Viel Applaus für "JAA" bei der Zeller-Kultur
Wie der "Knast" den Weg zu sich frei machen kann
Radolfzell. Der Applaus nach zwei Stunden im "Knast" am Freitagabend bei der Zeller Kultur war sprichwörtlich. Vor allem von der schauspielerischen Leistung der Jugendtheatergruppe des Kulturzentrums zeigten sich die Zuschauer bei "J.A.A. - Jugendarrestanstalt" ganz schön begeistert. Das von den Jugendlichen schon in 2019 kurz nach der Gründung unter der Leitung von Anny De Silva selbst entwickelte Stück, wurde auf vielfachen Wunsch hier "reloadet". Die meisten der jungen SchauspielerInnen waren damals schon dabei und haben jetzt noch mal eine ganze andere Perspektive auf gescheiterte Lebenswege. Weitere Informationen unter www.zellerkultur.de.
Die Mädchen mit völlig unterschiedlichem Background haben eines gemeinsam: Sie alle haben eine schwere Straftat begangen, die sie in die Jugendarrestanstalt Themishof führt. Die familiären Hintergründe ihrer Taten und Probleme, die als mögliche Auslöser gesehen werden können, bilden den Stoff für lautstarke Konflikte, während sie gezwungen sind miteinander auszukommen - sie können sich ja nicht ausweichen. Nach und nach werden die einzelnen Schicksale entblättert. Doch erst gegen Ende bröckeln die Schutzmauern, das Publikum ist ja ''mitgefangen' bei ''J.A.A. Jugendarrestanstalt' hier im Theatersaal der Zeller Kultur und konnte miterleben, wie sich Wege öffnen können, andere Türen dafür zufallen, so verschieden wie das Leben ist.
"Döner" ist nicht Kopftuch
So "brutal" das Stück beginnt in gegenseitigen Attacken, bei denen immer wieder ein Kopftuch als Zeichen des "anders seins" in den Vordergrund rückt, brauchen die Akteurinnen Akilah (Besjanda Berisha), Leonie (Varinia da Silva), Aileen (Sayenn Floristanu) und Finja (Alina Korhummel), die dabei von "Lucille" (in Schwarz, Fabia Korhummel und "Angeline" (in Weiß, Jule Hertkorn) sozusagen virtuell begleitet werden, viele Wortgefechte, um sich so zu erschöpfen, dass die Mauern fallen. Sich näher kommen heißt da auch sich selbst näher kommen. Der Autounfall bei der Flucht, die verschwundenen Rucksäcke mit dem Schmuck, wegen derer Leonies Bruder Jason (Kai Eberhardt) immer wieder auftaucht, weil er diese Kohle braucht. Der getötete Bruder als Folge des Versuchs von Akilha, die Zwangsverheiratung ihrer Schwester zu verhindern. Das angezündete Internat, aus der Trauer über den Schmerz am Tod der Mutter von Finja. Die blockierten Emotionen von Aileen. Wilde Träume von Schuld, von der Angst vor Veränderungen, da wird das Publikum weit in die Seelen mitgenommen, weiter als es die schroffen Angriffe je hätten Träumen lassen. Und immer wieder entlarvte Widersprüche: "Döner" ist gut, Kopftuch nicht. Aber gehört das nicht zusammen?
Der Glaube siegt
Letztlich ist das ein Stück über den Glauben an sich selbst. Die "Tiere" aus dem Knast helfen sich, werden zur Gruppe und öffnen sich die Türen in eine neue Welt und somit nicht zurück zu den alten Problemen. Die Schwangerschaft von Aileen, "eingefangen" bei einem Freigang, wird zum Schlüssel darüber, dass es eben eine Welt gibt, die alle braucht. Das mag natürlich naiv klingen auf den ersten Blick, und doch muss man genau daran eben glauben, dass Schicksale reparierbar sind, dass man immer neues Anfangen kann ohne die ewige Hypothek der Schuld. Das ist das beeindruckendste dieser selbst entwickelten Dramaturgie.
Autor:Oliver Fiedler aus Gottmadingen |
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