Fast ausverlauftes Konzert im Radolfzeller Milchwerk wird gefeiert
Konstantin Wecker zwischen Lyrik und Zeitkritik

Wecker  | Foto: : Konstantin Wecker auf der Tour "Poesie und Widerstand“ im Milchwerk Radolfzell. swb-Bild:eck
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Radolfzell. Auf der Bühne steht ein geläuterter Konstantin Wecker und schaut auf sein Publikum. Singt Lieder von Mercedes Sosa, die er musikalisch verehrt und schätzt. Sitzt an einem Bistro-Tisch und liest Abschnitte aus seine Biografie vor; erzählt dazu die Geschichten. Zieht manche seiner Handlungen, die in den 1970-er Jahren sein Image mitprägten, rückblickend in Zweifel. Manches von damals sei ihm peinlich: als er im bodenlangen Nerzmantel durch München stolziert sei. Unter anderem seine Vorliebe für amerikanische „Schlitten“ hätte ihm in jener Zeit die Kritik eingebracht: sein Lebensstil würde nicht mit seinen Liedtexten übereinstimmen. „Männlein spielt wieder Mann“, rezitierte er einen Spruch seines in der späteren Lebensphase weisen, philosophisch angehauchten Vaters. Vielleicht selbstkritisch sieht er den Mann mit 50, der so tue, als sei Mann noch 20; und bezeichnet dies als nicht enden wollende pubertäre Phase. Inwieweit er dies auf sich bezieht, bleibt jedoch offen. Im gewissen Sinn zieht Wecker eine Lebensbilanz auf der Bühne. Abwechselnd und eher unabhängig dazu interpretiert er seine Lieder. Zeitkritisch wie eh und je, zum Beispiel mit der Vertonung und textlichen Erweiterung des Gedichtes „Der Krieg“ von Georg Heym. Immer wieder lässt er eine gewisse schmerzende Empfindsamkeit durchblicken. So, als er seinen kleinen Sohn auf dem Arm trug, berührten ihn dessen Worte, die mit Kinderaugen den Schneefall beschrieben. Leid und Reue schwingt in seinen Worten. Und, Reue darf schmerzen. Er schildert relativ ausführlich sein Verhältnis zu seinem Vater; einem einerseits begnadeten, andererseits erfolglosen Opernsänger und Maler. Für ihn, den er sehr verehrte, aber dennoch als Versager bezeichnet, schrieb er das Lied „Niemals Applaus“. Wecker wirft Puzzlestücke seines Lebens ins Publikum, die jeder nach seinem Verständnis einordnen kann oder nicht. Der erste Teil des Abendprogramms ist eine Mischung aus Autorenlesung und Konzert.

Im zweiten Teil besinnt sich Wecker auf seine Wurzeln als Sänger und Pianist. Die Lieder werden lyrischer. Er begeistert unter anderem mit Liedern von Luccio Dalla. Sehr emotionale, einfühlsame Interpretationen, teils in italienischer Sprache, die sehr authentisch rüber kommen. Ein versöhnlich wirkender Konstantin Wecker. Das Repertoire umfasst nun mehr Blues, sowie weitere Eigenkompositionen. Mit Jo Barnikel, langjähriges Mitglied des Ensemble, liefert sich Wecker einen beeindruckenden musikalischen „Wettstreit“ in einem Klavier-Duett. Gegen Ende des dreieinhalbstündigen Konzerts verlässt Wecker die Bühne und geht ins Publikum, das ihn gerne in seiner Mitte aufnimmt.

Das Album und die Tour "Poesie und Widerstand“ zeigt einen politischen, zeitkritischen, aber auch sehr lyrischen Konstantin Wecker. Wobei der lyrische Wecker authentisch und versöhnlich wirkt. Er selbst sagt, er sei gereifter und älter geworden. Das Publikum dankt dem lyrischen und zeitkritischen Künstler für den Konzertabend mit grossem Beifall und unendlichen Zugabe-Rufen.

Autor:

Oliver Fiedler aus Gottmadingen

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