Radolfzeller Stadtkapelle startet in ihrem Herbstkonzert wieder voll durch
Ein »Heimspiel« für das Blasorchester

Stadtkapelle Rauch | Foto: Dirigent Kuno Rauch am Dirigentenpult im Milchwerk Radolfzell. swb-Bild: Johnen
  • Stadtkapelle Rauch
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Radolfzell. Mit konzentriertem Blick, aber freudigen Schrittes trat Dirigent Kuno Rauch an sein Pult. Ein kurzer Blick, dann hob er seinen Taktstock und im Radolfzeller Milchwerk ertönten die phantastischen Klänge des symphonischen Blasorchesters der Stadtkapelle Radolfzell 1772. Das Publikum wurde mit dem überwältigenden Sound von »Jubilee Overture« von Philip Sparke begrüßt, welcher 1983 seine Komposition speziell für Blasorchester zugeschnitten hatte.

Über ein Jahr Spielpause sind für ein Orchester schier unerträglich, wollen die Musikerinnen und Musiker doch Menschen unterhalten und auf ihre musikalischen Reisen mitnehmen. Am vergangenen Sonntag war es endlich so weit, das Orchester durfte ihr Herbstkonzert spielen. Umso mehr übertrug sich die unbändige Spielfreude des Orchesters auf das Publikum.

Das Besondere an diesem Konzert: Kuno Rauch und sein rund 45-köpfiges Orchester griffen die Radolfzeller Heimattage auf und lockten das Publikum mit dem Programm »Heimspiel« geschickt auf eine Reise rund um das Thema Heimat. »Heimat ist für machen dort, wo sich das Smartphone automatisch mit dem W-Lan verbindet«, spöttelte zu Beginn Mark Baumgartner, der die einzelnen Stücke informativ und kurzweilig den Abend über anmoderierte. Wie ernst die Kapelle mit diesem Thema umgehen wollte, zeigte Sie bereits beim nächsten Stück: »Finlandia« von Jean Sibelius, bei der es um die musikalische Aufarbeitung der finnischen Unterdrückung durch Schweden und dem russischen Reich ging. Bis heute ist »Finlandia« bei den Finnen als patriotisch-emotionales Stück ungebrochen beliebt.

Als anschließend die wahrhaft majestätischen Klänge »Pomp and Circumstance« ertönten, erfreuten sich alle Zuhörer an diesem wohlbekannten Marsch, der heute noch als die heimliche britische Hymne gilt und aus der Feder von Edward Elgars stammt.

Eine ganz besondere Gefühlswelt bot das Stück »Mazama« von Jay Chattaways, eine Hommage an die reiche Kultur der Mazama-Indianer im pazifischen Nordwesten. Besonders geistreich spielte das Blasorchester die Bindung des gleichnamigen Eingeborenenstamms zu deren Heimat und zur Natur. Vulkane und Harmonien galt es zu vereinen, indem beispielsweise mit einer auseinandergenommenen Querflöte das Solo gespielt wurde. Das ganze Ensamble sang dazu typisch klingende indigene Refrains und verzauberte damit das Publikum eine andere, für uns fremde Welt.

In unserer Region gehört zur musikalischen Umsetzung des Begriffs »Heimat« auch unsere Volksmusik. Diese durfte an diesem Abend nicht fehlen, allerdings überraschte auch hier das Orchester. Gespielt wurde ein Medley von zehn bekannten Volksliedern, welche durch eine extravagante Harmonisierung und Instrumentierung eine neue Betrachtung altbekannter Melodien bot, beispielsweise »Freut Euch des Lebens«, »Auf der schwäb’Schen Eisenbahnen«, oder »Ein Jäger aus Kurpfalz«. Gespielt in einer Art und Weise, dass jeder im Saal mit der Musik mitschunkelte.

In einem großartigen Klangerlebnis ließ das Orchester die Person vor dem geistigen Auge erscheinen, welche schier vor Heimweh beinahe gestorben war, da die Heimat beinahe unerreichbar weit entfernt schien. »Wer bei dem Kinofilm E.T. keine Träne verloren hat, muss Emotionen wie ein Stein haben«, formulierte es Mark Baumgartner treffend, als er das Stück von John Williams ansagte.

Auch das Finale, Robin Hood – König der Diebe, war vom Ideengeber des Abends, Dirigent Kuno Rauch, sorgfältig gewählt, spielt doch der Kinohit die abwechslungsreiche Melodie der Treue zur Heimat.

Das »Heimspiel« endete mit zwei besonderen Zugaben. Zuerst durfte sich das Publikum an den Walzer »Mein Bodensee« erfreuen, der vom an diesem Abend anwesenden Radolfzeller Ehrendirigenten Heinrich Braun vor rund 50 Jahren komponiert worden war. Der krönende Abschluss bildete der Marsch »Radolfzell«, den der ehemaliger italienischer Gastarbeiter Giuseppe Fazio komponiert und zurückgelassen hatte, als er wieder zurück in seine Heimat ging.
Uwe Johnen

Autor:

Oliver Fiedler aus Gottmadingen

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