Verkaufen, Testen, Entwickeln
Brettspiele sind sein Traumberuf

Michael Palm im Seetroll, in der Hand hält er "Kyu", das neue Spiel von Lukas Zach und ihm. | Foto: Anja Kurz
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  • Michael Palm im Seetroll, in der Hand hält er "Kyu", das neue Spiel von Lukas Zach und ihm.
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Konstanz/Tengen-Watterdingen. Das Hobby als Beruf: Für Michael Palm aus Tengen-Watterdingen, Brettspiele-Entwickler und Inhaber des Comic- und Spieleladens Seetroll in Konstanz, ist das ein wahr gewordener Traum. Seit mehreren Jahrzehnten dreht sich für den 53-Jährigen fast der gesamte Alltag um Brettspiele – verkaufen, austesten, entwickeln.

Missen möchte er davon nichts: „Ich gehe jährlich mal in mich und frage mich: Ist das noch mein Ding? Und ich beantworte es immer noch mit 'Ja'.“ Es sei ein riesiges Glück, sein Hobby zum Beruf machen zu dürfen und gemacht zu haben. Spiele entwickle er immer im Duo mit Lukas Zach, der in Bremen wohnt. Seit 22 Jahren treffen sie sich zweimal die Woche, virtuell per Skype, so berichtet Palm, und feilen an Spielideen. Anfangs waren die eher komplex: Sammelkartenspiele etwa, auch unter Lizenz von 'Die Simpsons' oder dem PC-Autorennspiel 'Need For Speed'.
„Mit dem Älterwerden und auch mit den eigenen Kindern wurden wir immer familiengerechter“, findet er im Rückblick und ist damit vollkommen zufrieden. „Ein gutes, einfaches Spiel zu entwickeln, in das man schnell reinkommt, das sich aber trotzdem frisch anfühlt, das ist viel schwieriger, als ein Kennerspiel zu machen, wo die Regeln dann 32 Seiten haben. Da löst man Probleme einfach, indem man zusätzliche Regeln einführt.“

Was macht ein gutes Spiel aus?

„Natürlich ist das zeitlich ein hoher Aufwand. Aber dadurch, dass es auch manchmal ein bisschen als Hobby läuft, tut’s nicht weh.“ Wenn er mit Prototypen fremder oder eigener Spielideen zum Testen nach Hause komme, fänden das gerade seine beiden Söhne – acht und zehn Jahre alt – grandios. „Sie waren die ersten Prototypen-Tester von Dorfromantik.“

Dorfromantik. Das im November 2022 erschienene Aufbau-Strategiespiel machte aus einer sehr erfolgreichen Videospielvorlage ein ebenso erfolgreiches Brettspiel. Innerhalb eines Jahres verkaufte es sich 200.000-mal, so ein Bericht der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. Insbesondere, nachdem es 2023 zum Spiel des Jahres gekürt wurde. Die Auszeichnung für das Spiel des Jahres 2024 am 21. Juli ist daher für Michael Palm ein besonderer Moment. Nicht, weil ein weiteres Spiel des Duos nominiert ist – „das haben wir auch nicht erwartet“. Sondern weil dann ein intensives und turbulentes Jahr seit der Auszeichnung 2023 vergangen ist, mit vielen Anfragen für Interviews oder von Verlagen in der Hoffnung auf eine ähnlich erfolgreiche Spielidee.

„Man spricht heute von 1.000 Neuheiten pro Jahr“, erzählt Palm. Ohne Varianten von bekannten Spielen liege man immer noch bei 300 bis 400 Neuheiten. „Da gibt es schon auch immer wieder Neues. Etwas Bekanntes so neu kombiniert, dass es viel besser ist oder wirklich etwas innovativ anderes.“ Eine Formel für ein erfolgreiches Spiel habe er zwar nicht, aber wichtige Faktoren für ein gutes Spiel: „Dass es fesselt. Dass die Schwelle zum Reinkommen relativ gering ist, aber die Tiefe hat, um es nochmal zu spielen.“

Spieleentwicklung im Dialog

Während andere bei der Entwicklung von den Mechaniken her denken, stehe für ihn und Lukas Zach die Atmosphäre des Spiels an erster Stelle. Der geschichtliche Hintergrund soll in den Spielmechaniken spürbar sein, etwa „ob ich jetzt Hunde und Katzen spiele oder Orks und Zwerge.“ Meist beginnt es mit einer Idee von einem der beiden. In einer Art „Ping-Pong-Spiel“ wird diese nach und nach ergänzt und erweitert. „Natürlich gehört im Hintergrund dazu zu wissen, was der Markt schon hat. Und viel zu spielen.“ Es gehe auch darum, auf dem aktuellen Stand zu bleiben. Spürbar verändert habe sich die Erzählweise, in Spielen wie auch in Romanen. „Wäre ‚Der Herr der Ringe‘ heute noch erfolgreich, wenn wir erst 200 Seiten lang lesen, was die Hobbits alles kochen? Damit will ich sagen: Auch im Spiel muss es schneller gehen.“ Eine „Aussetzen“-Karte etwa sei einfach nicht mehr aktuell. „Provokant gesagt: Ich setze mich doch nicht an den Spieltisch, um dann nicht zu spielen.“

Älter noch als seine Entwicklerkarriere ist der Seetroll in Konstanz. 1991 zog es Michael Palm dorthin, um Jura zu studieren. Zwei Jahre später eröffnete er zusammen mit drei Mitstudenten den Seetroll. „Wir dachten, wir machen das zwei oder drei Jahre.“ Inzwischen gibt es den Laden bereits 31 Jahre, seit 2007 führe er ihn alleine. Ein Ableger ist in Friedrichshafen zu finden. Selbst während des kurzen Gesprächs im Seetroll wird deutlich, dass der Laden für Michael Palm eine Herzensangelegenheit ist. Wird er nach Spieleempfehlungen gefragt, dauert es wenige Sekunden und er kommt mit einem Vorschlag zurück. Er kennt die Stammkundschaft, unterhält sich gerne kurz mit ihnen. „Wir haben teilweise Kundinnen und Kunden der dritten Generation hier“, erzählt er, die vor 30 Jahren mit ihren Eltern dort vorbeikamen und jetzt selbst Nachwuchs haben. „Das ist schön zu sehen.“

Sind Brettspiele nur etwas für die kälteren Jahreszeiten? „Wir sagen natürlich ganz klar: Nein“, erwidert Palm sofort. Wenn es die Menschen im Sommer nach draußen ziehe, gebe es auch kompakte Spiele zum Mitnehmen - egal ob für das Freibad, die Reise in Zug oder Flugzeug oder für den Rucksack-Trip durch Thailand.

Fünf Spiele-Empfehlungen für den Sommer von Michael Palm

CABO: „Ein Urklassiker im Kartenspielbereich. Das ist eine tolle Mischung aus Gedächtnis, Taktik und Zufall. Das kann jedes Alter spielen und ist für zwei bis fünf Personen.“

Rebel Princess: „Ein sehr schön gestaltetes Stichspiel mit Karten, bei dem wir eigentlich nur versuchen müssen, dass wir keine Heiratsanträge von Prinzen erhalten, weil wir rebellierende Prinzessinnen sind. Jede Spielerin und jeder Spieler hat eine eigene Prinzessinnenkarte, die eine besondere Fähigkeit gibt.“

QWIXX: „Das ist ein Spiel, das man auch bei 40 Grad spielen kann. Ähnlich wie Kniffel, aber ich muss in jedem Zug eine Entscheidung treffen. So ist jeder immer im Spiel beteiligt.“

Mojo: „Das ist ganz neu und ein bisschen in der Erbschaft von UNO. Dabei muss ich Karten loswerden, aber meine letzten drei Karten auf der Hand geben mir Minuspunkte. Ich will also gar nicht immer alles sofort loswerden, sonst habe ich zu viele Minuspunkte auf der Hand.“

Bonsai: „Das ist ein ruhiges, gemütliches Aufbauspiel, bei dem jede und jeder einen Bonsai pflanzt und den wachsen lässt. Es ist ein einfaches Nehmen von Karten aus der Mitte und dadurch wachsen meine Möglichkeiten, was ich setzen kann, wenn ich dran bin und mein Baum wächst. Es gibt eine Solo-Regel, ansonsten für zwei bis vier SpielerInnen.“

Michael Palm im Seetroll, in der Hand hält er "Kyu", das neue Spiel von Lukas Zach und ihm. | Foto: Anja Kurz
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Autor:

Anja Kurz aus Engen

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