der Küche. »Gemüse ist sensibler, zarter, feiner und es benötigt Kreativität bei seiner Zubereitung. Denn vegan ist nur ein Aspekt des Restaurants im Herzen Radolfzells. Auch ajurvedische Küche pflegt sie, und Fleischgerichte gibt es auch auf der Speisekarte. Aber sie hält es mit Ghandi und seinem Ausspruch »Sei du selbst die Veränderung die du dir wünscht für die Welt«. Es sei eigentlich eine Frage des Lebensstils. Die Fleischersatzprodukte aus dem Supermarkt seien keine Lösung. Die vegane Küche sollte sich emanzipieren, denn Eiweißlieferanten wie Lupinen, Linsen, Tofu, Seitan oder Grünkern böten viel mehr Möglichkeiten als so zu tun als seien sie Fleisch. Es hat aber doch etwas mit Konsequenz zu tun: »Ein Bio-Blumenkohl ist heute teurer als die gleiche Menge Hackfleisch«, unterstreicht sie. Deshalb fehlt dann oft der Anreiz. »Auf der anderen Seite hat, glaube ich, die Corona-Krise für mehr Verständnis gesorgt, wass man mit der persönlichen Lebensweise anrichtet. Denn das Virus ist ja nicht einfach vom Himmel gefallen, sondern auch durch unserer Lebensweise verbreitet worden«, ist ihr Standpunkt. Da geht es nicht um vegan oder nicht für sie, sondern um den Abdruck, denn man mit der persönlichen Lebensweise hinterlässt. »Die Entscheidung, wie man sich ernährt, ist letztlich weniger eine Glaubens- oder Wissenssache. Und wenn ich weiß was unsere Art des Konsums anrichtet in unserer ersten Welt, dann kann ich gar nicht anders, als auf Fleisch möglichst zu verzichten«, untermauert sie. Oder eben auf höchste Qualität dafür zu setzen. Das »möglichst« ist hier das Schlüsselwort: Ihr geht es auch darum eine gute Küche mit viel Abwechslung bieten zu können - und dass Essen etwas gemeinsames ist. Deshalb gab es bei ihr bis zur Corona-Krise und den Lockdowns auch immer wieder Benefiz-Dinner, bei denen die, die genug haben, mit denen teilen, die zu wenig haben und die sich so was sonst nicht leisten könnten.
Oliver Fiedler
Autor:Oliver Fiedler aus Gottmadingen |
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