Gedenkfeier zur Befreiung des KZ Auschwitz
Aus dem Schweigen seine Lehren ziehen

Nach der Gedenkveranstaltung legten Gäste Kerzen an den Stolperstein von Alice Fleischel nieder. | Foto: Philipp Findling
11Bilder
  • Nach der Gedenkveranstaltung legten Gäste Kerzen an den Stolperstein von Alice Fleischel nieder.
  • Foto: Philipp Findling
  • hochgeladen von Philipp Findling

Radolfzell. Auch 79 Jahre später hat die Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz eine immens große Bedeutungskraft für die deutsche Erinnerungskultur. Diese Kraft war am historischen Datum des 27. Januar in Radolfzell bei der nun achten Gedenkveranstaltung der Jungen Union und CDU im Kreis Konstanz zu spüren. 

Am Seetorplatz vor dem Stolperstein von Alice Fleischel verstanden es die politischen Vertreter um den Vorsitzenden der Jungen Union im Kreis Konstanz, Thomas Racke, gut, sich mit klaren Worten auch auf die aktuellen Geschehnisse rund um Rechtsextremismus in Deutschland zu beziehen. Rund 75 Gäste, unter welchen sich auch Vertreter der deutsch-israelischen Gesellschaft der Bodensee-Region befanden, lauschten zunächst den Worten von Levin Eisenmann, Vorstandsmitglied der Landes-CDU, der zu Beginn auf die Bedeutung dieses Gedenkens verwies. "Die beste Versicherung gegen Totalitarismus, Faschismus und Nationalsozialismus ist und bleibt die Erinnerung an und die aktive Auseinandersetzung mit der Geschichte.
Man müsse Antisemitismus in Deutschland und deren Gewalttaten entschieden entgegentreten, habe man dies in den letzten Jahren doch nie wirklich getan. "Im Bewusstsein unserer Verantwortung müssen wir uns einig sein: Nie wieder ist jetzt!", bestärkt Eisenmann. Vor allem der Kampf gegen den "alten Antisemitismus" dürfe die Gesellschaft nicht darüber hinwegtäuschen, dass sich in Deutschland ein neuer, wachsender israelbezogener Antisemitismus ausbreite, welcher seinen Ursprung im Judenhass der Nachbarstaaten Israels habe.

Stärke für den "Löwenjungen"

Eisenmann verwies auch auf die grausamen Ereignisse seit dem 7. Oktober und machte das Ausmaß der unmenschlichen Taten der Hamas deutlich: "An nur einem Tag wurden so viele Jüdinnen und Juden umgebracht wie an keinem anderen Tag seit Ende des Holocaust." Besonderes Gedenken erhielt stellvertretend für diese Menschen der mittlerweile einjährige Kfir Bibas, der mit seiner Mutter und seinem vierjährigen Bruder von seinem Vater getrennt wurde und noch heute von den Hamas-Terroristen aufgrund seines Glaubens in deren Gewalt gehalten werde. Angelehnt an die Übersetzung dessen Namens bat Levin Eisenmann bat alle Anwesenden darum, "zu beten, dass dieser Löwenjunge - aller Grausamkeiten zum Trotz - stark bleibt". 

Aus dem Gewissen gesprochen

In Vertretung des erkrankten Historikers Helmut Fidler trat nun Gemeinderat Christoph Stadler vor das Mikrofon. Er erinnerte mit  Erzählungen von Zeitzeugin Hannelore König an die Ereignisse rund um ihren Vater Nathan Wolf aus Wangen, ein jüdischer Arzt, welcher historisch gesehen als letzter Jude des Ortes gilt und von der SS im November des Jahres 1938 in das KZ nach Dachau verschleppt wurde und nur fünf Tage vor Kriegsausbruch in die Schweiz fliehen konnte. "Am 10. oder 11. November kamen mein Vater, Alfred Wolf und Emil Wolf und Dr. Blumenthal aus Dachau zurück [...] Mein Vater, der vorher ungefähr 140 Pfund gewogen hatte, wog noch 90 Pfund. Sein Kopf war kahl geschoren." zitierte Stadler aus den Memoiren. Wolf war der einzige, der "aus dem Gewissen gesprochen hatte, die anderen schwiegen". Man dürfe ihm zufolge nie mehr Leute aufgrund ihres Glaubens in eine Ecke drängen, was ein Eintrag aus dem Ateliertagebuch des 2023 verstorbenen Malers und Mundartdichters Bruno Epple verdeutlichte: "Eine Freundin findet viel Sinn darin, dass der Jude so in der rechten unteren Ecke steht [...] wie er in der Geschichte immer wieder in die Ecke gerückt worden ist [...] in seiner Freiheit eingeschränkt und beschnitten. Aber der Kopf ist frei, das Gesicht offen."

Historische Verantwortung

Zum Abschluss der Veranstaltung wollte auch Bürgermeisterin Monika Laule einige Worte an die Gäste richten, so gelte es, gerade heutzutage ein starkes Zeichen gegen Antisemitismus zu setzen. "Menschenfeindlichkeit", so die Bürgermeisterin, "darf nicht geduldet werden." Man müsse aus den Gedenken und zu dem, wozu viele geschwiegen haben, seine Lehren ziehen, so seien diese fundamental für die Verfassungsordnung. Man müsse sich zur historischen Verantwortung bekennen und zum 75. Jubiläum des Deutschen Grundgesetztes zusammenstehen für eine wehrhafte Demokratie. Laule zeigte sich stolz auf die aktuellen Demonstrationen gegen Rechts, welche nächsten Mittwoch, 31. Januar, auch in Radolfzell stattfinden werden. "Sie sind ein wichtiges Signal für politisches Engagement in Deutschland."

Autor:

Philipp Findling aus Singen

following

Sie möchten diesem Profil folgen?

Verpassen Sie nicht die neuesten Inhalte von diesem Profil: Melden Sie sich an, um neuen Inhalten von Profilen und Orten in Ihrem persönlichen Feed zu folgen.

2 folgen diesem Profil

Kommentare

Kommentare sind deaktiviert.
add_content

Sie möchten selbst beitragen?

Melden Sie sich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.