Vortrag von Dr. Franz Alt und Gespräch mit Weltkloster-Vertreterin und Teilnehmern
Flüchtlinge – eine Gefahr oder gar eine Bereicherung?

Dr. Franz Alt war bei seinem Auftritt im Milchwerk voll in seinem Element. | Foto: Dr. Franz Alt war bei seinem Auftritt im Milchwerk voll in seinem Element. swb-Bild: Gaby Hotz
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Radolfzell (gh/gü). Die zahlreichen Zuhörer im kleinen Saal des Milchwerks, die das Angebot des Weltklosters Radolfzell für einen Abend mit Dr. Franz Alt nutzten, erhielten mehr als sie vermutlich erwartet hatten und waren von Anfang an gebannt von den lebhaften Ausführungen des dynamischen 78-jährigen Journalisten und Autors, der internationales Ansehen genießt und zahlreiche Würdigungen erhielt. Er machte klar, dass es dabei nicht um beispielsweise eine Million Flüchtlinge gehe, sondern um eine Million Einzelschicksale wie das der jungen Mutter, die mitansehen musste, wie ihr Mann und alle männlichen Verwandten ab 14 Jahren von IS-Kämpfern ermordet wurden und sie danach selbst als Beute für 6 bis 12 Euro zum Verkauf feilgeboten wurde. »Keiner flieht ohne Grund«, betonte er und verwies auch auf die deutschen Wirtschaftsflüchtlinge vor etwa 170 Jahren, als bei uns eine große Hungersnot und Arbeitslosigkeit herrschte und viele in nord- und südamerikanischen Staaten nach einer Lebensgrundlage suchten. Zwischen bekannten wie unbekannten Persönlichkeiten und globalen Zusammenhängen verwies er auch auf die deutsche Geschichte, die rund 70 Millionen Flüchtlinge nach dem 2. Weltkrieg, die unter schwierigeren Umständen integriert wurden oder die 6 bis 8 Millionen Gastarbeiter, ohne die der wirtschaftliche Aufschwung so nicht gelungen wäre. »Jesus sagte: Liebe deinen Nächsten wie dich selbst. Es ist also nicht unanständig, auch nach uns zu schauen und wir können auch heute durchaus einen Win-Win-Situation für uns und die Flüchtlinge erreichen«, so seine Feststellung.
Heute ziehe der Dalai Lama, der seit 65 Jahren auf der Flucht ist, bei jedem seiner Auftritte die Massen an, beispielsweise mit der Aussage: »Zum Überleben der Menschheit ist das Bewusstsein des Gemeinsamen wichtiger als das ständige Hervorheben des Trennenden.« Dies gelte auch für die Religionen und so sei beispielsweise eine Einrichtung wie das Weltkloster Radolfzell, das dieses Verbindende fördert, heute von großer Bedeutung. Seine profunden Kenntnisse über religiöse, wirtschaftliche und klimatische Zusammenhänge und über einzelne Politiker wie etwa Putin und andere ließen die Zuhörer erahnen, dass es keine einfachen Problemlösungen gibt. Dennoch zeigte er immer wieder positive Beispiele auf, etwa aus Afrika oder Bangladesch, durch die Menschen im eigenen Land neue Lebensmöglichkeiten finden. So kann etwa ein Mädchen mit einem Schulabschluss Arbeit finden und anstatt schon mit 14 erst mit Mitte zwanzig Mutter werden. Mit den Worten großer Religionsführer empfahl er, nicht nur zu beten, sondern nach den Glaubenssätzen und dem uns innewohnenden ethisch-menschlichen Verständnis zu handeln. Dies beziehe auch unsere konkrete Lebensweise und die Natur mit Tieren und Pflanzen mit ein, denn die nächste große Flüchtlingsbewegung basiere auf den Klimaveränderungen.
In seinen Ausführungen und im anschließenden Gespräch mit den Teilnehmern ging er aber auch auf radikale Entwicklungen in unseren westlichen Ländern ein. Nach seiner Meinung haben sich Politiker und Medien – auch bei uns – zu sehr um die reichen »Ackermänner« des Landes gekümmert und zu wenig um die breite, wenig verdienende Bevölkerungsschicht. Wer sich nicht ernst genommen fühle, bekomme Angst – auch, dass ihm noch mehr weggenommen wird – Angst schlage in Wut um, die dann bei uns zur Unterstützung von AFD oder Pegida führe und in den USA zu Wahlergebnissen wie nun mit Donald Trump als Präsidenten. »Wir sind sozialpolitisch unter die Räder gekommen, wenn weltweit 62 Milliardäre über mehr Geld verfügen als 3,5 Milliarden Menschen der unteren Schicht.«
Gemeinsam mit einer Teilnehmerin war er sich darin einig, dass wir wieder Nachdenken lernen müssen, anstatt uns auf irgendwelche Großsprecher zu verlassen. Wer die Geschichte unseres Landes bedenke und gründlich überlege, der kann anders entscheiden. »Wir leben in einem freien Land, wo freie Entscheidungen möglich sind, aber Freiheit heißt auch Verantwortung!« Jeder könne seinen Beitrag leisten, dort wo er lebt und arbeitet, denn je mehr sich für den Frieden sowie ein menschliches Miteinander einsetzen und das Ganzheitliche unserer Weltbevölkerung nicht aus dem Auge verlieren würden, desto weniger hätten Menschen wie Putin oder Trump eine Chance.

- Matthias Güntert

Autor:

Redaktion aus Singen

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