OB Martin Staab spricht im Interview über den zwieten Bauabschnitt des Seevillenparks
»Wir werden wohnbaulandpolitische Grundsätze auf den Weg bringen«

OB Martin Staab sprach im WOCHENBLATT-Interview | Foto: OB Martin Staab sprach im WOCHENBLATT-Interview über den geplanten zweiten Bauabschnitt des Seevillenparks und die jüngste Demonstration in Radolfzell. swb-Bild: Archiv/gü
  • OB Martin Staab sprach im WOCHENBLATT-Interview
  • Foto: OB Martin Staab sprach im WOCHENBLATT-Interview über den geplanten zweiten Bauabschnitt des Seevillenparks und die jüngste Demonstration in Radolfzell. swb-Bild: Archiv/gü
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Radolfzell (gü). Das sagt Radolfzells Oberbürgermeister Martin Staab zum zweiten Bauabschnitt der Seevillen und zur jüngsten Demonstration für bezahlbaren Wohnraum in der Stadt im exklusiven WOCHENBLATT-Interview (siehe auch aktueller Leitartikel »Stadt wird bei bezahlbarem Wohnungsbau nachholen«):

WOCHENBLATT: Hat die Stadt den sozialen Wohnungsbau in den zurückliegenden Jahren vernachlässigt?
Staab: »Wir haben beim sozialen Wohnungsbau Nachholbedarf, das ist korrekt. Viele Jahre gab es dazu leider keinerlei entsprechende Bundes- oder Landesprogramme, um den Wohnungsbau zu fördern. Dies ist nun anders. Wir werden als Stadt wohnbaulandpolitische Grundsätze auf den Weg bringen. Diese werden Investoren verpflichten, wieder Wohnungen für Zielgruppen zu bauen, die es schwer haben, am Wohnungsmarkt etwas zu finden. Unser Grundsätze sollen zukünftig regeln: Bei Neubauvorhaben muss der Investor 30 Prozent des Wohnraums in einer geeigneten Weise mit sozialen Zielsetzungen realisieren. Das können geförderte Sozialwohnungen im normalen Mietwohnungsbau sein. In integrativen Quartieren können das auch Wohnungen für Senioren oder Menschen mit Behinderung sein. Insgesamt muss es in Radolfzell zukünftig mehr Wohnraum für jeden Geldbeutel geben.«

WOCHENBLATT: Bis 2020 sollen 1.500 neue Wohnungen in Radolfzell geschaffen werden. Fallen alle neuen Vorhaben unter die wohnbaulandpolitischen Richtlinien?
Staab: »Das ist leider rechtlich nicht möglich, da wir in einer Marktwirtschaft leben. Wer also ein Grundstück hat und ein Bebauungsplan existiert, kann sein Baurecht ausüben. Der Großteil der Bauvorhaben wird aber entweder städtische Grundstücke, oder einen Bebauungsplan der Stadt benötigen. Dann kann die Stadt dieses Instrumentarium der 30%-Regel einsetzen. Diese Quote ist so hoch, weil es noch eine vernünftige und vertretbare Regelung ist und gleichzeitig doch ausreichend Wohnungen schaffen kann, um die Versäumnisse der Vergangenheit nach und nach zu beseitigen.«

WOCHENBLATT: Was bedeutet denn günstiger Wohnraum konkret? Wie viel kosten diese Wohnungen?
Staab: » Günstiger Wohnraum heißt, die Preise sollen sozial verträglich, also bezahlbar sein. Günstig wird es – subjektiv – niemand nennen. Wichtig ist, dass es sich die Menschen mit ihrem Einkommen leisten können. Bei Sozialwohnungen ist das konkret messbar, weil die Mietpreise deutlich unter dem Mietspiegel liegen müssen.«

WOCHENBLATT: Reagieren Sie mit dem zweiten Bauabschnitt des Seevillenparks unter anderem auf die Demonstration vergangener Woche?
Staab: »Der Seevillenpark ist nicht Auslöser der Wohnungsproblematik. Das Quartier Seevillenpark sollte ganz klar einen sozialen Charakter erhalten. Das Vorhaben der Stadtverwaltung war, dort nicht ausschließlich Wohnraum für finanzstarke Käufer entstehen zu lassen. Drei Vereine hatten ernsthaft Interesse an einem integrativen Wohnkonzept mit offenem Treff gezeigt – Aufwind e.V., Wir e.V. und die Lebens- und Arbeitsgemeinschaft Lautenbach e.V.. Bedauerlicherweise sind die Vereine, zum Teil sehr kurzfristig, abgesprungen. Damit ging der soziale Charakter des Viertels fast verloren. Der Investor hat vor einiger Zeit das nebenan liegende Firmengelände von Pfeiffer Marine für einen zweiten Bauabschnitt erworben. Im zweiten Bauabschnitt wollen wir den sozialen Charakter und die Idee des Gemeinderates nun revitalisieren.«

WOCHENBLATT: Herr Staab, die Verwaltung möchte also im Zuge der wohnbaulandpolitischen Grundsätze, dass beim zweiten Bauabschnitt des Seevillenparks integrative Wohnungen unter anderem für Senioren und Menschen mit Behinderung entstehen. Wer ist für diese Wohnungen anspruchsberechtigt?
Staab: »Ja, wir wollen das ursprüngliche Konzept aufgreifen. Die Wohnungen für Behinderte werden bereits im ersten Bauabschnitt realisiert, es kann aber auch sein, dass weitere im 2. Bauabschnitt entstehen. Wichtig ist uns, dass wir auch bezahlbares Seniorenwohnen, angepasst an den Mietspiegel, dort schaffen. Auch einen offenen Treff für die Menschen des Quartiers wollen wir realisiert sehen.
Anspruchsberechtigt sind unter anderem Menschen mit Behinderung, die zum Beispiel auf den Rollstuhl angewiesen sind, ebenso Senioren, ggf. auch kinderreiche Familien. Und wir werden Wert legen auf explizit mehr Belegungsrechte, als die Verwaltung im ersten Bauabschnitt hatte.«

WOCHENBLATT:
Sie brachten jüngst einen runden Tisch mit der Initiative »Bürgerforum Bauen Radolfzell (BBR) ins Gespräch. Wie könnte diese Austauschrunde aussehen?
Staab: »Die Bürger haben zum Teil gute Ideen geäußert, die es nun zu prüfen gilt. Daher möchte die Verwaltung einen runden Tisch initiieren, an dem die Vertreter verschiedener Initiativen ihre Vorschläge einbringen können. Diese können dann auf Ihre rechtlichen und faktischen Möglichkeiten intensiv diskutiert werden. Im Kern ergibt sich unser Problem daraus, dass wir Zuzugsregion sind und die Innenverdichtung deutlich zugenommen hat, um nicht noch mehr neue Flächen versiegeln zu müssen. Für mich steht fest, dass ein gesunder Mix entstehen muss. Wir sind uns bewusst, dass wir es im Zweifel niemandem recht machen können. Andererseits darf man nicht nur die Gefahren dieses Wachstums der Stadt sehen. Bedenkt man die gegenteilige Situation, dass die Menschen abwandern würden, hat dieses viele negative Auswirkungen. Da sei nur der Wertverlust der Immobilien der Bürger erwähnt. Ebenso müssten immer weniger Menschen die gleiche Infrastruktur bezahlen und die Stadt würde schnell an Attraktivität verlieren. Dies geht inzwischen vielen Kommunen im Osten und Norden so. Ich denke, wir müssen auch ein kleines bisschen dankbar sein, dass wir eine attraktive Stadt sind, und dann versuchen, die nicht so positiven Begleiterscheinungen abzumildern. Dies ist bei Wohnungspolitik eine Aufgabe für die man einen langen Atem braucht.«

Das Interview führte Matthias Güntert.

- Matthias Güntert

Autor:

Redaktion aus Singen

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