Verleihung von Heinrich-Rehm-Medaille an Werner Mezger ohne Medaille
Nur die Medaille fehlte
Orsingen-Nenzingen. Schöner hätte sich diesen Gag nicht einmal Stockachs Erznarr Hans Kuony ausdenken können. Und eine bessere Anekdote findet sich in keinem Narrenblättchen. Es war eine Geschichte, wie sie nur das Narrenleben schreiben kann. Alle waren da – der zu Ehrende, der Laudator, das Publikum, die Musik, die Honoratioren, die Urkunde. Nur die Medaille fehlte. In der voll besetzten Rebberghalle in Nenzingen bei Stockach erklärte Rainer Hespeler, der Präsident der Narrenvereinigung Hegau-Bodensee, charmant und eloquent wie immer: Die Heinrich-Rehm-Medaille sei vergessen worden, sie werde aber gerade geholt. Egal. Dann bekam Professor Werner Mezger, »Fasnachtspapst«, TV-Kommentator, Autor, Referent und Professor an der Universität Freiburg, eben zunächst nur die Urkunde verliehen. Sie geht, normalerweise zusammen mit der Medaille, an Menschen, die sich »herausragende Verdienste um die Förderung, Verbreitung, Darstellung, Erforschung und Pflege des Brauchtums in Bereich der Fasnacht und des Karnevals im gesamten deutschsprachigen Raum« verdient gemacht haben. Die Narrenvereinigung Hegau-Bodensee erinnert damit an ihren Gründer Heinrich Rehm und verleiht die Auszeichnung alle zwei Jahre.
Normalerweise. In diesem Jahr aber, so verriet Rainer Hespeler, war die Heinrich-Rehm-Medaille bei Walter Benz in Gottmadingen vergessen worden. Das ist fast wie auf dem Standesamt, wenn die Ringe fehlen? Viel schlimmer, meinte der Präsident der Narrenvereinigung Hegau-Bodensee, denn bei einer nicht geschlossenen Ehe könne man nach zehn Jahren immer noch sagen, es sei besser so gewesen. Doch in diesem Falle? Egal. Eine Dame zischte los und holte die Medaille in Gottmadingen ab, die Werner Mezger dann doch noch überreicht werden konnte. Der Ausgezeichnete hatte darin das Gute gesehen: Er hätte Probleme gehabt, die opulente Urkunde und die Medaille auf einmal zu tragen. Da sei es gut, dass beides nacheinander und nicht auf einmal gekommen sei. So habe er sich nicht übernehmen müsse, witzelte Werner Mezger schlagfertig. Und: »Es ist eine der wenigen Ordensverleihungen, bei denen der Orden frisch auf den Tisch kommt.« Und als die Schatulle mit der Auszeichnung gebracht wurde, scherzte einer aus dem Publikum: »Schaut erst einmal, ob die Medaille auch drin ist.«
Es menschelte also herrlich bei dieser Verleihung, und das gab der Veranstaltung einen besonderen Reiz. Reiz hätte sie aber auch so gehabt. Der ehemalige Kreisarchivar Dr. Franz Götz als Laudator ließ die wichtigsten Stationen im Leben von Werner Mezger Revue passieren: Der Mann aus Rottweil studierte in Tübingen Germanistik, Geschichte und Volkskunde, promovierte in Tübingen und kam dann als Referendar für den Schuldienst an das Gymnasium in Radolfzell. Dort lief er Bruno Epple über den Weg, mit dem zusammen er am 7. Juni 1977 bei Franz Götz im Büro stand. Aus der Unterredung folgte ein kleiner Beitrag von Werner Mezger für ein fasnächtliches Buch – und das war der Beginn seiner Beschäftigung mit der Fasnacht. Sie wurde und ist einer von 13 Forschungsschwerpunkten Werner Mezgers, der nach 20 Jahren im Schuldienst als Professor für Volkskunde an die Universität Freiburg wechselte. Seine Habilschrift verfasste er natürlich über die Fasnacht. Und seine Forschungsarbeit hat auch europäische Dimensionen, wie Michael Fuchs vom Fastnachtsmuseum Schloss Langenstein in seinem Schlusswort ausführte.
Werner Mezger bedankte sich kurzweilig für die Auszeichnung und die teilweise auf Latein gehaltene Laudatio von Franz Götz. Mit vielen Anekdoten spickte er seinen Vortrag. Im Fernsehen habe es etwa 200 Livestunden mit ihm gegeben, führte er aus. Und er erzählte, wie er einst zu einem Workshop im Rollkragenpullover anreiste. Doch es handelte sich in Wirklichkeit um das 60-jährige Jubiläum der Vereinigung Schwäbisch-Alemannischer Narrenzünfte (VSAN), er war der Festredner, und sein Auditorium trug Festkleidung, Anzug oder das »kleine Schwarze«. Zum Glück sei es ein Diavortrag gewesen, so Werner Mezger, denn es sei bald dunkel geworden.
Eine Medaille, und zwar eine vorhandene, hätte auch die Musik verdient gehabt: Das Blechbläserquintett aus Gottmadingen überraschte mit flott arrangierten und kompetent zusammengestellten Musikpotpourris, die von Ludwig van Beethoven und Giuseppe Verdi bis hin zu Narrenmärschen und Schlagern reichten. Der Musikreigen war so geschickt verquickt, dass sich die Genres harmonisch zu einer Symphonie der Klänge vereinten. Diese Musik trug das Publikum mit und war stets präsent. Im Gegensatz zu der Heinrich-Rehm-Medaille.
- Simone Weiß
Autor:Redaktion aus Singen |
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