Gedenkstelle an der ehemaligen SS-Kaserne offiziell eingeweiht
Das vergessene Leid sichtbar machen
Radolfzell (gü). Bürgermeisterin Monika Laule fand bei der Einweihung des Mahnmals an der ehemaligen SS-Kaserne in Radolfzell am Sonntagmorgen deutliche Worte: »Wir Deutschen haben uns sehr lange schwer damit getan, den Orten, an denen zwischen 1933 und 1945 alltäglich Unrecht geschehen ist, mit einer sichtbar gewordenen Erinnerung den Schleier des eiligen Vergessens zu nehmen.«
Auch in Radolfzell habe es lange gedauert, bis man sich mit der nationalsozialistischen Zeit in und um die Stadt auseinandergesetzt habe. Das hat sich seit dem Wochenende geändert. Wie Stadtarchivar Achim Fenner bei der Einweihung des Mahnmals erklärte, sei das Wissen rund um die ehemalige SS-Kaserne eher »defizitär« gewesen. »Die Zeit war reif auf dem Gelände der Kaserne eine Gedenkstätte zu errichten«, erklärte Fenner in seiner Ansprache. Bürgermeisterin Monika Laule pflichtete dem ihm bei: »Auch in unserer heute so liberalen Stadt war es an der Zeit die frühere SS-Kaserne, einen dieser NS-Tatorte des alltäglichen Unrechts, wieder in ihrer Funktion sichtbar zu machen und an die Opfer zu erinnern.«
Über sechs Meter hoch reicht die Stele des Pforzheimer Künstlers, René Dantes, in den Radolfzeller Himmel. Eingerahmt wird das Naturedelstahl-Ensemble durch vier Informationstafeln, die Hintergründe zur ehemaligen Kaserne liefern. Neben dem Komplex »Bau der Kaserne«, wurden redaktionelle Texte zu den Themen »Täter, Opfer, Zuschauer«, die »Waffen-SS-Unterführerschule und das KZ-Außenkommando Radolfzell«, die »Entwicklung von Besatzern zu Freunden« und zur »Geschichte des Gewerbegebietes« erarbeitet.
Doch wie Historiker Markus Wolter sagte, der neben Stadtarchivar Fenner, für die Formulierung auf den Infotafeln zuständig war, sei das Mahnmal nicht »irgendein Ort der Geschichte«. Vielmehr handle es sich hierbei um ein von »Geschichte belasteten Ort«. »Zeitgeschichte lässt sich nicht so leicht entsorgen wie der Bleisand am ehemaligen Schießstand im Altbohlwald. Es gilt diese Zeitgeschichte aufzuarbeiten«, so Wolter weiter.
Der deutlichen Ansprache zu Anfang ließ Laule am Ende nochmals eindringliche folgen. Man sei dankbar, dass der Künstler geholfen habe, das vergessene Leid mit der Sprache der Kunst sichtbar zu machen. »Die Toten können wir nicht mehr erreichen, aber ihre Angehörigen und Nachfahren sollen sehen, dass es nie zu spät ist, sich der Geschichte zu stellen«, schloss Laule ihre Ansprache.
- Matthias Güntert
Autor:Redaktion aus Singen |
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