Gemeinsames Statement gegen Anträge der FW
"MVZ ist kein Ersatz für das geschlossene Krankenhaus"

Seit Ende Juni ist das Radolfzeller Krankenhaus geschlossen. Zwei Arztpraxen sind dort noch in Betrieb. | Foto: of/ Archiv
  • Seit Ende Juni ist das Radolfzeller Krankenhaus geschlossen. Zwei Arztpraxen sind dort noch in Betrieb.
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Radolfzell. Irritationen hat der Antrag der Freien Wähler in Radolfzell ausgelöst, die weiter ein Medizinisches Versorgungszentrum in der Stadt als Ersatz für das geschlossene Krankenhaus fordern. Als Antwort gab es nun eine Erklärung, wie von OB Simon Gröger, Bürgermeisterin Monika Laule, und den Fraktionsvertretern Siegfried Lehmann (Grüne Liste), Norbert Lumbe (SPD) und Bernhard Diehl (CDU) unterschrieben wurde: "Alle Fraktionen des Gemeinderats und die Verwaltungsspitze haben das Ziel, nach Schließung des Krankenhauses durch den Gesundheitsverbund Landkreis Konstanz (GLKN) in Radolfzell dennoch eine bestmögliche Gesundheitsversorgung zu haben. Ein medizinisches Versorgungszentrum (MVZ) ersetzt aber kein Krankenhaus", so das Statement. Der Antrag der Freien Wähler schwäche die Position der Stadt Radolfzell bei der Weichenstellung auf Kreisebene für die landkreisweite Lösung bei der stationären Gesundheitsversorgung durch ein modernes Zentral-Klinikum, wird weiter festgestellt.
Im Folgenden nehmen politischen Vertreter auf die Aspekte der Freien Wähler Bezug:

1. Medizinisches Versorgungzentrum (MVZ)
In mehreren Sitzungen und Erklärungen haben sich Oberbürgermeister und Gemeinderat immer wieder gemeinsam entschieden positioniert - im Interesse der Krankenhausversorgung der Radolfzeller Bürgerlnnen, zur Zukunft des Radolfzeller Krankenhauses, zum Thema MVZ, der unzureichenden medizinischen Notfallversorgung im GLKN und zum Standort des neuen zentralen Krankenhauses im Landkreis. Unrichtig ist deshalb die Vorhaltung der Freien Wähler dass „die Verwaltung und die Mehrheit des Gemeinderates Unentschlossenheit oder gar Verweigerung betreiben".
Der Radolfzeller Gemeinderat habe schon am 29.11.2022 einstimmig das „Radolfzeller Manifest" beschlossen und die Forderung an den GLKN-Verbund (Gesundheitsverbund Landkreis Konstanz) gerichtet:
„Der Gemeinderat der Stadt Radolfzell erwartet, dass die GLKN mbH im Falle der Schließung des Krankenhauses Radolfzell in diesem Haus unmittelbar anschließend ein Medizinisches Versorgungszentrum mit chirurgischer Notfall-Versorgung und Nachsorge-Versorgung (MVZ) einrichtet.
Diese Erwartung ist abhängig vom künftigen Standort des zentralen Klinikneubaus. Die heute bestehenden Klinik-Standorte Konstanz und Singen können für Radolfzell keine ausreichende medizinische Versorgung gewährleisten. Das auf Basis des GLKN-Strukturgutachtens 2022 angekündigte neue Medizinkonzept für die künftige Gesundheitsversorgung des GLKN mbH sei noch nicht existent. Sollte der noch zu bestimmende Standort für den Neubau der zentralen Klinik eine wohnortnahe Versorgung für Radolfzell gewährleisten, begrüße der Gemeinderat das. Falls das nicht der Fall sein sollte, besteht er auf einer Lösung für Radolfzell in Form eines Medizinischen Versorgungszentrums (MVZ) mit chirurgischer Notfall-Versorgung und Nachsorge-Versorgung im heutigen Krankenhausgebäude.“
Es sei Fakt, dass ein MVZ das Krankenhaus nicht ersetzen könne. Eine Notfallversorgung am Abend oder am Wochenende wäre in einem MVZ nicht vorhanden, wird festgestellt. In Notfällen seien die Notfallambulanzen an den Krankenhäusern Konstanz und Singen zu nutzen. Inzwischen setzten die Freien Wähler korrekterweise ein MVZ auch nicht mehr mit einem Krankenhaus gleich.

In ihren Forderungen ließen die Freien Wähler leider die rechtlichen und finanziellen Erfordernisse, die für die Gründung und den Betrieb eines MVZ zwingend erforderlich sind, außer Acht und forderten "schnelles Handeln". Es stehe aber - entgegen dem von den "Freien Wählern" erzeugten Eindruck weder im Belieben des GLKN, der Spitalstiftung Radolfzell oder der Stadt Radolfzell, die für den
Betrieb MVZ erforderliche Arztsitze einzurichten.

"Der Landesausschuss der Ärzte und Krankenkassen für Baden-Württemberg beschließt nach § 90 SGB V und auf der Grundlage des Bedarfsplans über den Stand der vertragsärztlichen Versorgung. Stellt dieses Gremium eine Überversorgung für eine Arztgruppe in einem bestimmten Planungsbereich fest, ordnet es Zulassungsbeschränkungen an. Für die gesamte kassenärztliche Versorgungsregion Landkreis Konstanz besteht seit längerem - wegen einer fachärztlichen Überversorgung - eine Zulassungsbeschränkung für die „allgemeine, spezialisierte und die gesondert fachärztliche Versorgung"! Für die „Hausärztliche Versorgung" fehlen für eine 100-prozentige Versorgung im gesamten KV-Gebiet Radolfzell und Höri lediglich 1,75 Hausarztstellen (insbesondere Bereich Gaienhofen, Öhningen und Moos).

Ein zu gründendes MVZ hätte daher rechtlich nur die Möglichkeit, die bisher unbesetzten zwei Hausarztstellen für den gesamten Bereich von Radolfzell und Höri einzustellen. Zu beachten sei hierbei jedoch, dass der vom Landesausschuss der Ärzte und Krankenkassen festgestellte Hausarztmangel auf der Höri besteht und nicht in Radolfzell.

Neue Fachärzte könne ein zu gründendes MVZ in Radolfzell nicht einstellen, da hier für den gesamten Landkreis eine Zulassungsbeschränkung angeordnet wurde (je nach Fachrichtung besteht eine festgestellte Überversorgung von 21% bis 82%). Eine durch eigene Erfahrungen gemachte Einschätzung, dass zum Beispiel aufgrund langer Wartezeiten ein Facharztmangel bestünde, spiele für die Entscheider bedauerlicherweise keine Rolle.

2. Das Krankenhaus soll kosten- und lastenfrei an den Spitalfonds Radolfzell zurückgegeben werden
Diese Forderung höre sich vordergründig zunächst einmal gut an, sie habe jedoch große Auswirkungen. Es müsse zuerst eine fachliche Einschätzung geben, welche vertraglichen, steuerlichen, bilanziellen und wirtschaftlichen Auswirkungen eine Rückgabe des Krankenhausgebäudes mit Grundstück an den Eigentümer Spitalfonds Radolfzell hätte. Es gehe dabei um viel Geld, Risiken und Verpflichtungen. Die komplexen Verflechtungen zwischen den am GLKN-Konstrukt beteiligten Kommunen, dem Spitalfonds und dem GLKN-Verbund erforderten wohlüberlegtes Handeln. Schnellschüsse seien nicht zielführend und hätte langfristige Auswirkungen. "Wir wollen die Ergebnisse der laufenden Prüfung abwarten und dann fundiert zu entscheiden. Es liegt außerdem in der Hand der Freien Wähler, an entscheidender Stelle als Fraktion im Kreistag zu fordern, dass im GLKN die Grundsatzbeschlüsse zur Zukunft des Krankenhausgebäudes Radolfzell und zum Standort der geplanten Zentral-Klinik im Sinne unseres gemeinsamen Manifests zügig gefasst werden", so das Statement der lokalen Politiker gegen die Eingabe der Freien Wähler.

3. Einwohnerantrag zur Einrichtung eines MVZ in Radolfzell
"Irritierend am „Bürgerantrag" ist für uns, dass die Initiative zum Bürgerantrag gar nicht aus der Bürgerschaft kommt, sondern vom Ortsverein der Freien Wähler . aktiv gestartet wird, weil nach Ansicht der Freien Wähler „der Gemeinderat beraten und beschließen muss". So sollte man nicht mit demokratisch gefassten Mehrheitsbeschlüssen umgehen", so die Postion von OB. Bürgermeisterin und den anderen Fraktionsvertretern.
4. Weiteres Vorgehen:
Die Anträge der Freien Wähler zur Rücknahme des Krankenhauses und auf Einrichtung eines MVZ wurden vom Gemeinderat am 25. Juli 2023 abgelehnt, da zunächst die finanziellen, steuerlichen und bilanziellen Auswirkungen geprüft sein müssen. Nach Vorliegen aller Prüfergebnisse beschließt der Stiftungsrat in seiner nächsten Sitzung am 26. September 2023 die Strategie für das weitere
Vorgehen. Das umfasst natürlich auch wiederum die Anträge der Freien Wähler.

Autor:

Redaktion aus Singen

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