Viele Fragen aus dem Publikum und Chat zur künftigen Politik
Drei Kandidaten auf dem Podium bei der OB-Wahl Bewerbervorstellung
Radolfzell. Rund 200 Besucher im Radolfzeller Milchwerk konnten am Mittwochabend die offizielle Kandidatenvorstellung zur OB Wahl am 17. Oktober live verfolgen. Weil nicht mehr Interessierte eingelassen werden konnten, die sich ihre Plätze auch reservieren mussten, war vor dem Milchwerk eine Großleinwand aufgebaut gewesen, die wegen des Regens aber kaum genutzt wurde. Dafür folgten rund 400 Personen gleichzeitig dem Livestream zur Vorstellung, der in der Halle aufgezeichnet wurde und bis zur Wahl auf der Homepage der Stadt Radolfzell abgespielt werden kann. Über 6.500 Personen in Radolfzell hätten bereits die Briefwahl genutzt, informierte Bürgermeisterin Monika Laule als Vorsitzende des Wahlausschusses bei der Eröffnung der Wahlarena. Das Besondere an der Veranstaltung: erstmals waren dort alle drei Kandidaten präsent: Amtsinhaber OB Martin Staab und die Herausforderer Simon Gröger und Helmut Ringger.
Martin Staab machte den Anfang mit seiner Vorstellung und Bewerbung: Er habe sein Handwerk gelernt als Bürgermeister, betonte er. Der Stuhl des Bürgermeisters sei weder rot noch schwarz noch grün, vor allem hart. Drei Ziele habe er sich für die Zukunft gesetzt: zum ersten ist das die Bewältigung des Klimawandels, bei dem die Stadt eigentlich schon weit fortgeschritten sei. Schon seit 2015 könnten die Stadtwerke die Einwohner durchweg mit Strom aus erneuerbaren Quellen versorgen, aber es benötige weitere Flächen für Photovoltaik. Man wolle hier mit einem Förderungsprogramm mehr Anreize schaffen für die Eigenstromnutzung mit Speichertechnik. Auch bei der Mobilitätswende habe man mit den neuen Bustarifen Zeichen gesetzt, die Einnahmen seien sogar gestiegen, mit der nächsten Konzession werde man einen Halbstundentakt von morgens bis abends durchgehend einführen, in Spitzenzeiten sogar einen Viertelstundentakt, plant er.
Ziel Nummer zwei sei die Menschennähe: Die Bürgerbeteiligung müsse noch mehr verstärkt werden. Schon in 2016 habe man den Stadtentwicklungsplan Step2030 in Gang gesetzt, der in 2021 schon fortgeschrieben worden sei. Bürgerbeteiligung sieht Staab auch durch den Mängelmelder, die Quartiersarbeit gegeben oder über die Prozesse zum Seeufer. Für die Ortsteile sollen Diskussionsprozesse jährlich fortgesetzt werden. Für die Vereine wolle man vierteljährliche Stammtische zum Austausch entwickeln. Für die Bürger werde durch die Digitalisierung mehr Beteiligung möglich über die Bürgerapp. Und es gebe noch die höchste Form der Bürgerbeteiligung über einen Bürgerentscheid.
„Leben für Jung bis Alt" hatte Staab den dritten Block seiner Vorstellung überschrieben. Das Krankenhaus in der Stadt solle erhalten bleiben, bei der Kinderbetreuung sei man noch nicht am Ende. „Ich werde nicht ruhen, bis jedes Kind einen Betreuungsplatz hat“, sagte er. Wenn die Jugend einen selbstverwalteten Jugendraum wolle, habe sie in ihm den größten Unterstützer. Für sozialen Wohnraum werde derzeit mit Neubauprojekten gesorgt. Doch auch „preisgedämpfter Wohnraum“ müsse der Schwerpunkt der nächsten Jahre sein, auch wenn Corona die Stadt finanziell zurückgeworfen habe. Freilich, alles gehe nicht auf einmal. „Sie sollten einem Profi vertrauen, der das kann“, meinte Staab zum Abschluss seiner Rede, die er unter die Überschrift „Gemeinsam geht’s weiter“ gestellt hatte.
Simon Gröger durfte entsprechend der Reihenfolge auf dem Stimmzettel als Zweiter seine Pläne vorstellen. Radolfzell brauche die Veränderung, um sich nach vorne zu entwickeln, machte er deutlich. Jede Stadt und jeder Ortsteil brauche eine Form der Förderung und es könne nur einen „Radolfzeller Weg“ geben, fuhr er fort. Seine Erfahrung in der Wirtschaftsförderung bringe er damit wie einen Willen zur Veränderung ein.
Für eine echte Änderung in Radolfzell brauche es jedoch mehr. Radolfzell habe das Potenzial, stark in die Zukunft zu gehen. Konkret stellte er den Erhalt und Schutz der Natur in den Vordergrund. Der Klimaschutz strafe zögerliches Handeln. Es gelte ein schlagkräftiges Konzept mit der Bürgerschaft zu entwickeln. Er spreche sich auch für alternative Planungen für das Hotelprojekt im Streuhau aus – mit Bestandsschutz für die Vereine, die dort schon am See sind. Den Erhalt und die Modernisierung der Gesundheitsstruktur, eine Verbesserung des Radwegenetzes, die Stärkung der Altstadt mit einem neuen Innenstadtkonzept, das zeitnah umgesetzt werden solle, fügte er an. Hier sei seiner Meinung auch Eile geboten nach der Corona-Krise. Den Unternehmen gelte seine große Aufmerksamkeit, für die Versorgung mit Fachkräften. „Wirtschaftsförderung ist bei mit Chefsache“, machte er deutlich. Langfristig bezahlbaren Wohnraum könne man über das Einbringen städtischer Grundstücke oder über Erbpacht ermöglichen. Die Jugend, die Senioren oder Menschen mit Behinderung sollen über ihre Gremien stärker mit einbezogen werden. Radolfzell solle als Kultur-, Musik- und Sportstadt weiterentwickelt werden. Für die Ortsteile ortete er nach seiner Zuhörtour einen großen Nachholbedarf. Auch wolle er eine neue Verwaltungsphilosophe der Wertschätzung. Die hohe Fluktuation im Rathaus müsse ein Ende haben. Er wolle den Gemeinderat im Vorfeld von Entscheidungen früh mitnehmen, versprach er. Bürgernähe werde er leben.
Helmut Ringger als dritter Kandidat auf dem Stimmzettel meinte, er sei inzwischen rentenberechtigt und wolle nochmals einen Kick in sein Leben bringen. „Ich biete mich nur an, weil ich gerade Zeit habe“, sagte er auf Anfrage. Auf seine Ansage, dass er ohne Maske lebe, sich nicht impfen lasse und dass es eigentlich auch keine Corona-Pandemie gegeben habe, gab es Protest aus dem Publikum. Nachdem er begann über seine Mitbewerber herzuziehen, schritt auch Bürgermeisterin Laule ein, um ihn daran zu erinnern, dass es sich hier um eine Kandidatenvorstellung handle. „Wir müssen nicht das Klima schützen, sondern uns“, war eine weitere seiner Aussagen, die in großen Teilen aus Zitaten von Dichtern und Philosophen bestanden.
Viele Fragen wurden den Kandidaten gestellt, die nach ihren Einzelvorstellungen dafür zusammen auf die Bühne kamen. Dabei ging es um die Wahlkampffinanzierung, um die Seetorquerung, um die Gründung einer städtischen Wohnbaugesellschaft, aber auch immer wieder um die Fluktuation der Mitarbeitenden in der Stadtverwaltung oder auch um das Verhältnis zwischen dem OB und dem Gemeinderat.
Autor:Oliver Fiedler aus Gottmadingen |
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