Neues Angebot der ehrenamtlichen Wohnberatung
Ein wichtiger Schritt für mehr barrierefreies Wohnen
Radolfzell. Im zunehmenden Alter sinkt die Mobilität der Menschen. Doch nicht nur für diese Gruppe möchte die Stadt Radolfzell von nun an mit einer ehrenamtlichen Wohnberatung Abhilfe leisten.
Allein schon die Tatsache, dass der Medientermin direkt unter Realbedingungen in einer Musterwohnung in der Josef-Bosch-Straße stattfand, zeigt die Bedeutung dieser Maßnahme. "Gerade im Wohnbereich spielt die Barrierefreiheit aufgrund des demografischen Wandels eine immer größere Rolle", merkte auch OB Simon Gröger an. Gebe es bei einem Neubau gewisse Richtlinien, sehe es bei Bestandsgebäuden wieder anders aus. Nicht nur aus diesen Gründen freue man sich, das Angebot der ehrenamtlichen Wohnberatung ins Leben gerufen zu haben. "Viele Menschen nehmen es sich im Alter zum Ziel, möglichst lange zu Hause leben zu können", erläuterte Petra Ott, Fachbereichsleiterin für Partizipation und Integration. Ein verletzungsbedingter Umbau der Wohnung sollte ihr zufolge daher auch frühzeitig geplant werden.
Ursprung im Bürgerworkshop
Entstanden ist das Angebot aus einem Workshop der Seniorenhilfe der Stadt Radolfzell im Juli 2022, in der BürgerInnen in verschiedenen Arbeitsgruppen ihre Anliegen ansprechen konnte. "In der Arbeitsgruppe Wohnen im Alter kam schließlich das Bedürfnis einer ehrenamtlichen Wohnberatung auf."
Haben Betroffene das Bedürfnis einer Wohnberatung, werden sie von der Seniorenhilfe an einen ehrenamtlichen Berater vermittelt. Aktuell wäre dies Rolf Schäfer, aktuell selbst Pensionär und seit knapp zweieinhalb Jahren in Böhringen wohnend. Um diese Tätigkeit jedoch ausführen zu dürfen, benötigte es eine Ausbildung zum qualifizierten Wohnberater. Auf das Thema selbst ist er auch beim Workshop aufmerksam geworden. Erste Impulse für diese Tätigkeit habe er durch die Beratschlagung seiner gehbehinderten Nachbarn gesammelt.
Dünne Grenze der Barrierefreiheit
In einer kleinen Führung durch die Musterwohnung zeigte Schäfer, auf was es alles bei der ehrenamtlichen Wohnberatung ankommt. Dabei mache es für ihn mehr Sinn, den ersten Kontakt direkt vor Ort zu haben. Auch, dass er ähnlichen Alters wie viele Betroffene ist, sei für ihn wegweisend. "Es ist dadurch ein ganz anderes Miteinander." Schäfer verdeutlichte vor allem am Bad der Musterwohnung, wie schmal die Grenze zur Barrierefreiheit ist: Allein zwei bis drei Zentimeter Höhe am Einstieg in die Dusche könne ein Problem sein. "Dies würde schon ein gewisses Gefahrenpotenzial mit sich bringen." Auch ein komplett weißer Lichtschalter wäre bei einer Wand der selben Farbe für Sehbehinderte schwierig.
Während der Beratung müsse man ihm zufolge immer sehen, "was die Menschen wollen und vor allem auch können". Vor allem der letzte Aspekt sei laut Schäfer immer sehr geldintensiv. Laut Petra Merklin von der Radolfzeller Seniorenhilfe müsse zunächst eine Förderung beantragt werden, welche entweder über die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) oder, bei bereits vorhandenem Pflegegrad, über die Pflegekasse beantragt werden können. "Vorher ist eine Antragstellung für einen Umbau nicht möglich." Für Rolf Schäfer sei es bei der Beratung vor allem wichtig, dass sich die Menschen dabei wohlfühlen. "Wir müssen es diesen Leuten gerecht machen."
Die ehrenamtliche Wohnberatung ist laut OB Simon Gröger durch die Förderung der Werner und Erika Messmer Stiftung für Betroffene kostenfrei. Auch die Stelle des Beraters werde durch Spendengelder der Stiftung finanziert. "Wir freuen uns sehr, wenn man das Umzusetzende endlich auch sehen kann", freut sich Stiftungsratsmitglied Dr. Sabine Adam.
Ohne Förderung kein Antrag
Die Umsetzung der Maßnahmen obliege laut Rolf Schäfer stets dem Ratsuchenden, "der Wohnberater gibt nur eine Empfehlung ab". Dabei seien diese Maßnahmen je nach Betroffenem unterschiedlich. Die Beratung können dabei nicht nur Senioren, sondern auch andere Altersgruppen in Anspruch nehmen, sollten beispielsweise bereits körperliche oder sensorische Einschränkungen vorliegen. "Erst beim Ausarbeiten des Förderantrags stellt sich heraus, ob der Betroffene diese auch wirklich erhält", erklärt Schäfer. Bei den Umbaumaßnahmen selbst müssten die Mieter ihm zufolge das Anliegen erst mit dem Vermieter oder Eigentümer besprechen. "Ohne dessen Einverständnis kann der Umbau nicht erfolgen."
Bei der Stadt hoffe man schon jetzt auf eine hohe Nachfrage, erläutert Petra Merklin. "Wenn diese da ist, können wir auch mehr ehrenamtliche Berater bereitstellen." Ein wichtiger Schritt, um generationenübergreifend für mehr Barrierefreiheit im Stadtgebiet beitragen zu können.
Autor:Philipp Findling aus Singen |
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