Mehrheit des Rates kritisiert Personalpolitik von OB Martin Staab / Nicht alle Stadträte unterschreiben offnen Brief
Es schwelt gehörig im Radolfzeller Rathaus
Radolfzell. Sie wollten und konnten nicht länger schweigen: In einem offenen Brief kritisierten 14 (die gesamte CDU-Fraktion, sowie Siegfried Lehmann, Gisela Kögel-Hensen, Nina Breimaier und Thilo Sindlinger (alle FGL) und Derya Yildirim und Susann Göhler-Krekosch (beide SPD)) von 26 Stadträten die Personalpolitik in der Stadtverwaltung von Oberbürgermeister Martin Staab scharf. Sie werfen dem Radolfzeller Rathauschef vor, ein »Klima der Angst und des Misstrauens in Teilen der Stadtverwaltung« zu säen. »Die Öffentlichkeit hat ein Recht zu erfahren, dass viele gute Mitarbeiter die Stadtverwaltung verlassen haben. Diese Entwicklung geht nunmehr schon über ein Jahr«, sagt Bernhard Diehl, Fraktionsvorsitzender der CDU.
Als Grund für den offenen Brief nannten die Urheber eine Personalführung, die zur »Machtdemonstration« werde, um »Mitarbeitende klein zu halten«. »Unliebsame Mitarbeitende werden gedrängt, zu kündigen oder eine andere Arbeit zu übernehmen. Dies ist beängstigend und schadet der Stadt«, heißt es in dem Schreiben. Weitere Vorfälle, die die Unterzeichner ins Spiel bringen, bedürften noch einer genaueren eventuell sogar einer juristischen Aufarbeitung, geht aus dem Schreiben hervor. Dazu heißt es in dem Brief: »Wenn zum Beispiel illegale Gesprächsaufzeichnungen ohne Wissens des Mitarbeitenden von Vorgesetzten gefertigt werden, so gehört dies in unseren Augen von der Staatsanwaltschaft geprüft.«
Weckruf an Rathauschef
Wie ernst es den Unterzeichnenden mit diesem Schreiben wirklich ist, offenbart der letzte Satz: »Man kann dieses Schreiben als Kampfansage auffassen - für uns ist es ein Weckruf.« Darauf angesprochen, ob eine zielführende Zusammenarbeit zwischen dem Gemeinderat und OB Staab nach diesen Vorwürfen überhaupt noch möglich wäre, erinnert Diehl an die eigentlichen Aufgaben des Gemeinderates und des Oberbürgermeisters: »Wir wurden alle zum Wohle der Stadt gewählt. Wir müssen alle zum Wohle der Stadt und deren Bürger konstruktiv zusammenarbeiten.« Auch die bevorstehende Haushaltsberatung am 19. Dezember sieht Diehl nicht in Gefahr, denn diese finde unabhängig von der Personalkritik statt. »Die Haushaltsberatung wird schwierig, aber das hat nichts mit dem offenen Brief zu tun«, so Diehl weiter. Unterstützung erhält Diehl dabei von Gisela Kögel-Hensen (FGL), die auf der Facebook-Seite des WOCHENBLATTES schrieb: »Für uns ist das Tischtuch nicht zerschnitten! Wir hoffen nun auf einen konstruktiven Lösungsprozess, für den wir sicherlich neutrale, professionelle Begleitung brauchen werden.«
OB Staab weist Vorwürfe zurück
OB Staab weißt die Vorwürfe aus dem offenen Brief indes vehement zurück, wie er auf Nachfrage des WOCHENBLATTES verdeutlicht: »Der Arbeitsdruck auf die Mitarbeiter der Verwaltung ist aufgrund verschiedener Einflussfaktoren, wie sie in der gesamten Arbeitswelt zu spüren sind, in den letzten Jahren gestiegen.« Dennoch seien die Anschuldigungen im offenen Brief für die Verwaltung und deren Chef nicht nachvollziehbar – genauso wenig wie die Tatsache, dass mit dieser Veröffentlichung vertrauliche Informationen und Personalangelegenheiten an die Öffentlichkeit gegeben würden, kontert er der Verwaltungschef den Anschuldigungen. »Mitarbeiter haben vielfältige Gründe, warum sie den Arbeitgeber wechseln, wie lange Fahrtzeiten, die Entfernung zum Wohnort, Aufstiegsmöglichkeiten oder andere private Gründe. In der heutigen Zeit herrscht ein »Arbeitnehmermarkt« vor, Mitarbeiter haben also die Wahl. Und genauso viele gute Mitarbeiter entscheiden sich dann auch für die Stadtverwaltung Radolfzell als Arbeitgeber«, sagt Staab. Ihm persönlich seien keine Fälle bekannt, in denen ein Arbeitnehmer gedrängt wurde, die Stadtverwaltung zu verlassen. »Mir persönlich sind keine belegbaren Fälle bekannt, in denen Gesprächsaufzeichnungen ohne Wissen des Mitarbeiters getätigt wurden«, betont Staab weiter.
Sein Anliegen sei es, die Mitarbeiter in der Verwaltung zu halten. »Sobald Führungskräften bekannt wird, dass Mitarbeiter auf ihrer Stelle unzufrieden sind, sind sie daher angehalten, nach Lösungen zu suchen. Dies führt immer wieder auch dazu, dass Mitarbeiter andere Aufgaben in der Verwaltung übernehmen. Wenn mir persönlich Fälle bekannt werden oder die Schwierigkeit etwa im Umgang mit der eigenen Führungskraft besteht, schalte ich mich selbst in die Lösungsfindung ein. So konnten wir in diesem Jahr zwei kompetente Führungskräfte halten«, sagt der Verwaltungschef. Über den Satz »Natürlich werden die Personalstellen wieder besetzt, leert sich das Rathaus nur für kurze Zeit, was zurück bleibt ist für unsere Stadt fatal.« zeigte sich Staab hingegen äußerst empört, sei dieser doch eine gravierende Ohrfeige für die Mitarbeiter, die schon viele Jahre oder auch erst seit Kurzem bei der Stadt beschäftigt sind. »Neu gewonnene und verdiente Mitarbeiter sind nicht ,fatal für die Stadt‘, sondern ein Gewinn, um die Bedürfnisse der Bürgerschaft zu bedienen und unsere Stadt weiterzuentwickeln«, betont Staab.
Nicht alle Stadträte unterschreiben
Für Norbert Lumbe, Fraktionsvorsitzender der SPD, der nicht zu den Unterzeichnern des offenen Briefes zählt, erschwert der Brief die Suche nach Lösungen. »Das Schreiben enthält Hinweise aus vertraulichen Personalgesprächen, an denen die Fraktionssprecher teilgenommen haben, es enthält auch Feststellungen, die nicht überprüft wurden, sowie Verallgemeinerungen, die in ihrer Pauschalität dem Personal der Verwaltung eher schaden als nutzen«, erklärte Lumbe. Diese Themen gehören seiner Meinung nach eindeutig zu den Aufgaben des Personalrates und nicht in die Öffentlichkeit.
Auch Jürgen Keck, Fraktionsvorsitzender der FDP, hat den Brief nicht unterzeichnet. Denn er halte es für wenig produktiv, wenn Interna aus der Personalpolitik nach außen getragen werden: »Zur Deeskalation trägt dies nicht bei. Im Gegenteil: Es schadet den Rathausmitarbeitern und bringt sie in Verlegenheit.« Die Freien Wähler, die den Brief ebenfalls nicht unterzeichnet hatten, gaben über ihren FRaktionsvorsitzenden, Dietmar Baumgartner, zu verstehen: »Die FW-Fraktion hat geschlossen diese Pressemitteilung nicht unterschrieben, weil wir der Meinung sind, das Personalfragen nicht in die Öffentlichkeit gehören. Schon gar nicht anonymisiert. Hier ist der Spekulation Tür und Tor geöffnet. Der richtigere Weg wäre eine nichtöffentliche Sitzung gewesen, um alle Gemeinderäte auf den gleichen Sachstand zu bringen. So hab ich die Befürchtung, dass der Gemeinderat gespalten wird und eine sachliche Aufarbeitung jetzt nicht mehr möglich sein wird. Insgesamt schadet diese Situation der Stadt Radolfzell, den städtischen Mitarbeitern, den betroffen OB sowie der Bürgermeisterin und auch dem Gemeinderat insgesamt.«
- Matthias Güntert
Autor:Redaktion aus Singen |
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