»Autonome Gruppe Konstanz« überklebt Radolfzeller Straßenschilder
Neue Namen über Nacht
Radolfzell. Viel wurde in Radolfzell bereits über die Umbenennung von Straßen diskutiert. Nun scheint sich ein weiteres Kapitel in dieser Geschichte zu öffnen, denn in der Nacht von Freitag auf Sonntag wurden die Straßenschilder der Lettow-Vorbeck-Straße im Altbohl und der Walter-Schellenberg-Straße überklebt. Sie tragen nun die Aufschrift Anne-Frank- bzw. Georg-Elser Straße. Zu der Aktion bekannte sich die »Autonome Gruppe Konstanz« in einem Schreiben an die Presse.
Diskussion nahm schon 2012 Fahrt auf
Nach einem Aufsatz im Rahmen eines Schülerprojekts, der sich kritisch mit einigen Radolfzeller Straßennamen auseinandergesetzt hatte, standen etwa die Immelmann- und Boelckestraße sowie die Lettow-Vorbeck-Straße im Jahr 2013 zur Debatte. Der Gemeinderat entschied sich damals allerdings gegen eine Umbenennung. Die Straßenschilder sollten lediglich mit Erklärungstafeln ausgestattet werden, auf denen die Rolle der Personen in der Geschichte beleuchtet wird. Die Konstanzer Historikerin Heike Kempe hatte indes damals bereits dazu geraten zumindest die Lettow-Vorbeck-Straße umzubenennen. Sie begründete dies damit, dass Paul von Lettow-Vorbeck, der zu Kolonialzeiten Kommandeur der sogenannten »Schutztruppe für Deutsch-Ostafrika« gewesen war als Sinnbild für ein Berufsverständnis des deutschen Militärs galt, das den Krieg als Daseinsform verherrlichte, ohne Rücksicht auf die Zivilbevölkerung in Afrika und anderswo, so Kempe damals. Auf der Infotafel steht über Lettow-Vorbeck, er werde nach »neuesten Erkenntnissen« »als brutaler und menschenverachtender Vertreter des deutschen Imperialismus angesehen«. Mit der Beibehaltung des Namens sei keine Ehrung verbunden, sie solle vielmehr zur »kritischen Auseinandersetzung« anregen, heißt es auf der Info-Tafel am Straßenschild weiter.
Erinnerung an Widerstandskämpfer
Die »Autonome Gruppe Konstanz« beleuchtet in ihrem Schreiben die Vergangenheit Lettow-Vorbecks. Die Benennung der Straße nach ihm sei in der Zeit des Nationalsozialismus erfolgt. »Viel eher sollten wir den Opfern des Nationalsozialismus gedenken wie etwa Anne Frank«, erklärt die Gruppe. Die Stadt Radolfzell wird in dem Schreiben aufgefordert, die Straße sofort umzubenennen.
Im Hinblick auf die Walter-Schellenberg-Straße verweist die Gruppe auf die Internetseite radolfzell-ns-geschichte.von-unten.org, auf der erklärt wird, dass die Straße 1991 nach dem ehemaligen Vorstandsvorsitzenden der Schiesser-AG benannt wurde, allerdings eine Namensgleichheit zu SS-Brigadeführer, Generalmajor der Polizei und Leiter der vereinigten Geheimdienste von SD und Abwehr im Reichssicherheitshauptamt, Walter Schellenberg bestehe. Darüber hinaus wird aber auch auf die Rolle der Schiesser-AG während der Zeit des Nationalsozialismus verwiesen um die Umbenennung der Walter-Schellenberg- in Georg-Elser-Straße zu begründen. Elser hatte am 8. November 1939 ein Bombenattentat auf Adolf Hitler verübt. Dieses scheiterte allerdings. Elser wurde auf der Flucht in die Schweiz gefasst und starb 1945 im Konzentrationslager Dachau.
Umbenennung erfolgt
Erst im vergangenen Jahr wurde in Radolfzell eine Straße aufgrund des Zusammenhangs mit der NS-Zeit offiziell umbenannt. Seit Februar 2019 heißt der »Landserweg«, der an die deutschen Soldaten erinnert hatte auf Beschluss des Gemeinderats hin Fritz-Klose-Weg. Klose war ein Häftling des SS-Außenkommandos in Radolfzell, der hier während des Nationalsozialismus ermordet worden war, hieß es damals in einer Erklärung der Stadtverwaltung dazu mit.
- Dominique Hahn
Autor:Redaktion aus Singen |
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