OB Martin Staab erklärt im Interview, wie das funktioniert
Gemeinderat trotz Kontaktverbot

Gemeinderat | Foto: Auch bei der Haushaltsberatung tagt der Gemeinderat für gewöhnlich im Milchwerk. Bei der Sitzung am Dienstag wird sichergestellt sein, dass zwischen allen Teilnehmern der notwendige Sicherheitsabstand gewahrt bleibt, betont OB Staab im Interview. swb-Bild
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Radolfzell. Eigentlich wollte der Radolfzeller Gemeinderat in Zeiten der Corona-Pandemie seine Entscheidungen im elektronischen Umlaufverfahren treffen, damit das Gremium nicht persönlich zusammenkommen muss. Schließlich birgt jedes persönliche Treffen im Moment ein gewisses Risiko. Eine "Sitzung" wurde nach diesem Prinzip abgehalten, jedoch fand sich nicht zu allen Punkten ein Konsens. Deshalb hat die Verwaltung nun für den 14. April doch eine Präsenzsitzung einberufen. Der Rat wird öffentlich im großen Saal des Milchwerks Tagen. Im Interview mit dem WOCHENBLATT erklärt OB Staab warum das nötig ist, und welche Sicherheistvorkehrungen getroffen werden.

Noch bis zum 19. April gelten Kontaktsperre und Versammlungsverbot. Warum finden am 14. April trotzdem eine Sitzung des Ausschusses für Planung, Umwelt und Technik und eine Gemeinderatssitzung statt?

OB Staab: "Das stimmt so nicht ganz. Eine Kontaktsperre gilt zunächst bis 15. Juni, bis 19. April gelten im Moment die Schließungen der Schulen, Geschäfte und öffentlichen Einrichtungen. Das Land hat klar in der Corona-Verordnung geregelt, dass Zusammenkünfte zur Aufrechterhaltung des Arbeits- und Dienstbetriebs möglich sind – somit auch in Kommunen. Denn das Parlament wie auch die kommunalen Gremien müssen tagen können, damit die Stadtverwaltung handlungsfähig bleibt. Trotz Krise ist es undenkbar, wochenlang keine Entscheidungen zu treffen. Die Stadträte haben die Verwaltung daher beauftragt, eine Präsenzsitzung zu realisieren, damit die Tagesordnungspunkte umfassend beraten werden können."

Warum werden die Entscheidungen nicht weiterhin im elektronischen Umlaufverfahren getroffen?

OB Staab: "Die Gremien der Stadt haben bereits in einer ersten Runde im elektronischen Umlaufverfahren Beschlüsse gefasst. Eine Reihe von einfachen Entscheidungen wurde so bereits getroffen. Da im neuen Abstimmungsverfahren jedoch zahlreiche Veto eingingen, sind die betroffenen Tagesordnungspunkte nicht beschlossen und müssen nun auf eine Präsenzsitzung genommen werden. So will es der Gesetzgeber. In der Realisierung wichtiger Maßnahmen wie zum Beispiel dem Neubau der Markolfhalle, die Friedhofsentwicklung und die Gastronomie Mole kommen wir noch stärker in Verzug, wenn wir keine Beschlüsse herbeiführen."

Viele Unternehmen setzen derzeit auf Video-Konferenzen. Wäre das keine Option für den Gemeinderat?

OB Staab: "Das Land will ggf. Video-Konferenzsitzungen zulassen. Dafür ist allerdings erst eine Änderung der Gemeindeordnung notwendig. Bis dies möglich ist, werden Wochen oder Monate vergehen. Zudem müssen die rechtlichen Voraussetzungen in Radolfzell geschaffen werden. Es bedarf dann noch der schriftlichen Zustimmungserklärung aller Gemeinderäte, die Verwaltung muss „gepixelt“ werden und einiges mehr. Konstanz hat diese Erfahrungen vor Jahren gemacht. Die Einführung dauerte dort eineinhalb Jahre. Nach unserem Kenntnisstand gibt es keine weitere Kommune, die ein solches Verfahren in Betrieb hat. Also auch dies ist keine Lösung, um die Stadtverwaltung kurzfristig handlungsfähig zu halten."

Und eine andere Möglichkeit gibt es nicht?

OB Staab: "Doch, in Absprache kann man mit dem „halben“ Gremium, sprich mit 14 anwesenden Mitgliedern tagen. Dies bedarf aber einer hohen Übereinstimmung in allen Fraktionen und auch entsprechendem Vertrauen, dass dann die jeweils „halbe“ Fraktion auch im Sinne der Fraktion abstimmt. Dafür gibt es zahlreiche funktionierende Beispiele in anderen Kommunen. Wenn die Anzahl der Mitglieder einer Fraktion allerdings ungerade ist, wird es schon schwierig. Wenn eine Fraktion sich nicht an die Absprache hält und mehr Mitglieder kommen als vereinbart, zerstört es die notwendige Vertrauensbasis unter den Fraktionen."

Ist es aber nicht ein zu hohes Gesundheitsrisiko eine öffentliche Ausschuss- oder Gemeinderatssitzung abzuhalten?

OB Staab: "Nein. Die Landesregierung will bewußt, dass die Gemeinderäte tagen können, damit die Kommunen handlungsfähig bleiben. Dies ist unabhängig von 19. April oder 15. Juni so vorgesehen in der Rechtsverordnung. Nach den „Verdopplungszahlen“ der Infizierten liegen wir ja inzwischen bei über zehn Tagen, was eine gute Entwicklung ist. Allerdings haben wir 14 Tage später also mehr als doppelt so viel Infizierte, die das Infektionsrisiko deshalb rein statistisch mehr als verdoppelt. Zudem wird durch die Lockerung der Maßnahmen die Zahl der Infizierten nochmals steigen. Deshalb gilt der Grundsatz, je früher je besser."

Was für Maßnahmen werden am Dienstag ergriffen um das Risiko für Gemeinderäte und ggf. die anwesende Öffentlichkeit möglichst gering zu halten?

OB Staab: Wir tagen im großen Saal des Milchwerks, um den Zwischenraum der vorgeschriebenen zwei Meter zwischen den Räten untereinander und zwischen Rat und Verwaltung einhalten zu können. Der Saal wird berührungslos betretbar sein, beim Betreten und Verlassen kann man sich die Hände desinfizieren. Die Öffentlichkeit – also die Pressevertreter und Bürger – werden ebenfalls untereinander mit zwei Meter Abstand und vom eigentlichen Beratungsraum weit genug entfernt sein.

Wir haben größtes Verständnis dafür, dass die Räte sich bei einer solchen Sitzung unwohl fühlen könnten. Wer von uns hat im Moment nicht doch manchmal ein ungutes Gefühl. Das geht uns und den Räten und der Bürgerschaft auch z.B. beim Besuch des Wochenmarktes so. Allerdings haben sich die Räte natürlich auch verpflichtet für das Allgemeinwohl einzutreten und dem Wohle der Stadt zu dienen. Viele Menschen, die in den systemrelevanten Berufen arbeiten wie beispielsweise Ärzte, Pfleger, Verkäufer und nicht zuletzt auch wir in der Verwaltung können auch nicht einfach zu Hause bleiben.

- Dominique Hahn

Autor:

Redaktion aus Singen

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