Nach 13 Monaten Reha
Plötzlich war die Spielfreude zurück
Konstanz. Die Zeit für Torjubel im Handball ist extrem begrenzt. Tor, aufstehen, im vollem Tempo zurück in die Abwehr und wieder Position einnehmen. Irgendwo dazwischen gibt es ihn, den kurzen Moment, um die Arme nach oben zu reißen und seinen Emotionen freien Lauf zu lassen. Den 22. Juli wird Christos Erifopoulos so schnell nicht vergessen. Tor, aufspringen, im Sprint zurück. Aber einer, der so viel bedeutet. In dem die ganze Spielfreude plötzlich zurück war.13 Monate Reha
Als sich ein breites Lächeln im Gesicht des neuen Spielmachers der HSG Konstanz breitmachte, er die Arme nach oben riss und freudestrahlend mit leuchtenden Augen zur Bank blickte. Alle waren sie dort aufgesprungen. Spieler, Trainer, Betreuer, Ärzte und Physiotherapeuten. Für ein Tor im, was das Ergebnis angeht, völlig bedeutungslosen ersten Testspiel. Kurz vor Schluss zum 32:24-Endstand. Es war das erste Spiel im HSG-Trikot für den seit Sommer 2021 bei der HSG unter Vertrag stehenden ehemaligen deutschen Jugend- und Junioren-Nationalspieler. 13 Monate lang quälte und kämpfte sich der Torschützenkönig der A-Jugend-Bundesliga und 3. Liga dafür zurück. Kurz vor dem Wechsel nach Konstanz war er im Training bei Frisch Auf Göppingen unglücklich an einem Gegenspieler hängengeblieben. Danach mussten das Kreuz- und Innenband operiert werden. „Das war schon ein Wechselbad der Gefühle“, blickt der 22-Jährige zurück an eine schwere, dunkle Zeit. „Erst war es richtig Mist, als ich gar nichts machen dufte, dann kam die Phase, als ich fast etwas übermotiviert war und ich mich bremsen musste.“ Mental schwer war vor allem der Beginn der Aufstiegsrunde zur 2. Bundesliga für die HSG. Als die Corona-Beschränkungen endlich nach einer gefühlten Ewigkeit fielen, die Fans wieder bemerkenswert schnell in die rappelvolle „Schänzle-Hölle“ strömten und eine unfassbare Energie auf die Platte schickten. „Das war ein geiles Gefühl und ich hätte richtig Bock gehabt, mitzuspielen“, sagt der junge Sportler. Die Traurigkeit, die ihm dabei vor einigen Wochen noch deutlich anzusehen war, ist inzwischen aber wieder der positiven, fröhlichen und lockeren Art des Mannes mit griechischen Wurzeln gewichen.Heiße Duelle an der Mini-Tischtennisplatte
Rückhalt fand Erifopoulos vor allem bei seiner Familie, seiner Freundin – und seinen Teamkollegen. Durch die zu Beginn im VfB-Zentrum in Stuttgart stattfindende Reha war gerade die Anfangszeit im Hinblick auf die Einbindung in der neuen Mannschaft schwierig. Tageweise war er in Konstanz, dann wieder in Stuttgart. Dort konnte er sich mit Leidensgenossen und vielen am Kreuzband operierten Spitzensportlern aus Stuttgart, Heidenheim und verschiedenen Sportarten austauschen. „Ich wurde aber auch in Konstanz super aufgenommen, obwohl ich lange nicht richtig mittrainieren konnte“, erzählt er. Jetzt lebt er mit Kreisläufer Niklas Ingenpaß in einer Wohngemeinschaft, fünf Minuten vom Bodensee entfernt. Über dieser wohnt Rückraumspieler David Knezevic. Zu dritt wird oft nach dem morgendlichen Kraft- und Athletiktraining gefrühstückt – „Niklas macht das beste Rührei“, so der Mittelmann –, abends zusammen Serien angeschaut und gekocht und allgemein viel zusammen unternommen. Der gebürtige Erlenbacher berichtet mit einem Lächeln: „Und ich habe mir eine Mini-Tischtennisplatte gekauft.“ Hier finden nun regelmäßig heiße Duelle statt.Last fällt mit dem ersten Tor ab
Längst ist der Edeltechniker innerhalb kürzester Zeit zu einem festen Bestandteil der Mannschaft geworden. Und: „Es läuft von Training zu Training besser.“ Noch fehlen ein paar Prozente, doch seine technisch-spielerischen Fähigkeiten und das Tempo blitzten schon auf und sind eine echte Bereicherung für das Spiel der Gelb-Blauen. Wenn sich das erste Training auch noch „etwas komisch“ angefühlt hat, „ich war sehr aufgeregt, aber Jörg Lützelberger hat mir Sicherheit gegeben“, so sind spätestens nach diesem besonderen Treffer die Leichtigkeit und Spielfreude des Studenten der Wirtschaftswissenschaften zurück. „Der Moment der Standing Ovations war schon überragend“, strahlte er damals nach dem gelungenen Comeback und sagte: „Ich bin froh, wie mich die Mannschaft in der schweren Zeit unterstützt hat. Es hat mir sehr viel bedeutet, dass alle aufgesprungen sind. Irgendwie ist damit auch eine Last abgefallen.“ Als wäre er nie weg gewesen fühle es sich inzwischen an. 08/15 war schon immer wenig bei Christos Erifopoulos. Ganz besonders in den ersten Wochen nach dem Comeback im Mannschaftstraining. „Da habe ich alles nachholen wollen und durch die Beine, über den Kopf und vieles mehr spielen wollen“, lacht er. „Aber das hat sich jetzt wieder alles eingependelt.“ Denn allen bei der HSG ist klar, dass auf sie in der stärksten zweiten Liga der Welt eine schwere Saison zukommen wird. Eine, auf die sich alle allerdings sowas von freuen. Ganz besonderes Christos Erifopoulos. Denn „mit unseren Fans im Rücken wird es hier für jeden Gegner schwer“. Wie sich wohl der erste richtige Treffer anfühlen wird? Wenn die Schänzle-Hölle wieder richtig kocht und die neue Nummer 10 richtig abfeiern wird? „Daran möchte ich gar nicht so viel denken. Ich lasse mich überraschen“, zuckt der Deutsch-Grieche mit den Achseln. Es wird wieder ein Gänsehaut-Moment, den nicht nur er alleine so erleben wird. Einer, der lange im Gedächtnis bleiben wird. Einer, der alle aufspringen und jubeln lässt. Zwar nur diesen kurzen Moment. Aber einen, der so, so viel bedeutet. Dann vielleicht sogar nicht nur für Christos Erifopoulos, sondern auch für die HSG Konstanz bei ihren Zielen in der 2. Handball-Bundesliga.
Der Fahrplan der HSG
19.8., 19 Uhr, Testspiel vs. Kadetten Schaffhausen bei Skoda-Cup in Allensbach
27.8., 20 Uhr, DHB-Pokal vs. VfL Gummersbach in Konstanz
3.9., 19.30 Uhr, Saisonstart in der 2. Bundesliga beim HSC 2000 Coburg
10.9., 20 Uhr, Erstes Heimspiel in der 2. Bundesliga gegen VfL Potsdam
Zum kompletten Spielplan in der 2. Handball-Bundesliga.
Autor:Andreas Joas aus Konstanz |
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