Andreas Jung und Diana Stöcker am "runden" Tisch
Pharmazie trifft Politik: "Gebt uns mehr Spielraum"

Andreas Jung, MdB der CDU (stehend) zusammen mit Diana Stöcker (daneben, sitzend), ebenfalls MdB der CDU und Mitglied im Gesundheitsausschuss des Bundestags in einer Runde mit Apothekerinnen und Apothekern. | Foto: Anja Kurz
  • Andreas Jung, MdB der CDU (stehend) zusammen mit Diana Stöcker (daneben, sitzend), ebenfalls MdB der CDU und Mitglied im Gesundheitsausschuss des Bundestags in einer Runde mit Apothekerinnen und Apothekern.
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Radolfzell/Landkreis Konstanz. "Jeder braucht die Apotheke. Danke, dass es Sie gibt", unterstrich Andreas Jung, Mitglied des Bundestages (MdB) der CDU, gleich zu Beginn des Treffens zwischen Politik und Pharmazie. Gemeinsam mit Diana Stöcker, seit der letzten Wahl ebenfalls MdB der CDU des Wahlkreises Lörrach und Mitglied des Gesundheitsausschusses, traf er sich am Donnerstag, 13. Juli, im RIZ in Radolfzell mit ApothekerInnen aus der Region.

Anlass war der nationale Protesttag im Juni und dessen Auslöser, wie ein zu niedriges Honorar oder Lieferschwierigkeiten bei Medikamenten. Dies lasse sich nicht ausschließlich auf die aktuelle Regierung zurückführen, stellte Jung dabei klar und wies somit auf die Regierungsverantwortung der CDU hin. Dass heute zum Teil nicht für ausreichenden Nachschub bei Medikamenten gesorgt werden kann, "ist für uns in Deutschland fast außerhalb der Vorstellung". Anfang 2023 sei es laut ApothekerInnen der Runde sogar notwendig geworden, Kinderfiebersäfte, die von dem Hersteller Berlin-Chemie für die Ukraine hergestellt wurden, im deutschen Großhandel zu verkaufen.

"Unwürdiger" Umgang

Ariel Wagner, der seine Frau Pinelopi Argiti in deren Apotheke unterstützt, stellte zu Beginn mit einer von den ApothekerInnen gemeinsam ausgearbeiteten Präsentation die Themen und Sorgen der Berufsgruppe dar. Als "unwürdig" bezeichnete Wagner insbesondere den Umgang mit den ApothekerInnen. Beispielsweise liege die Bezahlung von Nacht- und Notdiensten unter dem Mindestlohn, das Honorar der Apotheken sei kaum ausreichend, die geplante Entschädigung für den Mehraufwand zur Engpassbewältigung mit 50 Cent viel zu niedrig. Das entspräche etwa 22 Arbeitssekunden, so Ariel Wagner, was die tatsächlich notwendige Zeit nicht widerspiegle. Dass es inzwischen sogar einen Austausch und "Mythen" in Foren und Gruppen gebe, wann welche Medikamente verfügbar seien, wurde von den Anwesenden deutlich bestätigt.

Dass in anderen EU-Ländern, die derselben Lieferkette unterliegen, hier fehlende Medikamente zur Verfügung stünden, bezeichnete er als "peinlich und nicht erklärbar". Allerdings verweist es auf die rund 39.000 Rabattverträge der gesetzlichen Krankenversicherungen (GKV), mit Rabattbeträgen von bis zu 99,96 Prozent, wie durch einen Leak bei einer Krankenkasse öffentlich wurde. Dabei verhalte sich die Krankenkasse inzwischen wie ein "Staat im Staat", der etwa die ApothekerInnen immer weiter durch kleinteilige Gesetze einschränken würde. Das führe auch zu einer rasanten Zunahme bei den Schließungen von Apotheken.

Auch künftig mehr Probleme

"Was Sie gesagt haben, ist mir nicht neu, aber man kann es nicht oft genug hören", griff im Anschluss Diana Stöcker auf. Insbesondere das Arzneimittel-Lieferengpassbekämpfungs- und Versorgungsverbesserungsgesetz (ALBVVG), von ihr auch als "Albtraumgesetz" bezeichnet, das die vorgeschlagenen 50 Cent Entschädigung enthält, bezeichnete sie als "peinlich". Die Forderung der Arbeitsgruppe Gesundheit der Bundestagsfraktion CDU liege mit fünf Euro bei dem zehnfachen Betrag. Das "Fixum", das die Apotheken als Honorar pro Medikament bekommen, wolle man auf zwölf Euro anheben. Beides, so unterstreicht Stöcker, sei mit dem Haushaltsbudget für "Gesundheitskioske" umsetzbar, denn: "Unsere Apotheken sind Gesundheitskioske. Noch."
Stattdessen müsse der Gesundheitshaushalt in Anbetracht der geplanten Einsparungen nur "mehr bluten". Für die Zukunft rechne sie daher auch eher mit mehr Problemen.

Das fehlende Geld, so Michael Dohm von der Radolfzeller Scheffelapotheke, könne man sich als "einzigen Ansatzpunkt" doch von der GKV holen. Dieser Vorschlag wurde von Apotheker Dr. Michael Vetter (Stockach und Konstanz) noch erweitert. Mit einem Abbau der "Misstrauensbürokratie" bei den Krankenkassen würden dort bis zu 90.000 Personen überflüssig. Das deutliche höhere Gehalt der Sozialfachangestellten der GKV im Vergleich zu Leistungserbringern, wie den Apothekern und andere Ausgaben der Kassen, wie Sponsorings, erachte er als unangebracht. 

Retaxation und Wirkstoffspeicher

Auch das Prinzip der Retaxation wurde scharf kritisiert. So komme es vor, dass eine Apotheke nach dem Verkauf eines Medikaments aus unterschiedlichen Gründen weder ihr Honorar noch den Warenwert von der Krankenkasse zurückerstattet bekomme. In der Runde aus ApothekerInnen wurde das mit Diebstahl gleichgesetzt. Eine weitere Verschärfung komme laut Vetter mit der Einführung des E-Rezeptes. Hierfür würden aktuell rund 1.500 zusätzliche Retaxationsgründe erstellt. Auf letzteres reagierte Diana Stöcker sichtlich schockiert: "Das wusste ich noch nicht."

Der von Dohm angeregte Wirkstoffspeicher renne bei ihr "offene Türen ein", so Diana Stöcker. Es sei angesichts der hohen Abhängigkeit vom günstigen Produktionsstandort China notwendig, Wirkstoffe und auch deren Produktion wieder nach Deutschland oder Europa zu holen. Doch sei klar, dass hierfür "zwangsweise Geld in die Hand genommen werden muss".
Einen geeigneten Standort sieht Dr. Vetter in der Ukraine. Generell wünscht er sich wieder mehr Vertrauen in das Können und Wissen der ApothekerInnen: "Gebt uns wieder mehr Spielraum!"

Das Fazit von Andreas Jung zu dem Treffen: "Uns hat es auf jeden Fall etwas gebracht", bedankte er sich für die "sehr, sehr konstruktive und gute Runde." In der Opposition hätten die beiden zwar keine Mehrheit, "aber trotzdem was zu sagen".

Autor:

Anja Kurz aus Engen

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