Von Freuden und Nöten: 15 Jahre Nachbarschaftshilfe
Nachbarschaftshilfe in Not
Gaienhofen. In ihrem 15. Jubiläumsjahr sieht sich die Gaienhofener Nachbarschaftshilfe in Not. Sozialversicherung und Arbeitsrechts machen auch vor dem Ehrenamt nicht Halt. Geänderte gesetzliche Auflagen des Landes Baden-Württemberg zwingen ab 2019 zu einer Anpassung des Arbeitsmodells der Helfer-Organisation. Ein Teil der Ehrenamtlichen, die bisher eine Aufwandsentschädigung erhalten, stünden dann als Mini-Jobber in einem sozialversicherungspflichtigen Arbeitsverhältnis. Bisher nicht kalkulierte Kosten kämen auf die »Nachbarschaftshilfe Höri« zu. »Ueber die Dachorganisation Netzwerk Nachbarschaftshilfe e.V. wurden Mitglieder des Landtags und des Bundestags aus Baden-Württemberg angeschrieben und um Unterstützung gebeten«, sagte die erste Vorsitzende Maria Hensler anlässlich der Mitgliederversammlung der Gaienhofener Nachbarschaftshilfe »Von Haus zu Haus«.
Gegenwärtig erhalten die Helfer eine Entschädigung für ihre Einsätze von 9,50 Euro pro Stunde. Bis zu einem Betrag von 2400 Euro pro Jahr bekam ein Helfer die Aufwandsvergütung sozialversicherungsfrei. Überschritt ein Ehrenamtlicher diese Grenze, wurden Sozialabgaben lediglich für den darüber hinausgehenden Mehrbetrag fällig. Mit den Neuregelungen ab 2019 müsste ein Helfer seine Arbeit bei Erreichen der Freibetragsgrenze für den Rest des Jahres einstellen, so Hensler. Täte er das nicht, und seine Aufwandsvergütungen übersteige die 2.400-Euro-Grenze, müsste die gesamte Jahresvergütung als sozialversicherungspflichtiger Minijob abgerechnet werden. Damit noch nicht genug: als fest angestellter Mini-Jobber im Sozialsektor muss der ehemals Ehrenamtliche eine 160-stündige Pflicht-Ausbildung absolvieren. Mit dem Unkostenbeitrag von 11 Euro, den ein hilfsbedürftiger Klient pro geleisteter Helferstunde an die Nachbarschaftshilfe Höri zahle, seien diese zusätzlichen Kosten nicht zu stemmen, meint Hensler.
Die Jahresrechnung 2017 weist einen Gewinn von etwa 4.600 Euro aus. Dieser resultiert aus Einnahmen von Mitgliedsbeiträgen, Spenden und Sponsorengeldern in Höhe von ungefähr 67.000 Euro. Des weiteren kommen aus dem Ertrag der Helfertätigkeiten gut . 210.000 Euro. Demgegenüber stehen Kosten von rund 270.000 Euro für die Helfereinsätze und eta 4.200 Euro für die allgemeine Administration. Unter anderem betreibt die »Hilfe von Haus zu Haus« auch die Gaienhofener Schulküche.
Seit der Gründung 2003 stieg die Anzahl Helfer von zehn auf derzeit 92 und die Einsatzstunden von seinerzeit 1.360 auf 18.500. Geändert habe sich die Altersstruktur der Ehrenamtlichen. Jetzt unterstützten mehr Ältere ab 60 Jahren die Hilfebedürftigen. Die jährlich gefahrenen Kilometer aller Helfer reichen mittlerweile einmal um die Erde. Im ersten Jahr waren es an die 240 Kilometer. Aus etwas kleinem, sei etwas Großes geworden, mit über 380 Mitgliedern, sagte Pfarrer Roland Klaus an der Mitgliederversammlung: »Etwas Schöneres, als für jemand da sein, kann es heutzutage nicht geben«.
Gegenüber den Anfängen seien die Anforderungen gestiegen: Vorlesen und Spazierengehen allein reiche nicht mehr aus, erklärt Hensler. Mit dem neuen Pflegestärkungsgesetz sei die ambulante Betreuung von Demenzpatienten hinzu gekommen. Angehörige suchten Unterstützung. Die Sozialstation Radolfzell könne nicht alle Anfragen abdecken und kooperiere mit der Nachbarschaftshilfe »Von Haus zu Haus«.
Hayo Eckert
Bildlegende:
Bild-1: Die beiden Einsatzleiterinnen der ersten Stunde: Monika Engelmann (li) und Gertrud Staudenmeier (re) sind eine Stütze der ‚Hilfe von Haus zu Haus‘. Geschäftsführerin Cindy Fünfschilling (mi) gratuliert zu 15 Jahren erfolgreiche Zusammenarbeit.
Bild-2: Einfach da sein für andere, mit Hilfe und Verständnis, sei das Motto der Nachbarschaftshilfe. Maria Hensler, 1. Vorsitzende der Gaienhofener Nachbarschaftshilfe ‚Von Haus zu Haus‘
Bild-3:
- Simone Weiß
Autor:Redaktion aus Singen |
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