Dialogforum sucht den "grünen Weg"
Stadt im Spannungfeld von Wachstum und Ökologie entwickeln

OB Simon Gröger mit Karlheinz Walter und Maxime Gesell von Reschl Stadtentwicklung bei der Begrüßung zum Gruppentreffen beim Dialogforum Wohnen zum "Bauen und Ökologie" im Saal der Baubehörde. | Foto: Fiedler
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  • OB Simon Gröger mit Karlheinz Walter und Maxime Gesell von Reschl Stadtentwicklung bei der Begrüßung zum Gruppentreffen beim Dialogforum Wohnen zum "Bauen und Ökologie" im Saal der Baubehörde.
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Radolfzell. Das Thema ist ein Spannungsfeld und wird von vielen Fragestellungen begleitet. Will Radolfzell wachsen? Es muss ja schon wegen der Nachfrage nach Wohnraum – möglichst nach bezahlbarem. „Wenn wir wachsen wollen, dann wo? Und wie passt das mit Notwendigkeiten des Klimaschutzes zusammen?“, fasste OB Simon Gröger beim dritten Teil des „Dialogforum Wohnen“ im Saal des Bauamts am letzten Mittwochabend zusammen. Und klar: es ging um Bauen und Ökologie! Nicht um "oder".

„Wenn wir vor zwanzig oder zehn Jahren über Wohnungsbaustrategien gesprochen hatten, ging es um Quantität und Qualität im Wohnungsbau und jetzt geht es um die Kernfrage: Wie viel Bauen verträgt die Stadt“, sagte Karlheinz Walter, der die Stadt Radolfzell hier beim Dialogforum Wohnen für das Unternehmen „Reschl Stadtentwicklung“ begleitet auf dem Konzeptweg. An diesem Abend war er begleitet von seiner Mitarbeiterin Maxime Gesell, die ganz viele Einwürfe sammelte.
„Wie denken sie, dass ihre Stadt im Jahr 2050 aussehen sollte, wenn sie Stadtplaner wären“, war die Eingangsfrage von Karlheinz Walter gewesen, der hier in Radolfzell. Soweit müsse man schon versuchen, ins Voraus zu schauen. Stadt und Gemeinderat sollten sagen, was die Grenzen sind. „Größer wird unsere Stadt nicht, dann müssen wir sie von innen her entwickeln“ kam schnell als Leitsatz auf. Die Frage Ökologie und Wohnungsbau, sei nicht damit gelöst, nicht zu bauen, sagte Gröger nach verschiedenen Einwürfen, dass man sich schon genug ausgedehnt habe. Radolfzell sei eine Stadt, die von Einpendlern geprägt würde, da stelle sich die Frage ob es nicht am Ende ökologischer sei, dort zu leben, wo man arbeitet.

Licht und Schatten des Tourismus

Die Einwürfe der Besucher des Workshops waren viel vielfältig und zeigten das Spannungsfeld auf: Der Slogan Radolfzells sei der der lebendigen Stadt inmitten von Seelandschaft und Naturschutzgebieten. Weniger Parkplätze solle es geben, dafür mehr ÖPNV. Das Thema Open Gardening wurde angesprochen, auch weniger Straßen müsste man sich denken. Energie-Eigenversorgung müsse mit am Anfang der Planungen stehen.
Und der Tourismus solle die Stadt eben nicht so erdrücken wie in Meersburg oder Überlingen. Von April bis Oktober seit es deshalb ziemlich voll, weil rund 400.000 Übernachtungen übers Jahr gerechnet auch über 1.000 zusätzliche Einwohner wären. Dafür seien von November bis März fast keine Touristen mehr, und ganz viele Wohnungen stünden in dieser Zeit leer, obwohl sie eigentlich auf für andere Zecke benötigt würden, sagte eine Einwohnerin aus Markelfingen, die recht frisch zugezogen war und gerade mit der Stadtverwaltung im Clinch darüber ist, weshalb es ein so riesiger Verwaltungsakt ist, auf einem Parkplatz ein Hochbeet einzurichten, ´wenn man kein Auto benötigt.

Mehrwert nicht vernichten

„Der Mehrwert von Radolfzell sind die Naturräume, wenn wir die zubauen, wäre unser Alleinstellungsmerkmal weg“, wurde auch in der Diskussion dazu gestellt. Die andere Seite beleuchten die Vertreter von Mieterbund und „Haus und Grund“ die natürlich den fehlenden Wohnraum in der Stadt sehen, und meinen damit auch bezahlbaren, der mit den ganzen Vorgaben an die Umwelt kaum mehr hinzugekommen sei, wurde fast zornig bemerkt und die „Entschlackung“ von Verwaltungsvorgängen gefordert.

Ganz viele freie Grundstücke

Der Vertreter der Liegenschaftsverwaltung hat freilich die Stadt mal unter die Lupe genommen, wo noch was frei wäre. 1600 bis 1.700 Wohnungen könnte man darauf bauen, das könnte viele Wohnungsprobleme für eine lange Zeit lösen, doch dann wurde auch wieder die Frage gestellt, welchen ökologischen Wert diese freien Flächen haben könnten, wie man „Grüne Korridore“ in die Stadt zum Klimaausgleich bekommen könnte.

Man müsse immer die Ausgeglichenheit der ganzen Infrastruktur sehen: Wohnungsbau bedeute auch Kindergärten, Kanäle, Schulen, Sporthallen, Busverbindungen. „Brauchen wir wirklich alle Flächen, die wir noch hätten“, wurde klar gefragt. Oft wurde fehlendes Grün beklagt. Dazu konterte aber Wolfgang Keller von „Grün und Gewässer“ bei der Stadt Radolfzell: hier werde sehr viel für Stadtklima und Biotopvernetzung umgesetzt. Auch gebe es ja seit letztem Jahr eine Stadtklimaanalyse, eine Grundlage, um weiter damit zu arbeiten. Die Stadt fördere auch schon länger naturnahe Gärten, was nicht viele zu wissen schienen.

Mehr Räume miteinander verbinden

„Wir brauchen sicher keine 40.000 oder 50.000 Einwohner, reagierte OB Simon Gröger auf verschiedene Einwürfe zum Thema Wachstum und der Frage, ob ein „Grünes Gleisdreieck" nicht besser sei als ein bebautes. „Entwicklungsprobleme können nur interkommunal gelöst werden, wenn da jeder noch sein Baugebiet will, fehlt ein Gesamtkonzept, dass aktuell ja bei der Biotopvernetzung zum Beispiel viele Gemeinden im Verbund angehen um größere Räume miteinander zu koppeln. Beim Wohnungsbau müsse man mehr und mehr in Quartieren denken lernen, die eben viele Belange vereinen, von den Naturstrukturen bis zu den sozialen Verknüpfungen, die am Ende auch viel mit Klimaschutz zu tun hätten.
Zumindest mit dem Baugebiet Hübschäcker für Böhringen, das nach jahrzehntelanger Vorplanung jetzt noch mal neu aufgebaut werde mit einer Abkehr von der Einfamilienhaussiedlung hin zum gemeinsamen Wärmeverbund, ein starkes Signal gestellt, rief Karlheinz Walter in die Runde herein die neue Leiterin des Ressorts für Nachhaltige Stadtentwicklung, Angelique Augenstein, die dieses Dialogformat ja auch mitentwickelt hatte.
Klar wurde: einfach wird eine Lösung gewiss nicht, die müsse auch ständig neu hinterfragt werden.

Jetzt geht um Ideen für die Innenstadt

Der nächste Workshop zum Dialogforum Wohnen findet am Dienstag, 20. Juni, um 19 Uhr im Milchwerk, Tagungsraum 1 zum Thema „Städtebau und Freiraum“. Vor dem Hintergrund der Zielsetzung, die Innenentwicklung in Radolfzell weiter zu forcieren, stellen sich Fragen wie „Wo gibt es versteckte Potentiale? Was sind „die Grenzen des guten Geschmacks“ bei einer Nachverdichtung? Auch ein Thema mit enormem Spannungsfeld, dessen Energie genutzt werden kann. Anmeldeschluss ist der 14. Juni über baudezernat@radolfzell.de

Autor:

Oliver Fiedler aus Gottmadingen

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