Viele Fragen vom Freundeskreis Asyl an die Kandidaten Staab und Gröger
Kandidaten auf dem Prüfstand zur Wohnungspolitik
Radolfzell. Die Entwicklung des Wohnungsmarkts in Radolfzell war eines der Themen, die den OB Wahlkampf bestimmten. Darauf geht auch der Freundeskreis Asyl mit einem Fragekatalog ein, den er an die Kandidaten verschickt hatte.
»Wegen des Nachfrageüberschusses sind Wohnungen in Radolfzell knapp und teuer und für Wohnungssuchende ist es schwierig, erschwinglichen Wohnraum im Stadtgebiet zu finden. Hohe Mieten und der Mangelan bezahlbarem Wohnraum sind heute schon Tatsache. (...)“ heißt es im Vorwort der Wohnraumanalyse der Stadt Radolfzell vom März 2021. Vor diesem Hintergrund halten wir es für wichtig, dass wir Wähler/innen wissen, wie Sie im Falle Ihrer Wahl gedenken, dieses Problem kurz-und mittelfristig zu lösen. Es geht uns im Folgenden nicht um Eigentum oder teuren Mietwohnungsbau, sondern um (Sozial-)Wohnun-gen, deren Miete jahrzehntelanggedeckelt ist und auch um Wohnungen mit einem Bele-gungsrecht für die Stadt.Folgende Auskünfte geben Sie uns bitte dazu über ihre geplanten baulandpolitischen Grundsätze der Stadt«, wurden die Kandidaten angeschrieben. Insgesamt 12 Fragen gab es vom dem Arbeitskreis dazu, teils auch zu einzelnen Projekten, zur einer städtischen Baugenossenschaft, zur Sozialbindung von Wohnraum bis hin zum einem Leerstandsmanagement im Zuge der Stadtentwicklung »Step 2030«.
Die Antworten der Kandidaten sind ziemlich umfangreich ausgefallen, weil es auch viele Fragen gab. Hier einige der Kernaussagen von OB Martin Staab:
»Die Baulandpolitischen Grundsätze der Stadt Radolfzell hat der Gemeinderat 2017 nahezu einstimmig verabschiedet mit dem Ziel in den Markt einzugreifen und eine steuernde Funktion zu haben um die Schwächsten in der Gesellschaft mit Wohnraum zu versorgen. Bereits nach ca. einem Jahr hat er die Regelungen verschärft und von allen Investoren ganz gezielt auch 30% sozial geförderten Wohnraum verlangt. Zunächst haben sich einige Investoren schwer damit getan, inzwischen ist es aber eine akzeptierte Vorgehensweise.
In den vergangenen Jahren haben wir immer etwa 70 bis 80 Menschen die einen Wohnberechtigungsschein erhalten und damit berechtigt sind, eine Sozialwohnung zu beziehen. Prognosen gehen allerdings davon aus, dass diese Zahl der Menschen in den nächsten Jahren auf bis zu 500 anwachsen könnte. Diese Einschätzung teile ich nur teilweise, aber wir müssen
vorbereitet sein. Derzeit sind ca. 1 Dutzend größere Bauvorhaben in Vorbereitung bzw. im Bau, die dementsprechend bis zu 500 weiteren Sozialwohnungen bis 2024 in der Stadt errichten werden.
Eine eigene städtische Wohnungsbaugesellschaft ist leider nicht finanzierbar, deswegen hatte dies der Stadtrat bereits 2019 abgelehnt. Für nur 40-50 Wohnungen müsste die Stadt ca. 20 Mio. € aufbringen und etwa 4 Jahre Zeit in Kauf nehmen. Dies ist mir zu langsam und zu ineffizient. Zudem würden diese 20 Mio. € im Haushalt für andere Investitionsvorhaben fehlen wie z.B. Kinderbetreuungsplätze, Schulsanierungen, Sportanlagen, Ortsteilhallensanierungen etc. Auch erfordert der Wohnungsmarkt bei den überhitzten Baupreisen entweder eine Quersubventionierung (ein größerer Teil der Wohnungen müsste teurer vermietet werden um die günstigeren Mieten anbieten zu können, denn ansonsten müsste die Stadt aus dem Haushalt noch Betriebsmittel einbringen, die sie aber nicht hat, da der Ergebnishaushalt in den nächsten Jahren dauerhaft im Minus ist aufgrund der immensen Aufgaben in der Kinderbetreuung und Bildung.
Insofern sind die baulandpolitischen Grundsätze das derzeit beste Instrument um zeitnah – soweit es die Baubranche abarbeiten kann – und ohne – sowieso nicht vorhandene – Steuermittel den Schwächsten in der Gesellschaft zu helfen.
Städtische Belegungsrechte bei Sozialwohnungen werden in den Verhandlungen mit Investoren immer mitverhandelt. Allerdings bringen Sie der Stadt nur einen kleinen Vorteil, denn die Stadt kann auch nur diese Menschen in Sozialwohnungen unterbringen, die einen Wohnberechtigungsschein haben«
Hier einige der Antworten von Kandidat Simon Gröger: »Die Stadt Radolfzell hat in ihren Wohnungsbauprogrammen oder baulandpolitischenGrundsätzen eine Sozialquote von 30 Prozent verankert. Doch ohne gemeinnützig ausgerichteteBauträger bleiben solche Quoten für den sozialen Wohnungsbau ein hehres Ziel ohne langfristige und nachhaltige Wirkung. Denn nach Auslaufen der Preisbindung, oft bereits nach acht bis zehn Jahren, werden dieseWohnungen zu Marktpreisen vermietet oder gar in teure Eigentumswohnungen umgewandelt.
Die baulandpolitischen Grundsätze der Stadt Radolfzell zeigen deshalb in ihrer Umsetzung bisher nur eine sehr begrenzteWirkung. Bauland wird an Investoren zu geringen Zeitfenstern für die Sozialbindung belegt. Die Stadt Radolfzell kann somit langfristig keine nachhaltigen Erfolge beim sozialen Wohnungsbau vorweisen. Auch wird das verfügbare Bauland entsprechend knapper.
Ein wichtiger Hebel ist die Verlängerung der Bindungsfristen für die sozial geförderten Wohnungen. Dies kannaber zu einer geringeren Rentabilität bei den Investorenführen. Ein neuer Ansatz wäre daher, dass die Stadt Radolfzell grundsätzlich versucht im Eigentum der Grundstücke zu bleibenoder gar weitere selbst erwirbt. Anstatt Grundstücke zu verkaufen, könnten diese in Erbpacht vergeben werden. Somit hat die Stadt eine langfristige Einflussnahme auf die Grundstücke.
Zum Vorschlag für eine kommunale Baugesellschaft anwortete Gröger: Wohnungen, insbesondere preisgünstige und bezahlbare Wohnungen sind Mangelware. Wenn niemand langfristig preisgünstige Wohnungen bauen will, muss die Stadt Radolfzell dies selbst tun. Die Konditionen dafür, auch und gerade durch die aktuellen Zinssätze, sind so gut wie nie. Als Oberbürgermeister werde ich alle Optionen prüfen um die Bildung einer kommunalen Wohnungsbaugesellschaft zu realisieren.
Für die Finanzierung einer kommunalen Wohnungsbaugesellschaft kann ich mir die Einbringung vorhandener kommunaler Grundstücke sowie die Ausnutzung aller Optionen staatlicher Zuschüsse gut vorstellen. Auch wäre es denkbar, dass die ersten Projekte sich durch einen Mix aus preisgünstigen Mietwohnungsbau und Eigentumswohnungen, die veräußert werden, finanzieren. Auch eine projektbezogene Finanzierung durch eine lokale Bank wäre denkbar, da die Zinssätze ein historisches Tief erreicht haben. Des Weiteren muss geprüft werden, ob eine Kooperation mit vorhandenen Wohnbaugenossenschaften denkbar ist.«
Die Fragen und Antworten hat der Freundeskreis Asyl auf seiner Homepage vollumfänglich abgebildet.
Autor:Oliver Fiedler aus Gottmadingen |
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