Narrizella begeistert mit augenzwinkerndem Blick auf das Stadtgeschehen
Flüchtige Ideen und frostiges Klima
Radolfzell. Entgegen der Meinung einer stark gealterten Greta Thunberg auf der Narrenspiegelbühne sehen die Radolfzeller Narren keine Spur von Erderwärmung in ihrer Stadt. Sie sind sich sicher, wenn es irgendwann auf dem Marktplatz Ananas aus Iznang zu kaufen gibt und die »Mooser Rettiche« schon lange in »Mooser Mangos« umbenannt sind werden die Zeller trotzdem auch noch im Sommer frösteln, denn der »eisige Wind im Rathaus, der zu einer politischen Eiszeit geführt hat« wird die Stadt vor den Folgen der Erderwärmung bewahren.
Stoff hatten die Narren jedenfalls auch in diesem Jahr wieder reichlich und das »obwohl eigentlich nichts vorwärts geht in unserer Stadt«, wie Narizella-Präsident Martin Schäuble mit einem verschmitzten Grinsen betonte. Als erstes gab es die traditionelle Narrenschelte von Lothar Rapp. In seiner Paraderolle als Kappedeschle setzte sich der Ehrenpräsident der Narrizella mit der modernen Technik auseinander und sinnierte darüber, wofür man heutzutage alles eine Smartphone-App gebrauchen könnte. »Wenn so ebbs wie in Thüringer duet passiere, no bräuchts e App zum zum Gesinnunge korrigiere«, betonte er mit Blick auf die dortige Ministerpräsidentenwahl. Noch drängender waren aber natürlich die Radolfzeller Themen, denn »Plötzlich steigt mer aus der Seetorquerung aus. Millione Euro zum Fenster raus gschmisse, des zeichnet unser Städtle aus«. Auch die Diskussion um den Verkauf der Villa Windschief bewegte den Kappedeschle und er fragte nach dem Grund: »Worauf nahmen sie Bezug? Es kann nur drauf raus laufen: Die Lage im Rathaus isch windschief genug«.
Die Umbaupausen überbrückten die Jungs vom K.A.T, dem »Kuhrgäschte Abholtrupp«. Sie führten ihre Schützlinge, zwei Kurgäste, vom seit 1863 aufzuglosen Bahnhof auf Schuhsters Rappen durch die Umwelthauptstadt der »100.000 Bäume«. Klar, dass es da einiges zu sehen gab. Nicht nur das »Baumhaushotel Viktoria in dem die Bäume in den Himmel wachsen«, sondern auch das Molencafe, das im Winter zu hat und im Sommer dicht ist. Mit Max Raabes »Kleine Lügen tun nicht weh« zog die muntere Gruppe im Laufe des Abends weiter durch die Stadt, während die Zahl der Bäume rasant anstieg. Und wo sollte die Tour anders enden als im Scharfen Eck unter dem Motto »Rettet den Baum – trinkt mehr Schorle!«
Zwischendurch gab es von den Gardisten noch eine amüsante Einführung in die Zeller Fasnet für ein norddeutsches Urlauberehepaar, für das der Fastnachtsurlaub am Bodensee ein geradezu exotisches Erlebnis zu sein schien. Klar, dass sich da die Frage stellte »Ist das normal hier?«, als es nur mit Nachthemd bekleidet auf die Straße gehen sollte. Auch die Radolfzeller »Kastagnetten« waren den Norddeutschen eher suspekt. Sehr zum Amüsement des Publikums.
Unter dem Motto »Heute Brau ich, morgen brenn ich, übermorgen schaffe ich die schwarze Null« hatte OB Martin Staab in der Vorstellung der Narrizella-Gardisten die Fraktionsvorsitzenden Jürgen Keck, Dietmar Baumgartner, Siegfried Lehmann und Norbert Lumbe zu einer geheimen Haushaltssitzung in seine Schnapsbrennerei auf der Mettnau eingeladen. Der Plan: Durch den Nebenerwerb mit dem Verkauf des Selbstgebrannten soll die Schwarze Null erzielt werden. Zwar »alles ganz legal«, wie der Narrizella-OB betont, doch müssen die Gemeinderäte trotzdem mit einigen Kostproben überzeugt werden. Leider ist direkt die erste ein »Seetorquerung Reserva«, der sich aufgrund der langen Lagerung bereits verflüchtigt hat. Aber »das Flüchtige fasziniert mich. Da verflüchtigt sich auch jede Kritik an meiner Amtsführung«, so der OB. Die erste richtige Kostprobe Geschmacksrichtung »Konstanzer Straße« findet Dietmar Baumgartner zu bitter. An der zweiten Kostprobe »Neues Altenheim fernab jeglicher Kultur« hat Lehmann auszusetzen, dass sie noch zu sehr brennt und wohl noch etwas lagern muss. Erst mit der Probe »VWV- Villa Windschief Verkauf« können sich die Räte anfreunden, denn sie schmeckt aufgrund der »musealen Komponenten für die Jugend rund und ist ohne bitteren Nachgeschmack«.
Nach der verschwörerischen Haushaltssitzung ging es in den Folterkeller des Rathauses, wo Baudezernatsleiter Nöken vom OB im Käfig gehalten wird und Bürgermeisterin Laule ihrem Martin aus dem Goldfischglas heraus Komplimente machen muss. Auch diese Nummer, gespickt mit spitzen aus der Lokalpolitik wurde mit Lachsalven und begeistertem Applaus belohnt. Den krönenden Abschluss des gelungenen Narrenspiegels bildete wie immer die Seefunk-Gruppe, die sich als Superheldentruppe zur Kur auf der Mettnau einfindet. Das ist auch bitter nötig, denn ihr Anführer, »Thor«, genauer gesagt »See-Thor« ist nach 14 Jahren kampflos erschlagen. Am Ende können sie jedoch beruhigt wieder abreisen, denn »Der Super-Martin wird’s schon richten«. Gemeint ist natürlich Martin Schäuble, wie der Zunftpräsident betont.
- Dominique Hahn
Autor:Redaktion aus Singen |
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