Fraktionen beziehen nach der Klausurtagung im WOCHENBLATT Stellung
Oberbürgermeister Staab steigt aus Seetorquerung aus
Radolfzell (gü). Die Klausurtagung, auf der sich der Gemeinderat für die Wiederholung des Baubeschlusses der Seetorquerung ausgesprochen hat, schlägt auch wenige Tage danach noch hohe Wellen: Wie Oberbürgermeister Martin Staab im Rahmen eines Pressegesprächs mitteilte, werde er bei der Sitzung des Gemeinderates am 9. August nicht mehr für den Bau der Vorzugsvariante stimmen.
Als Grund nannte der Radolfzeller Rathauschef die derzeitige Finanzsituation des Projektes, die sich durch die Absage der Deutschen Bahn, sich finanziell am Radolfzeller Großprojekt zu beteiligen, erheblich verändert hat. »Ich stehe nach wie vor zu der Aussage, dass eine Finanzierung für mich nur außerhalb des laufenden Haushaltes akzeptabel ist. So habe ich gegenüber der Bürgerschaft im gesamten Diskussionsverlauf vor dem Bürgerentscheid argumentiert. In diesem Finanzierungskonzept standen drei bis fünf Millionen Euro Zuschüsse der Bahn. Diese fehlen nun. In diesem Konzept standen auch vier bis sechs Millionen Euro aus Verkäufen von Grundstücken, die bisher nicht zum Verkauf vorgesehen waren. Diese sind aber nicht als Finanzierungsbestandteil vom Gemeinderat explizit beschlossen worden. Demnach fehlen rund zehn Millionen Euro, die als gesichert galten und Grundlage des Beschlusses waren«, sagte er. Man müsse bei Projekten auch »Nein« sagen können, wenn man sie für unnötig oder zu teuer erachte, hob Staab hervor. Auch um das politische Klima - das er durch die Seetorquerung als sehr belastet einstuft - zu entlasten.
»Bei einer neuen Lösung müssen wir versuchen, eine neue Spaltung zu vermeiden. Denn das Ziel der Verwaltung und des Rates ist es, unsere Stadt näher an den See zu rücken«, so Staab weiter.
Bei der CDU stößt der Rückzug Staabs auf Unverständnis: Denn bisher habe sich nur geändert, dass die Bahn sich nicht an der Seetorquerung beteiligen wird - ohnehin habe man im Lager der CDU nicht mit einem Zuschuss der DB gerechnet. »An der Summe von 23 Millionen hat sich nichts geändert. Es existiert keine Vorlage mit anderen Zahlen«, sagte Helmut Villinger. Derzeit, so rechnen die Christdemokraten vor, fehle trotz DB-Absage lediglich eine Millionen Euro. Denn die Förderung des Städtebaus des Landes sei von fünf auf acht Millionen Euro erhöht worden. »Das komplette Projekt steht somit«, erklärt Fraktionssprecher Bernhard Diehl. Wenn jetzt allerdings der Verwaltungschef einen Rückzieher mache, dann sei es für den Rat schwierig, das Projekt zu verwirklichen. Das Gros der CDU stehe aber weiterhin hinter dem Vorhaben. Wenn man den Baubeschluss kippen würde, bleibt der Seezugang so wie er jetzt ist. Bis man eine Alternative so weit vorangetrieben habe, wie die jetzige Vorzugsvariante, werden nach Einschätzung der CDU rund zwei bis vier Jahre ins Land ziehen, betont das Gros der CDU-Räte.
Lob gab es von Siegfried Lehmann, Fraktionssprecher der Freien Grünen Liste: »Der Ausstieg von Oberbürgermeister Staab ist konsequent. Er sieht endlich ein, dass eine Finanzierung der neuen Seetorquerung nicht außerhalb, sondern nur zulasten der Pflichtaufgaben im städtischen Haushalt geht. Die Gesamtkosten werden von 23 auf mindestens 27 Millionen Euro steigen.« 17 Millionen Euro seien zusätzlich zu finanzieren. »Wir haben ein Jahr verloren, da der Ausstieg bereits nach der Kostenexplosion beim Quality Gate oder dem Bürgerentscheid hätte erfolgen müssen. Notwendig ist die schnelle Klärung von Alternativen, einer kostengünstigen, barrierefreien und attraktiven Anbindung an den See über einen städtebaulichen Wettbewerb«, sagte Lehmann.
Für die Freien Wähler haben sich nach der Klausurtagung nur zwei Punkte geändert, wie Fraktionssprecher Dr. Kurt-Christian Tennstädt im Gespräch mit dem WOCHENBLATT verriet: »Der zusätzliche Zuschuss der Bahn entfällt und Oberbürgermeister Martin Staab glaubt, seine Versprechen nicht einhalten zu können. Den fehlenden Zuschuss kann die Stadt leicht durch Überschüsse in Millionenhöhe aus 2015 und 2016 ersetzen.«∑ Darüber hinaus könne die Stadt unproblematisch einen langfristigen Kredit aufnehmen. »Dieser würde genehmigt, da wir keine Neuverschuldung hatten. Die jährliche Belastung läge über 20 Jahre bei maximal 115.000 Euro«, so Tennstädt weiter. Die Seetorquerung sei dies der Fraktion - mit Ausnahme von Dietmar Baumgartner - wert. Die letzte Entscheidung werde fallen, sobald die Ergebnisse der Ausschreibung und damit die endgültigen Kosten feststünden.
Norbert Lumbe, Fraktionssprecher der SPD, fand hingegen deutliche Worte: »Die Seetorquerung ohne die Zustimmung des Oberbürgermeisters zu realisieren, ist für die Mehrheit im Gemeinderat, die das Projekt auf den Weg gebracht hat, eine große Herausforderung und verlangt ein hohes Maß an Disziplin und die Notwendigkeit zu solidarischem Handeln über die eigentlichen Entscheidungen im Rahmen des Projekts hinaus.« Das bedeute nicht nur, dass jetzt auch zur Finanzierung unabdingbar die Veräußerung von werthaltigen Grundstücken und Objekten in Angriff genommen werden müsse, sondern auch, dass in absehbarer Zukunft Spielräume für weitere wichtige Investitionen zunächst nicht mehr gegeben seien.« Zu erwarten sind Auseinandersetzungen im Gemeinderat, die immer wieder die überzeugende Seetorquerungs-Mehrheit notwendig machen werden«, so Lumbe weiter.
»Es ist wichtig und richtig, dass man in einer Sondersitzung über das Thema Seetorquerung spricht«, betonte der Fraktionssprecher der FDP, Jürgen Keck. Da jedoch sowohl er als auch Josef Joachim Reckziegel »aus terminlichen Gründen« nicht an der Klausurtagung teilnehmen konnten, fehlten ihnen »wichtige Informationen zum aktuellen Stand der Kosten und der Zuschüsse«. »Deshalb und weil urlaubsbedingt am 9. August in der dortigen Sitzung des Gemeinderats nicht alle Ratsmitglieder anwesend sein können, werden wir keinerlei Entscheidungen in die eine oder andere Richtung mittragen können«, fasste der Fraktionssprecher die Haltung seiner Partei in Worte.
- Matthias Güntert
Autor:Redaktion aus Singen |
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