Michael Hess über die Zusammenarbeit mit Flüchtlingen
»Für uns war es ein Glücksfall«
Radolfzell. Wie große Segel hängen riesige weiße Zeltplanen zum Trocknen in der Halle der Firma Stromeyer in Radolfzell. Abed Saidy hat die Planen zuvor gesäubert. Der 21-jährige Afghane arbeitet seit drei Jahren bei dem Unternehmen, das hauptsächlich Industriehallen, sowie Zelte für Messen und Feste vermietet. Aus seiner Heimat ist der junge Mann 2015 geflohen. Sein neuer Chef, Michael Hess, ist froh, mit dem Flüchtling einen so guten Angestellten gefunden zu haben.
»In den letzten Jahren haben wir massive Probleme damit, Personal zu finden. Wir benötigen viele Lager- und Hilfsarbeiter. Es gibt aber kaum deutsche oder europäische Arbeitnehmer, die diese Arbeiten machen wollen«, erklärt Hess. »Deshalb waren wir den Flüchtlingen gegenüber auch von Anfang an nicht negativ eingestellt. Für uns war das ehrlich gesagt eine ähnliche Erfahrung wie 1989. Damals haben wir auch schon direkt fünf bis sechs Arbeitnehmer aus dem Osten einstellen können, weil wir dringend Personal gesucht haben«, so Hess weiter.
Eine enge Zusammenarbeit pflegt das Unternehmen mit dem Singener Verein InSi, der sich um die Integration von geflüchteten Menschen sorgt. Fünf Mitarbeiter, die als Flüchtlinge in den Hegau kamen wurden der Firma Stromeyer von InSi als Hilfskräfte vermittelt. »Aus ganz verschiedenen Gründen waren nicht alle von ihnen in der Lage die Arbeit hier auf Dauer auszuführen, aber zwei sind geblieben, als wertvolle Ergänzung für unser Team«, freut sich Michael Hess. Für einen der beiden, einen studierten Bauingenieur, war der Job bei Stromeyer sogar ein Sprungbrett. Er hat seit dem Sommer eine neue Stelle. »Das freut uns natürlich besonders, wenn wir Leute dauerhaft integrieren können«, betont Hess. »Klar, wir machen auch schlechte Erfahrungen mit Flüchtlingen, aber das ist mit allen Mitarbeitern so«, ist sich Hess sicher.
Bernhard Grunewald von InSi zeigt sich indes beunruhigt darüber, dass viele Menschen aus Afghanistan von einer Abschiebung bedroht sind. »Afghanistan ist kein sicheres Land. Viele Experten sagen, dass die Hälfte des Landes komplett unter der Kontrolle der Taliban steht. Ihr Einfluss in der anderen Landeshälfte ist zudem auch bedenklich hoch«, so Grunewald. Michael Hess stimmt ihm zu. Er hofft auf eine Änderung der Rechtslage, damit Menschen, die so gut integriert sind wie Abed Saidy bleiben dürfen, unabhängig davon, woher sie kommen.
Saidy selbst ist froh über den Job bei dem Radolfzeller Unternehmen. In Afghanistan hat er Fenster montiert, erzählt der junge Mann, der inzwischen zusammen mit Arbeitskollegen in einer Wohngemeinschaft in Singen lebt, und leidenschaftlich gerne kocht. »Ich finde es fantastisch, wenn die Betriebe die Flüchtlinge, die bei ihnen Arbeiten bei der Wohnungssuche unterstützen. Das ist nämlich auch ein schwieriges Thema«, erklärt Grunewald.
Bevor Abed Saidi sich wieder an die Arbeit im Lager macht, hat Michael Hess noch eine gute Nachricht. »Statt Weihnachtsgeschenke an unsere Kunden zu schicken, möchten wir die Arbeit von InSi mit einer Spende von 2.500 Euro unterstützen«, erklärt er, und übergibt den obligatorischen Spendenscheck direkt an Bernhard Grunewald als Vertreter der Vorstandschaft des Vereins. Die Spende kommt dem Verein gelegen, schließlich will er seine Schützlinge auch dabei unterstützen Rechtsmittel einzulegen, sollten diese nach Afghanistan zurückgeschickt werden, verriet Grunewald.
- Dominique Hahn
Autor:Redaktion aus Singen |
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