Aber kann man jetzt auch über Namen offen reden?
Radolfzell: Künftig keine Flüsterstadt mehr

OB Dr. Jörg Schmidt und Autor Gerd Zahner | Foto: Im Dialog: OB Dr. Jörg Schmidt und Autor Gerd Zahner
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Radolfzell (li). Die Premiere des Films von Günter Köhler "Leichen im Keller" war am Freitagabend im kleinen Saal des Milchwerks eindrucksvoll und viel gelobt. Eigentlich hätte man angesichts 400 Zuhörer in den großen Saal umziehen müssen, aber dort lief gerade die Blutspendeaktion aus. 40 Minuten geht der Film, der am 29. April nochmals an gleicher Stelle zu sehen sein wird. Er bearbeitet den Stoff, aus dem auch "Die Flüsterstadt" von Gerd Zahner schöpft – die Zeit der SS in Radolfzell und vor allem ihre Kaserne.
Fazit der anschließenden Podiumsdiskussion mit Publikumsbeteiligung: Radolfzell wird künftig keine Flüsterstadt mehr sein. Doch wenn es auch künftig um die Frage der Namensnennungen geht, hatte nur noch einer auf dem Podium eine klare Position: Historiker Markus Wolter. Er sagte, Namen seien nötig, um Strukturen nachvollziehbar zu machen. Ihm ist es wichtig zu dokumentieren, welche Netzwerke in der SS-Kaserne in Radolfzell, die ein Ort der Ausbildung von Führungskräften war, entstanden sind und in die anschließend junge Bundesrepublik hineingewirkt hätten. Dass ein Mann der Waffen-SS in Radolfzell später SPD-Stadtrat geworden sei, gehöre dazu.
Man dürfe die Namen nicht isoliert publizieren, sagte Christoph Stadler. Auch von Pfarrer Zuber gebe es eine zensierte Tagebuch-Ausgabe mit geschwärzten Zahlen. Es dürfe nicht um Abrechnung gehen, sondern man müsse Mut machen, Fragen zu stellen. Keine Sündenböcke wollte auch Cem Güler suchen oder finden. Die Konstanzer Historikerin Birgit Schwelling wollte einfach nur eine Ausstellung machen. Namen hätten nur dann einen Sinn, wenn sich die Beschuldigten wehren könnten.
40 Jahre habe man in Radolfzell beim Volkstrauertrag gepennt, warf Winfried Pfeffer seinen Mitbürgern vor. Der Name von Kasernen-Begründer Köppen steht nun einmal als Opfer neben den Namen Radolfzeller Gefallenen. Die Schießstände als Denkmal sieht Pfeffer auch als kritisch an, denn hier habe die Bundeswehr 1956 mit den Mannschaften aus Immendingen die neue demokratische Wehr eingeschossen. Auch Wolter warnte vor einer Gedenkstätte für rechte Touristen. Stadler präsentierte wie bereits im Kulturausschuss seinen Katalog mit einer neuen Stadtchronik 2017.

- Hans Paul Lichtwald

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Redaktion aus Singen

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