Närrische Antwort auf den Klimakollaps
Die Narrizella und die "letzte Generation"

Festgeklebt als Narr der "letzten Generation" war Josch Frengele am Fass auf der Bühne des Narrizella Männerfrühschoppens und musste von Benni Bromma mit schwerem Werkzeug befreit werden. | Foto: Oliver Fiedler
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  • Festgeklebt als Narr der "letzten Generation" war Josch Frengele am Fass auf der Bühne des Narrizella Männerfrühschoppens und musste von Benni Bromma mit schwerem Werkzeug befreit werden.
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Radolfzell. „Alles wieder geregelt und wir Männer sind wieder unter uns, da wird es sicher lustiger“, konnte Narrizella-Präsident Martin Schäuble zur Rückkehr in eine „normale Fasnet 2023“ nach zwei harten Corona-Jahren zum traditionellen Männerfrühschoppen in der Tegginger-Halle feststellen. Die Zahl der Gäste ließ zwar ein paar Lücken auf den Bänken, aber trotzdem benötige Schäuble auch erst mal die erste Viertelstunde, um all die honorigen Gäste zu begrüßen, die da erwähnt sein wollten. Schließlich ist dieser Frühschoppen ein närrisches Ereignis, das weit über die Grenzen der Stadt hinausstrahlt. Abgelegt soll damit die Erfahrung des letztjährigen „gemischten“ Frühschoppens im Milchwerk im letzten Jahr werden, der auch noch mit einem Monat Verspätung angesichts der „vierten Welle“ durchgezogen wurde. Und das war auch gut so.
Benni Bromma konnte an diesem Vormittag gleich sechs Büttenredner ankündigen und dann wurde auch schon die Spur der letzten Generation aufgenommen, denn gleich mehrere der Redner klebten sich am Rednerfass fest oder nagelten sich gleich nach biblischem Vorbild dort an.

Josch Frengele klebte sich als „Letzter“ gleich mal ans Fass der Bütt fest und lästerte erst mal über die Schnitzelfresser und die, die mit dem Fleischkäs das Klima vergifteten, und forderte zu veganer Ernährung auf, um auch „gesund sterben zu können“. Auch den Holzern kündigte er an, dass er sich auch aufs Loch des Narrenbaums kleben wolle. Und auch den Fuchsschwanz der Narrenrats zog er durch den Kakau. Das Brauchturm erzeuge bei den Tieren nur leid, und schlauer mache der Schwanz auch keineswegs, wie man hier grad sehe. „Gender“ ins Pub oder „Gender“ ins „Mü“ war eine weitere Pointe vom ihm.

Felix Bromma hatte seine Premiere im Fass: "Mein Alter ist echt behämmert“, richtete er in Richtung des Moderators und des Holzhauers: nur warme Brüder gingen mit Stiefeln in den Wald und fällten Bäume. In einem süffisanten Portrait der Narrenfigur verblieb er bei der Erkenntnis, dass die Gardisten einfach eben die Schönsten seien. Und der gehört er an.

Tobias Bauer hatte sich einige alte Reden von Helmut's Fasnacht von vor 30 Jahren aus dem Archiv geholt – zum Jahreswechsel damals um im “Gell, s isch halt alles nimme des“ zu enden und in die „Fasnetszeit“ von Alfred Heizmann zu blicken, wie in die Annalen von Norbert Heizmann, um zu erklären wie man in einen Trichter bricht. Klaus Dieter Reichert, der Radolfzeller Dichtertrompeter und Thomas Burt wie Manfred Grosch ergänzten die närrische Ahnengalerie, mit einem Blick nach Gottmadingen zu Günter Burger und zu Bruno Epple bis zum „Urban Klingele“ (Walter Fröhlich) und seiner „Ilse“ und einer klaren Botschaft: Schwätzet Dialekt, s isch no it z‘schpot. Und dann gabs sogar die Singener Fasnethymny „S goht dagege“ zum Mitsingen.

Egon Kenke musste schon bald auf die Bühne getragen werden, aber zeigte doch, dass er noch gut beissen kann: egal wie sanft man Narren gängelt, man macht es nie allen recht. Klare Kante sollt es freilich sein. Er hofft auf neuen Alefanz bei den Narrenspielen: konstruktive Mitarbeit. Er lobte das erste Jahr von OB Gröger, die Narren solle man auch dann verstehen, wenn nicht mehr Fastnacht ist.

Narrizella-Frühschoppen im Zeichen der "Letzten Generation"

Christoph Zeiser, noch einer von der Garde, hatte sich auch noch mal die „Last Generation“ vorgenommen, freilich mit der Frage: Sind die gesund oder vegan? Die beppet sich sich nicht nur an Bilder, sondern auch an manche Straßenschilder: Wenn die sich an den Marktplatz kleben würden, befürchtet Zeiser, der sich vor den Pritt-Piraten und Tesa-Teufeln fürchtet und das als gar nicht so neues Phänomen entlarvte: Narrenräte würden freilich nach dem Umzug auch mal kleben bleiben, an der Theke. „Klebrig, klebrig, klebrig isch de Sell“, gabs bei ihm zum Mitskandieren. Und er hielt wie in der „echten“ Vorlage aus der Bibel und hämmerte seine Hand am Fass auf der Bühne fest.

Eine kuriose Narrenbaum-Christbaumnummer lieferte die Gruppe um Peter Zabel, die auch eine ganze Reihe von Modellen mit in die Halle der Tegginger-Schule mitgebracht hatten: den eigenen schönen, den verlängerten aus Stockach, den kleinen der Froschen, den angekokelten aus Singen oder Engen (das wusste Zabel nicht so ganz genau). Und zu jedem gabs nach der Melodie von „Oh Tannenbaum“ ein Verslein.

Lothar Rapp stellte sich zum Finale als Auslaufmodell in die Bütte: Simon Petrus sei näher am Heiligen dran, grüßte er den OB. Freilich sei er froh, hier wieder nun den närrischen Männerfrühschoppen zu haben, denn vom letztjährigen Versuch, zusammen mit den Frauen aus der Zunft, sei seine Frau doch sehr von seinem Auftritt enttäuscht gewesen. Rapp ging auf die Versuche ein, es allen recht machen zu wollen, womit vieles aber nicht mehr möglich sei. Schlimm wäre es für ihn, wenn nun bei den Drei Königen der dunkelhäutige "Mohr" nun ausgeschlossen werde und letztlich müsse man sich fragen, ob Jesus überhaupt ein "Bue" gewesen sei. Man dürfe nun auch nicht mehr zu den Hansele "Henne" sagen,  bald auch nicht mehr als "Frosch" auf die Fastnacht, wo den Kindern schon die "Indianer" untersagt wurden. Hoffentlich dürfe man da wenigstens noch die eigenen Hemdglonker verunglimpfen. Einen Seitenhieb auf das Stockacher Narrengericht angesichts seiner geplanten Reise nach Berlin mit einer dort angekündigten Gerichtsshow konnte sich Rapp aber trotzdem nicht verkneifen: Denn Narren gäbe es dort bekannterweise in der Politik schon genug.

OB Simon Gröger durfte immerhin zum Abschluss noch auf die Bühne: um dort mit Zunftpräsident Martin Schäuble vorzuführen, wie weit er inzwischen mit seinen Klepperle-Künsten gekommen ist. Viel besser als die beiden Vorgänger, meinte Schäuble. Aber noch sehr ausbaufähig.

Autor:

Oliver Fiedler aus Gottmadingen

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