Archive im Landkreis Konstanz gründen Notfallverbund

Für den Ernstfall gewappnet

Radolfzell. 3. März 2009 in Köln: Bauarbeiter, die an einem Tunnel für die Kölner Stadtbahn arbeiten, rennen von Haus zu Haus und klingeln die Menschen auf die Straße. Auch die Mitarbeiter und Nutzer des benachbarten Stadtarchivs werden schnellstens nach draußen gebeten. Kurz nachdem die letzten Menschen den Lesesaal der Einrichtung verlassen haben, stürzt das Gebäude ein. Rund 90 Prozent des historischen Archivguts wird dabei verschüttet. Ein Teil davon ist unwiederbringlich verloren, zwei Menschen sind ums Leben gekommen. Eine Katastrophe die Bundesweit in den Medien war.

3. März 2020 in Radolfzell: Die Leiter der Archive im Landkreis Konstanz treffen sich im Stadtmuseum um ihre Unterschrift unter die Vereinbarung zur Gründung eines Notfallverbunds der Archive im Landkreis zu setzen. Mit diesem Verbund vereinbaren die Archive, sich gegenseitig unbürokratisch und schnell zu helfen, wenn ein ähnlicher Katastrophenfall wie in Köln im Landkreis auftreten sollte. Dass so etwas zwar unwahrscheinlich aber nicht unmöglich ist, zeigen viele Beispiele, wie etwa der Brand der Anna-Amalia Bibliothek in Weimar. Aber auch das Archiv der Universität Konstanz war bereits von einem Brand betroffen. In einem solchen Fall gelte es möglichst schnell das Archivgut zu sichten und zu entscheiden, was gerettet werden kann, erklärt der Leiter des Universitätsarchivs, Dr. Daniel Wilhelm, dem der Vorfall noch in lebhafter Erinnerung ist. Unter anderem für solche Aufgaben können betroffene Archive zukünftig auf Unterstützung aus dem Landkreis zählen.

Beteiligt sind das Stadtarchiv Konstanz, das Archiv der Universität und das Kreisarchiv sowie die Stadtarchive von Singen, Radolfzell und Stockach. Bürgermeisterin Monika Laule betonte, wie wichtig die Aufgabe der Archive ist. »Die Archive machen uns unsere Vergangenheit zugänglich, denn eine Erinnerungskultur ist nicht möglich ohne die Spuren, die die Menschen vor uns hinterlassen haben«, so Laule. In Radolfzell sei man im Hinblick auf die Bedrohung von Archivgut seit einem Schimmelbefall im Jahr 2018 besonders sensibilisiert. In Vertretung von Landrat Zeno Danner erklärte Kreisarchivar Friedemann Scheck, dass die Archive nicht nur eine wichtige Funktion für den Blick in die Vergangenheit haben, sondern auch nach vorne schauen müssen. »Wir müssen auswählen, was wir aus unserer Zeit für die zukünftigen Generationen aufheben und erhalten wollen«, so Scheck. Die Gründung des Notfallverbunds sei deshalb richtig und wichtig. Denn bei Archivgut handle es sich immer um Unikate. »Wird etwas davon zerstört, dann ist es für immer verloren«, erklärt der Kreisarchivar.

Die Entscheidung zur Gründung des Notfallverbunds fiel im vergangenen Sommer. Ziel ist allerdings nicht nur die Hilfe im Katastrophenfall. Es geht dabei auch darum gemeinsam Präventionsarbeit zu leisten. So soll demnächst eine gemeinsame Notfallübung im Konstanzer Kreisarchiv durchgeführt werden. In Stockach soll es eine Inspektion des Archivs durch die Feuerwehr geben. Zudem sollen gemeinsam Notfallpläne erarbeitet werden. Somit dient der Verbund auch als Plattform für den fachlichen Austausch untereinander, sind sich die Archivarinnen und Archivare sicher. Der Landkreis Konstanz nimmt hierbei in gewisser Weise eine Pionierrolle ein, denn es handelt sich hierbei in Baden-Württemberg um den ersten Kreisweiten Notfallverbund. Bisher gibt es solche Zusammenschlüsse nur in größeren Städten, betont Kreisarchivar Scheck.

- Dominique Hahn