Radolfzell wollte die SS-Kaserne

Radolfzell (li). Der Kulturausschuss des Gemeinderats wird am 12. Januar ab 16.30 Uhr im Bürgersaal über ein wichtiges Stück der Aufarbeitung der SS-Zeit in Radolfzell beraten. Die Fakten liegen bei Achim Fenner längst in der Schublade. Doch erst mit dem Theaterstück »Die Flüsterstadt« von Gerd Zahner (Das WOCHENBLATT berichtete als erste darüber) kam Bewegung in die Diskussionen. Im Kulturausschuss geht es um die Frage der Förderung der Aufführung in Radolfzell, aber auch darum, wie überhaupt mit dem Thema künftig umgegangen werden soll.

Für viele Radolfzeller ist es auch heute noch ein Schock, dass sich die Stadt selbst damals um die Kaserne beworben hatte. Motor war Bürgermeister Eugen Speer.

Speer hatte 1934 den verdienten Otto Blesch (seit 1911) mit üblen Verdächtigungen aus dem Amt gedrängt. Speer war eine typische Figur für diese Zeit: 1929 war er aus Schleswig-Hollstein nach Güttingen gekommen und hatte die Nationalsozialisten hier zusammengefasst. Er wurde Hitlers Gauinspekteur und am 10. Februar 1934 Bürgermeister in Radolfzell. Aus seinen Verbindungen heraus wusste er, dass hier im Süden eine Kaserne entstehen sollte. Radolfzell bewarb sich darum.

Am 18. November 1935 wurde bereits mit den Erdarbeiten begonnen. 500 bis 600 Männer arbeiteten zeitgleich auf der Baustelle. Da war ja auch ein Ziel dabei: Die Kaserne solle Arbeit und Umsatz nach Radolfzell bringen.

Am 31. Juli 1937 war es soweit: Mit 27 Offizieren, 175 Unteroffizieren, 586 Mannschaften und 39 Pferden rückte das III. Batallion des Regiments »Germania« in Radolfzell ein. Die letzten zwölf Kilometer von Singen her mussten die marschieren. Von hier aus sollten sie als Elite-Einsatztruppe in halb Europa im Krieg tätig werden. Aber in Radolfzell entwickelten sie ihr gesellschaftliches Leben. Wie das genau ausgesehen hat, ist bis heute die spannende Frage.

- Hans Paul Lichtwald

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Redaktion aus Singen

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