Frauenhäuser verzeichnen nach dem Corona-Lockdown größeren Zulauf
Die Welle macht sich langsam bemerkbar

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Radolfzell. Als der Lockdown kam, haben viele Verantwortliche in sozialen Einrichtungen und Politik schon befürchtet, dass die Zahl der Fälle häuslicher Gewalt, die nach den Lockerungen der Corona-Maßnahmen registriert wird, stark zunimmt. Nun scheint sich dies auch für das WOCHENBLATT-Land teilweise zu bestätigen.

»Es geht jetzt wirklich rund«, bestätigt Bärbel Wagner, die Fachbereichsleiterin Beratung, Qualifizierung, Existenzsicherung beim Diakonischen Werk im evangelischen Kirchenbezirk Konstanz. Sie erlebt jetzt genau das, was sie vor einigen Wochen im Gespräch mit dieser Zeitung bereits befürchtet hatte: »Viele Frauen hatten während des Lockdowns keine Möglichkeit ihre Flucht zu planen«, so Wagner. Jetzt, wo es wieder mehr Möglichkeiten gibt, unbemerkt Kontakt zu den Hilfestellen aufzunehmen, steigt die Welle, die sich in den Lockdown-Wochen angestaut hat an, schildert sie.

Deutlich ablesbar sei die Welle auf der Internetplattform, die die Verfügbarkeit von Plätzen in Frauenhäusern Baden-Württemberg-weit zeigt. »Noch vor drei bis vier Wochen gab es viele freie Plätze, aber inzwischen sind nur noch wenige frei«, schildert Wagner die Situation, betont jedoch gleichzeitig, dass immer eine Lösung gefunden werden muss. »Sollten die Plätze einmal nicht ausreichen, müssen wir zusätzlichen Wohnraum anmieten«, so Wagner. Das habe man auch während der Corona-Hochphase so gehandhabt, denn die Frauen mussten zunächst in Quarantäne, bevor sie ins Frauenhaus einziehen konnten. Mittlerweile gibt es die Quarantäne nicht mehr, stattdessen wird ein Corona-Test durchgeführt.

Kontrollinstanz fehlte zeitweise

Besonders problematisch ist das Thema häusliche Gewalt, sobald Kinder betroffen sind. Hier sind es oft Kitas oder Schulen, wo blaue Flecken oder verängstigtes Verhalten auffallen und ein Eingreifen ermöglichen. Diese Kontrollinstanzen sind jedoch in der Zeit des Lockdowns zum größten Teil weggefallen. Radolfzells Sozialbürgermeisterin Monika Laule ist hier noch vorsichtig mit einer Bilanz. »Ob und wie ein Anstieg von Fällen häuslicher Gewalt während der Pandemie zu verzeichnen ist, lässt sich momentan nicht abschließend beurteilen«, erklärt sie auf Nachfrage des WOCHENBLATTs.

Was sich jedoch deutlich im Arbeitsalltag der Schulsozialarbeit abzeichne sei, dass familiäre Systeme in dieser Zeit sehr belastet worden sind. »Gerade in sozialökonomisch benachteiligten Familien ist es auf Grund der Corona-Pandemie zu einem erhöhten Maß an Spannungen und Konflikten gekommen. Erziehungsberechtigte sind durch die vielseitigen Anforderungen (Berufstätigkeit, E-Schooling, Zukunftsängste etc.) an ihre Grenzen gestoßen, ohne Mechanismen der Entlastung nutzen zu können«, macht Laule indes deutlich. Insgesamt habe dadurch auch die Konflikt- und Krisenberatung in der Schulsozialarbeit nach den Lockerungen zugenommen.

Die »Corona-Generation«

»Mit hoher Wahrscheinlichkeit werden Wirkungen der Schulschließung erst als Spätfolgen in ein paar Monaten ersichtlich werden wie zum Beispiel Trauma, soziale Ängste etc. Diese mit den Schülern und Schülerinnen zu bearbeiten, ist eine große Herausforderung für die Schulsozialarbeit, die in der Regel für sehr viele Schüler an einer Schule zuständig ist«, so Laule.

Auch Bärbel Wagner vermutet, dass sich in Zukunft noch einige Spätfolgen der Lockdown-Zeit zeigen werden.
Sie spricht in diesem Zusammenhang von einer »Corona-Generation«. Um die Spätfolgen möglichst gering zu halten, haben die Teams der Kinderwohnungen in Radolfzell und Engen, die vom Diakonischen Werk unterhalten werden, vom ersten Tag an dafür gekämpft, weiterhin so viel Kontakt wie möglich zu den Kindern halten zu können. Die Anfänge seien dabei sehr schwierig gewesen, auch weil man gemerkt habe, dass die Kinder keinen strukturierten Tagesablauf mehr hatten. Die Betreuung lief in Schichten und Kleingruppen. Dank einer Spende konnten zudem Laptops beschafft werden, um den Kindern das Homeschooling zu ermöglichen. Für Wagner war die Arbeit der Kinderwohnungen in der Corona-Zeit ein Erfolg. Nicht zuletzt wegen der Kontrollfunktion, denn hinschauen ist wichtig. Nur so kann etwas unternommen werden, wenn tatsächlich ein Fall von häuslicher Gewalt eintritt.

Wichtige Hilfenummern:

Frauenhäuser:
Konstanz: 07531/15728
Singen: 07731/31244
Radolfzell: 07732/57506

Beratungsstelle Frauen helfen Frauen: 07531/67999

Das bundesweite Hilfetelefon »Gewalt gegen Frauen« (rund um die Uhr besetzt, in 17 Sprachen): 08000/116 016

Psychologische Beratungsstelle für Kinder und Jugendliche im Landkreis Konstanz: 07531/800-3211 oder -3311

- Dominique Hahn

Autor:

Redaktion aus Singen

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