Erster Radolfzeller Bürgerdialog mit brissanten Themen
Überraschende Ursachen des Flüchtlingsstroms

Foto: Salemon Bassène, Journalist aus Senegal, sprach am ersten Abend des Radolfzeller Bürgerdialogs über Flucht und Fluchtursachen. swb-Bild: eck
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Markelfingen (eck). Deutschland wurde in 2015 von der massiven Fluchtbewegung aus afrikanischen Krisenländern überrumpelt. Besorgnis und Ängste machten sich in den Köpfen der Bürger breit. Ein rauer Wind fegt seitdem durch die politische Landschaft Deutschlands. Lippenbekenntnisse aus Berlin, wie: »Wir schaffen das«, helfen den Kommunen nicht die Probleme zu bewältigen. Auch die Sorgen vieler Bürger lassen sich damit nicht vertreiben. Die Stadt Radolfzell lädt deshalb zum Radolfzeller Bürgerdialog ein. In mehreren Veranstaltungen gibt es Vorträge und Diskussionsrunden zu Themen rund um Flucht, Islam und arabische Kultur. Das Ziel der Reihe ist es, die besorgten Bürger zu informieren und Verständnis wecken - im offenen Dialog kontroverse Meinungen austauschen. Doch vorweggenommen: Dieses Ziel wurde bei der ersten Veranstaltung nicht erreicht. »Ein reger Besuch der Veranstaltungsreihe ist im Interesse der Stadt, insbesondere im Hinblick auf den Ausbau des Dekorsy-Areals«, sagt Susanne Schaffart, Flüchtlingskoordinatorin Stadt Radolfzell.
Das Flüchtlingsthema ist zu kontrovers, zu komplex, zu emotional belegt, um es während ein paar Vorträgen mit anschließender Diskussion umfassend zu erörtern. Aber es kann helfen Einblicke zu gewinnen. Kann Anregung sein zum Nachdenken. Salemon Bassène, Journalist aus Senegal, spricht am ersten Abend über Flucht und Fluchtursachen. In seinem Vortrag umreißt er die Gründe in einer weltpolitischen Bandbreite. Kapitalistisch orientierte Globalisierung sei mitverantwortlich: Ausbeutung natürlicher Ressourcen, kein Technologie- und Know-How-Transfer und eingeschränkte Subvention durch die Weltbank. Auch die Schlüsselsektoren der Wirtschaft würden durch die ehemalige Kolonialmacht beherrscht. Politischer Einfluss würde durch Frankreich ausgeübt, so bei Präsidentenwahlen, erläutert Bassène. Afrikanische Präsidenten blieben nicht lange im Amt, würden sie sich dagegen auflehnen, so der Referent.
Bei seiner nächsten Argumentation geht ein Ruck durch die Besucher. Absetzung und Tötung Gaddafis habe die Flüchtlingsbewegung nach Europa erst ermöglicht. Die Zerstörung des libyschen Staatsapparates hätte Libyen zum Durchgangsland für Flüchtlinge gemacht. Gaddafi sei einer der Wächter der afrikanischen Stabilität und Ordnung gewesen, so Bassène. Ferner habe Gaddafi viele afrikanische Staaten finanziell unterstützt. Diese Ansicht hat viele Zuhörer überrascht. War Gaddafi in der westlichen Welt doch das Sinnbild für Gewaltherrschaft und Verstöße gegen die Menschenrechte. Am Schluss des Vortrages zieht er ein kurzes Resümee. Die wichtigsten Fluchtgründe seien politisch bedingt durch die militärischen Konflikte. Ferner durch Armut und geringe berufliche Perspektiven. Nicht zu vergessen sei die Flucht der Homosexuellen aus afrikanischen Ländern. Homosexualität wird in vielen Ländern Afrikas mit hohen Freiheitsstrafen und teils mit dem Tode bestraft.
Viele Wirtschaftsflüchtlinge hätten falsche Vorstellungen von Deutschland, wirft ein Gast in die Runde. Die klare Antwort von Bassène: »Findet man nach dem Studium im Senegal keine Arbeit, kann man nicht gut leben, musst du gehen«.

- Matthias Güntert

Autor:

Redaktion aus Singen

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