Viel Zulauf und viele Fragen bei Buchvorstellung von Hamed Abdel-Samad
Mehr Säkularisation in Deutschland bitte
Radolfzell (of). Dass der Islamkritiker Hamed Abdel-Samad auch beim wiederholten Auftritt nach in der Buchhandlung Greuter noch die Massen bewegt, wurde bei der Vorstellung seines neuen Buchs „Integration – Ein Protokoll des Scheiterns“ deutlich. Abdel-Samad meinte gar, dass er sich hier in Radolfzell ein bisschen zu Hause fühle. Das neue Buch selbst geht erst am 11. April mit einer offiziellen Vorstellung in Berlin auf den Markt. Die Veranstaltung war ausverkauft und vor der Türe standen noch etliche, die auf freie Plätze über die Warteliste hofften.
Hamed Abdel-Samad stieg nach einer kurzen Vorstellung durch Filialleiter Christian Dreier denn auch schnell in sein Thema ein. Seit 2013 lebt er schon unter dauerndem Polizeischutz wegen seiner Kritik. Die emotionalen Debatten seit Sarrazin sind für ihn ins Leere gelaufen, hätten keine Lösung gebracht. Durchgeführte Fragebogenaktionen bei Muslimen sieht er als soziale Nötigung an, die kein richtiges Bild vom hier gelegten Islam ergäben. Er habe in den letzten zwei Jahren unter anderem mit vielen Flüchtlingen geredet um ein anderes Bild zu bekommen.
Wer hier integriert sei, habe es meist durch eigene Leistung geschafft. „Es ist eine Illusion zu glauben, dass sich zwei eigentlich konträre Wertesysteme hier vereinen ließen“, meint er. Wer sich aus dem arabischen Raum hier integrieren wolle, müsse einfach viel von seinen „alten“ Werten verlassen. Es sei immer eine Frage der kulturellen Kompatibilität. Aisaten hätten zum Beispiel kein Feindbild, deshalb könnten sie sich viel besser anpassen. Historisch gebe es zwischen Europa und dem Orient viele Traumatas, viele Kränkungen. Wenn Menschen aus diesen Ländern hierher kämen, würden sie von vielen Unterlegenheitserfahrungen geprägt. Auf der anderen Seite lebe man hier inzwischen in einer Gesellschaft, in der man seine Meinung nicht mehr Äußern könne, ohne gleich als „Rassist“ tituliert zu werden – auch er. Deshalb enthalte sein neues Buch einen Forderungskatalog von 50 Seiten um hier etwas zu bewegen. Seine Aufgabe als Schriftsteller sei es, hier zu provozieren und zu irritieren um einen Sichtwechsel zu erreichen.
Gelingende Integration, davon könne man in Deutschland gewiss nicht sprechen. Das sei gescheitert, im allgemeinen. „Wie geht die Politik damit um“, fragt er in die Zuhörer. „Ein erster Schritt wäre Ehrlichkeit, denn die größte Hürde sei die Kultur. Integrations- und Sprachkurse seien nicht der Schlüssel dazu.
Der erste Fehler sei schon bei den „Gastarbeitern“ gemacht worden, indem sie gettoisiert wurden. Der Kulturschock der „Gäste“ habe mit dem Nachzug der Familien begonnen. Die Angst zum Beispiel, dass die Tochter jemand anderes kennen lernen könne, der keiner von ihnen sei, habe mehr als eine Generation geprägt. Jungs bildeten Banden, die Skinhead-Bewegung entstand als Antwort auf eine gefühlte Bedrohung, die unter „Überfremdung“ zusammengefasst worden sei. In den 1980er Jahren wurde die „Rückkehrprämie“ erfunden, was als Erniedrigung empfunden worden sei. Nach dem 11. September habe man kein Konzept gegen die Radikalisierung gehabt. Und jetzt drohe gerade im Niedriglohnsektor angesichts der Digitalisierung massenhafter Arbeitsplatzverlust – und wieder das Gefühl, auf einer Verliererseite zu stehen. Die Rechtsradikalen hätten die selbe Politikverachtung wie die Islamisten, befindet er. „Wir sind die Mitte der Gesellschaft und wir müssen handeln“, ist die Antwort die er von den Anwesenden fordert.
Migranten hätten natürlich eine Bringschuld, sagte er auf eine der vielen Fragen in der Diskussion. Aber auf der anderen Seite müsste der Staat natürlich gestalten. Die Zivilgesellschaft müsse sich aufrütteln um etwas zu verändern. Deutschland müsse auch seine Säkularisierung weiter führen, war eine Antwort auf die Frage, ob nicht Imane zum Beispiel auf Deutsch predigen sollten. Da habe man hier bisher verpasst.
Autor:Oliver Fiedler aus Gottmadingen |
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