Der "Konstanzer Weg" als Mythos
Wiedersehen der HSG-Veteranen nach fast 30 Jahren
Konstanz. Ausverkauftes Haus beim Derby der HSG Konstanz in der 2. Handball-Bundesliga gegen den HBW Balingen-Weilstetten und mit dabei auf der Tribüne: Knapp 20 HSG-Veteranen, die sich nach fast 30 Jahren wieder einmal in großer Runde bei der HSG trafen – und dabei den „Konstanzer Weg“ verkörpern.
Uwe Rathke hieß der Trainer, der die HSG Konstanz 1991 übernahm und die Zeit vor Adolf Frombach prägte. Gekommen vom Zweitligisten Stuttgart-Scharnhausen, brachte Rathke mit seinem Wissen aus dem Leistungssport den nächsten Schub in der Entwicklung der damals noch jungen HSG. Otto Eblen, von 1991 bis 2021 Präsident, hatte damals gerade frisch die Geschicke übernommen und den Handall-Fachmann zusammen mit Georg Geiger an den Bodensee gelotst. Aus familiären Gründen war Rathke damals mit seiner Frau nach Überlingen gezogen und hatte – eigentlich – versprochen, nach seiner Bundesligazeit kürzerzutreten. „Das hat im Nachhinein allerdings nicht gestimmt“, erzählte Rathke mit einem schelmischen Grinsen in der Schänzle-Hölle. Stattdessen formte er eine Mannschaft, die nicht nur sportlich in der Oberliga oben mitmischte, sondern sich bis heute als verschworene Gemeinschaft zeigt. „Nach Scharnhausen war die HSG eine echte Heimat für mich“, betonte Rathke. Knapp 20 „HSG-Legenden“ im Alter von 51 bis 60 Jahren inklusive Familien waren aus ganz Deutschland und sogar aus Rumänien nach Konstanz gereist, um sich wieder einmal zu sehen. Rathke hatte gar sein Wohnmobil direkt vor der Halle platziert, denn „der Abend wird lange“, war er sich sicher.
Beeindruckende berufliche und sportliche Karrieren
Für Frank Schädler, der sich bei einem Glas Bier und einem alten Mannschaftsfoto dazu entschlossen hatte, sich auf die Suche nach den Kontakten der alten Mitspieler aufzumachen, eine große Freude. Fast alle waren sie seinem Aufruf gefolgt und die Begeisterung auf allen Seiten riesengroß. „Es war für alle eine tolle Geschichte, sich wiederzusehen und sich auszutauschen, aber auch zu erleben, was aus der HSG inzwischen geworden ist“, so Schädler. Sofort war man wieder auf einer Wellenlänge, sinnierte über alte Erfolge und Geschichten und tauschte sich über die neuen aus. Diese sind nicht weniger herausragend. Viele Spieler machten richtig Karriere. Für Schädler schon damals absehbar. „Thomas Kluge war schon während des Studiums der Lehrer, Rainer Kümmerle ein Praktiker und Achim Liliental als Beispiel der Wissenschaftler“, lacht er. Inzwischen ist Kümmerle Dr. der Physik und arbeitet in einem großen Schweizer Unternehmen, das Tesla-Sensoren herstellt. Thomas Kluge ist Lehrer in Bad Homburg und Liliental Professor der Physik an der Universität Stockholm und München. Sie stehen beispielhaft für viele weitere, die Anwälte, zweifach promovierte Mitarbeiter von BMW, Unternehmer oder aber über die HSG auch Erst- und Zweitligaspieler wurden.
Zusammenhalt und Verbundenheit
Damit verkörpern sie alle den damals zwar noch nicht so definierten, aber schon gelebten „Konstanzer Weg“ aus einer hochwertigen (akademischen) Ausbildung an der Universität und HTWG Konstanz – inzwischen gefördert durch Kooperationen zur Förderung des Spitzensports – sowie Spitzensport in einem professionellen Umfeld. Am Tag nach dem Spiel wurde ein gemeinsames Training und Grillfest terminiert. Wobei vom Training zunächst nicht allzu viel erwartet wurde. „Aber“, so Schädler lächelnd, „nach einer kurzen Startphase sind wir alle wieder richtig in Schwung gekommen.“ Sogar über die Anmeldung einer neuen Mannschaft wurde gescherzt. „In der Landesliga wären wir immer noch dabei“, meint Schädler und schränkt nach einem Moment ein: „Nicht mit dem Tempo – aber dem Auge.“ Keine andere Mannschaft habe er so sehr als Familie wahrgenommen bekräftigt der inzwischen zum Leiter des Konstanzer Amtes für Bildung und Sport gewordene Organisator. „Wir haben zusammen gewonnen und verloren, hatten große Leistungsbereitschaft auf dem Feld aber auch in unseren Ausbildungen“, erzählt er und wird bestätigt durch großartige berufliche und sportliche Karrieren. Vom Zusammenhalt schwärmt er noch heute und sagt: „Diese Verbundenheit wie zwischen dieser Mannschaft, die sich Jahre nicht gesehen hat, ist nach wie vor enger als viele andere und aktuellere in meinem Leben.“
Konstanzer Weg wird weiter gelebt
Wie ihm geht es vielen. Die Gemeinsamkeit und die Verbundenheit sollen nun regelmäßig gepflegt werden. Schädler: „Wir haben beschlossen, dass wir nicht wieder 30 Jahre bis zum nächsten Treffen warten.“ Sagt’s und lacht und hat sofort eine WhatsApp-Gruppe gegründet, in der schon bald gemeinsame Aktivitäten wie ein AH-Turnier oder ein Ski-Ausflug fixiert werden sollen. Nicht zuletzt waren die HSG-Veteranen stolz auf die bis in die 2. Bundesliga aufgestiegene HSG und konnten den Unterschied zur damaligen Zeit hautnah erleben. „18:17, heute ein Halbzeitergebnis, war damals ein ganz normaler Endstand“, erinnert sich Schädler, dessen ehemalige Mitspieler die HSG weiter intensiv verfolgen. Die Dynamik und das Tempo waren zu seinen aktiven Zeiten eine andere. Das Familiäre, der Zusammenhalt, der Konstanzer Weg, die intensive Jugendarbeit und die HSG-Familie – all das wird jedoch bis heute auch und vor allem dank der Familie Eblen trotz immer weiter fortschreitender Professionalisierung und Ausbau der Strukturen weiter bei der HSG Konstanz gelebt.
Autor:Andreas Joas aus Konstanz |
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