Baudirektor Thomas Nöken sprach mit dem WOCHENBLATT über
sozialen Wohnungsbau
200 Wohnungen für sozial Schwächere
Radolfzell (gü). Der Bereich Bauen und Wohnen zählt wohl zu den gefragtesten Themen – nicht nur in Radolfzell. Wohnraum fehlt auch hier, vor allem sozialer und bezahlbarer. Das Ergab die Auswertung der Umfrage zum Stadtentwicklungsplan 2030. Im Interview mit dem WOCHENBLATT sprach Thomas Nöken, Fachbereichsleiter Bauen, wie die Stadt der Wohnungsnot Herr werden will.
WOCHENBLATT: Bei den Bürgerworkshops stand das Thema Bauen und Wohnen bei den Radolfzellern hoch im Kurs. Wie groß ist der Druck aktuell auf dem Radolfzeller Wohnungsmarkt?
Nöken: »Der Druck auf den Radolfzeller Wohnungsmarkt ist nach wie vor sehr hoch; dies hat mehrere Ursachen. Die Bodenseeregion ist aufgrund ihrer zentralen Lage und einer guten Verkehrsinfrastruktur als Wirtschaftsstandort sehr attraktiv. Beschäftigte der ansiedlungswilligen und expandierenden Firmen benötigen Wohnraum. Der hohe Freizeitwert macht die Stadt zusätzlich für Berufspendler und Ruheständler attraktiv.«
WOCHENBLATT: Mit Blick auf die Knappheit von Wohnung in der Region – wie möchte die Stadt dieser Entwicklung entgegen steuern?
Nöken: »Zur Entspannung der Wohnraumsituation verfolgen wir parallel zwei Strategien: Zum einen aktivieren wir innerörtliche Entwicklungspotenziale; diese ergeben sich in der Regel durch städtebaulich verträgliche Umwidmungen der Flächennutzungen. Zum anderen entwickeln wir in der Nordstadt sowie in Böhringen und Markelfingen große Neubaugebiete.«
WOCHENBLATT: Die Freien Wähler haben im Gemeinderat den Antrag gestellt, dass die Stadt in Eigenregie 20 Sozialwohnungen schaffen soll. Wie stehen Sie zu diesem Antrag?
Nöken: »Durch entsprechende Ausschreibungen, Verhandlungen und Verträge werden in den nächsten Jahren eine Vielzahl geförderter Wohnungen, Inklusionsprojekte und Wohnungen für einkommensschwächere jungen Familien, Alleinerziehende und ältere, alleinstehende Menschen ab 65 Jahren entstehen. In der Summe sind es rund 200 Wohnungen, welche diesen Zielgruppen zur Verfügung stehen sollen. Durch die genannten Maßnahmen wird sich der Bestand an Sozialwohnungen in den nächsten Jahren verdoppeln. Mittelfristig sind weitere Projekte geplant. Vor diesem Hintergrund ist aus Sicht der Verwaltung der Bau weiterer 20 Sozialwohnungen durch die Stadt nicht erforderlich. Mit dem Gemeinderat haben wir uns darauf verständigt, dass die Verwaltung prüft, wie zusätzlich 20 Einfachstwohnungen geschaffen werden können, bei denen die Stadt direkte Belegungsmöglichkeiten hat. Ein entsprechenden Vorschlag werden wir dem Gemeinderat im Herbst unterbreiten.«
WOCHENBLATT: Lediglich 30 Prozent der Befragten der »STEP2030«-Umfage stuften das Vorhaben am Kapuzinerweg einen neuen Einzelhandelsschwerpunkt zu schaffen, als wichtig ein. Wie stehen Sie zu diesem Vorhaben?
Nöken: »Das Ergebnis der Befragung macht deutlich, dass sich in den letzten Jahrzehnten ein Gewöhnungseffekt eingestellt hat; der Radolfzeller Verbraucher hat sich daran gewöhnt, manche Güter des mittel- und langfristigen Bedarfs in den Nachbarstädten einzukaufen. Der geplante Einzelhandelsschwerpunkt am Kapuzinerweg zielt darauf ab, Versorgungslücken im Einzelhandelsangebot der Stadt Radolfzell zu schließen. Dadurch wollen wir Teile der heute abfließenden Kaufkraft zurückgewinnen und eine wohnortnahe Versorgung der Bevölkerung sicherstellen.«
WOCHENBLATT: Jüngst bezeichneten Sie das Bauvorhaben auf dem Fora-Areal als Zukunftsprojekt. Was steckt dahinter?
Nöken: »Die FORA Folienfabrik GmbH beabsichtigt die Einstellung Ihrer Produktion an ihrem bisherigen Standort. Ein Investor hat beantragt, das Betriebsgelände in ein Wohngebiet umzuwandeln; dort sollen ca. 200 Wohneinheiten entstehen. Zeitgleich möchte der benachbarte Lebensmittelnahversorger eine Verkaufsflächenerweiterung vornehmen, um den Einzelhandelsstandort langfristig zu sichern. Die Stadt selbst plant, das südliche Gleisdreieck rund um die Günter-Neurohr-Brücke als Standort für Dienstleistungen und nicht störendes Gewerbe zu erschließen. Verhandlungsstand mit dem Investor des Wohngebiets ist die Realisierung von 30 Prozent sozialem Wohnungsbau und/oder einem inklusivem Mehrgenerationenkonzept mit circa 30 Wohneinheiten für 70 Bewohner. Die angestrebte Kombination von Wohnen für alle Bevölkerungsschichten, Lebensmittelnahversorgung und nicht störendem Gewerbe stellt eine wünschenswerte städtebauliche Entwicklung in diesem Quartier dar.«
WOCHENBLATT: Bis 2020 sollen in der Stadt 1.500 Wohneinheiten entstehen. Ein zu ehrgeiziges Ziel?
Nöken: »Diese Aufgabe stellt für meine Mitarbeiter im Dezernat Umwelt, Planen & Bauen eine große Herausforderung dar. Eine Vielzahl von Bebauungsplänen sind aufzustellen, Infrastruktur ist zu schaffen, Bauanträge sind zu bearbeiten. Nachdem die meisten städtebaulichen Projekte, welche die Grundlage für die genannte Zahl bilden, bereits in Bearbeitung sind, bin ich zuversichtlich, dass wir das schaffen.«
- Matthias Güntert
Autor:Redaktion aus Singen |
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