Gardisten feuern närrisches Spektakel beim Narrenspiegel ab
»Die Seetorquerung – oje, oje, ojemineeee«
Radolfzell. »Das wird heute hochpolitisch«, unkte Bruno Epple noch kurz vor Beginn des Narrenspiegels der »Narrizella«. Und der Mundartdichter aus dem WOCHENBLATT-Land sollte recht behalten: Das lange Narrenspiegelwochenende mit insgesamt vier Vorstellungen war eine närrische Breitseite gegen die Kommunalpolitik in der Stadt. Die Themen aus dem vergangenen Jahr - der unerwartete Ausstieg der Deutschen Bahn aus der Seetorquerung, die Idee einer Seebrücke von Oberbürgermeister Martin Staab, das Donnerwetter im Ratssaal oder das drohende Aus der Geburtshilfe - sie allen fanden den Weg auf die Bühne der Narren. Kommunalpolitisch wurde der Narrenspiegel damit zu einem Volltreffer.
Ein Thema schwebte dabei jedoch über allem: das 750. Jubiläum der Stadt. Die Gardisten nahmen ihre Zuschauer in den bestens besuchten Veranstaltungen mit auf eine Reise durch die Zeit. Im närrischen Schweinsgalopp ging es also durch die Historie der Stadt. Oder wie es die beiden fulminanten Regisseure des närrischen Spektakels gleich zu Beginn des Narrenspiegels zusammenfassten: »Seit 750. Jahren sind wir keine Dorftrottel mehr.«
Der Grandseigneur der Radolfzeller Fasnet, Lothar Rapp, in seiner Paraderolle als Kappedeschle, bewies nicht gewohnt nur eine spitze Zunge, er wird mit seiner Narrenschelte wohl auch in die Geschichte der Stadt eingehen: Denn seine Idee einer Superseebrücke bis nach Iznang könnte die Lösung in der Diskussion um die Seeanbindung bringen. »Do kann man endlich in die Sunne blinzle, und aus luftiger Höh uff die Schiffe... schauen«. Ein deutliches Signal sandte er auch in Richtung Kreistag. »De Arsch bewege« sollen sie dort in Konstanz in puncto Geburtshilfe. »Denn plötzlich will man alle zwingen, zur Niederkunft unter‘m Twiel, dann wären alle Zeller von Singen, als wäre das ein Lebensziel!«, skandierte Rapp.
Aber auch in den nachfolgenden Szenen brannten die in Bestform angetretenen Gardisten ein närrischen Feuerwerk ab. Angefangen von der ersten Szene »Vom Markt zu Stadt«, über die Stationen »Zum Henker mit dem Spital« und »Die Industrialisierung« bis zur Nummer »Heilung durch Bewegung« - ein Highlight folgte dem nächsten.
War der Narrenspiegel bis dahin ein humoristischer Leckerbissen, die Seefundgruppe legte mit ihrer traditionellen Schlussnummer noch einmal einen drauf: Strophen wie »De Nöken baut und baut, nur uff de Liebesinsel, do steht no kein Haus« oder »Junge Familien mit Kinder und Hund, die können doch uff‘s Land, da lebt es sich gesund« lösten Begeisterungsströme im Publikum aus. Spätestens beim Ohrwurm zur Melodie von Andreas Gabalier und seinem »Hulapalu« gesungenen, »Los Martin Staab, los schreite zur Tat. Es wird Zeit, dass du was machst und nicht nur drüber lachst. Ich und Du, die ganze Stadt schaut zu«, »brannte« das Milchwerk lichterloh.
- Matthias Güntert
Autor:Redaktion aus Singen |
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